Auf der Landebahn, wo früher die Tornados der Bundeswehr starteten, hebt gerade der Airbus A230 der Fluggesellschaft Wizzair ab. Es ist Dienstag, 16.45 Uhr und das Flugzeug mit seiner lila-rosaroten Bemalung schiebt sich mit der Kraft seiner Triebwerke in den blauen Himmel über Memmingen. Das Flugziel ist Belgrad. Hinter dem Rollfeld sind noch die mit Gras bewachsenen Unterstände für die Flugzeuge des Jagdbombergeschwaders 34 zu sehen, heute sind dort Firmen untergebracht. Knapp acht Jahre ist es her, dass sich der Luftwaffenstützpunkt zu einem zivilen Flughafen, dem „Allgäu-Airport“ gewandelt hat. Nächstes Jahr soll er für mehrere Millionen Euro modernisiert und ausgebaut werden. Und anders als wie bei der 3. Startbahn auf dem Münchner Flughafen bleibt hier der politische Gegenwind gemäßigt, die Dimensionen sind andere. Doch jetzt läuft der Urlaubsverkehr. „Wir waren für den Ferienbeginn gut aufgestellt“, sagt Geschäftsführer Ralf Schmid. Der Flughafen-Chef rechnet mit 150.000 Passagieren in der Urlaubszeit.
Billigfluglinie Ryan Air ist der Platzhirsch
Die Billigfluglinie Ryan Air ist der Platzhirsch am Flughafen, rund zwei Drittel aller Flüge gehen auf das Konto des Unternehmens. Und Ryan Air warb für den Standort „Allgäu-Airport“ schon mal mit dem Label „München-West“. Gut einhundert Kilometer sind es über die Autobahn A96 von der Landeshauptstadt bis zum Flughafen Memmingerberg, einer kleinen Gemeinde an der östlichen Stadtgrenze von Memmingen. Wer zum Abflugterminal will, fährt vorbei an den Hinterlassenschaften des ehemaligen Fliegerhorstes: Der Hauptwache, den Offiziers-Kasinos, den Unterkünften und den Flugzeug-Hangars. Und gelangt schließlich auf den Parkplatz mit seinen 3000 Standplätzen. 29 Euro kostet eine Woche parken, wenn man online bucht. Zu Fuß sind es dann nur wenige Gehminuten, bis die Reisenden zum Abflugterminal gelangen. Hier geht es sehr übersichtlich zu. Eine Reihe Ticket-Schalter, ein Gastronomie-Bereich, die Büros der Autovermieter und ein Reisebüro. Der Allgäuer Airport ist der kleinste Verkehrsflughafen in Bayern und Airport-Chef Schmid sieht gerade das als Chance: „Small is beautifull“, meint er und wirbt mit dem Nischen-Dasein: „Wir sind der stressfreie Flughafen der kleinen Wege, überschaubar und familiär.“
Freilich, vom kommenden Sommer an soll der Airport wachsen, die Landebahn von 30 auf 45 Meter verbreitet werden, sodass sie internationalen Anforderungen genügt. Ein Vorhaben, das auch schon mal für Stress mit Flughafengegnern sorgte. Im März 2013 erging der Planfeststellungsbeschluss über den Ausbau des Flughafengeländes. Neben der Verbreiterung des Rollfeldes geht es dabei auch um die Umstellung der militärischen Leuchtfeuer auf zivile Standards, um die Ausweisung von Ansiedelungsflächen für Firmen und um allgemeine Modernisierungsmaßnahmen. Die Betriebszeit soll bis 23 Uhr verlängert werden. Dagegen legten die Ausbaugegner eine Reihe von Beschwerden ein, der Bund Naturschutz (BN), zwei Gemeinden und mehrere Anwohner klagten gegen die geplanten Baumaßnahmen. Die Kritiker sehen keinen Bedarf für die Ausweitung des Flugbetriebes und führen Umweltaspekte ins Feld. „Mit dem Ausbauvorhaben soll bis 2025 eine Vervierfachung der Passagierzahlen ermöglicht werden. Dies ist aus Klima- und Lärmschutzgründen unerträglich“, fand BN-Sprecher Thomas Frey.
Doch diesen Juli wies der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Klagen zurück, eine Revision wurde nicht zugelassen. Den Kritikern des Ausbau bleibt noch eine so genannte Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, um doch noch eine Revision erwirken zu können. Flughafen-Geschäftsführer Schmid gibt sich zuversichtlich: „Wir gehen davon aus, dass dieser Beschwerde nicht stattgegeben wird.“ So soll jetzt nach den Sommerferien mit der Detailplanung begonnen werden, im Sommer 2016 soll der Ausbau anlaufen.
Damit hätte der Allgäuer Airport seine Pläne schneller realisiert wie der Münchner Flughafen die 3. Landebahn. Die ist zwar inzwischen auch richterlich genehmigt, politisch aber massiv umstritten. Vor allem die Münchner sind gegen das Bauprojekt, die Stadt als Miteigentümerin des Airports blockiert nach einem ablehnenden Bürgerentscheid von 2012. Sollte die 3. Startbahn doch kommen, sieht Geschäftsführer Schmid darin kein Problem. Es sei vielmehr grundsätzlich zu begrüßen, wenn ein „Drehkreuz gestärkt“ werde. Jeder Flughafen habe seine eigenen Stärken.
Vor dem Ausbau müssen Altlasten entsorgt werden
Doch noch gibt es vor dem Ausbau in Memmingen einige Probleme zu bewältigen. Zum Beispiel die Altlasten des ehemaligen Fliegerhorstes. So fand das Wasserwirtschaftsamt Kempten in einer Untersuchen des Grundwassers unter der Start- und Landebahn dort per- und polyflourierte Tenside (PFT). Die Stoffe wurde früher dem Löschschaum der Flughafenfeuerwehr beigefügt und gelangten bei den regelmäßigen Übungen im Laufe der Jahre ins Erdreich. PFT gelten als vermutlich krebserregende Substanzen. Das Wasserwirtschaftsamt warnte nun davor, dass das verseuchte Grundwasser langsam in Richtung der benachbarten Gemeinde Ungerhausen wandern und dort langfristig die Trinkwasserversorgung gefährden könnte. Für Geschäftsführer Schmid steht bei dieser Altlast die Bundesanstalt für Immobilien (Bima) in der Pflicht, sie ist für den Verkauf von Liegenschaften des Bundes wie ehemalige Kasernen- und Militärgelände zuständig. Schmid: „Die Bima hat sich hier für zuständig erklärt.“ Das Gelände wurde damals an sieben Vertragspartner verkauft, heute wisse man aber noch nicht, wo genau die Störfläche sich befinde.
Eine andere Baustelle ist die Finanzierung des Flughafens und des Umbaus. Der Allgäuer Airport ist ein Privatunternehmen, das zu 92 Prozent von privaten Firmen und Personen getragen wird, 1,7 Millionen des Gründungskapitals von 20,15 Millionen Euro stammt von der öffentlichen Hand. Die gibt sich nun aber bei der Bezuschussung des Umbaus großzügig, 7,75 Millionen Euro Finanzhilfe sind bereits in Brüssel genehmigt. Anvisiert aber wird ein Zuschuss von insgesamt 12,2 Millionen Euro, man stehe in der Diskussion, so Schmid. Die erste Ausbauphase des Flughafens soll rund 16 Millionen Euro kosten. Weitere Kapitalspritzen in Höhe von 8,2 Millionen Euro soll der Verkauf von Grundstücksflächen an Kommunen bringen.
Zahlen des Airports unterliegen Schwankungen
Die Umsätze, Gewinne und Passagierzahlen des Airports unterliegen Schwankungen. So spürte etwa die ukrainische Fluglinie Wizz Air die Krise in ihrer Heimat. Flog die Airline 2013 noch insgesamt sieben Mal pro Woche in die Ukraine, so reduzierte sich diese Zahl auf zwei Flüge pro Woche, die Flüge nach Donezk wurden vollständig gestrichen. Der Flughafen startete 2007 mit rund 173.600 Passagieren und erreichte 2010 mit 911.600 Reisenden eine Höhepunkt. 2014 sank diese Zahl auf 750.000, heuer wird mit 860.000 Fluggästen gerechnet. Die Schwankungen bei den Passagierzahlen führt auch zu Schwankungen beim Gewinn. Wurden 2010 1,35 Millionen Euro erwirtschaftet, zeigte sich 2011 ein leichtes Minus. 2013 lag der Gewinn bei 0,3 Millionen Euro. Flughafenkritiker wie Dieter Buchberger von der Memminger „Bürgerinitiative gegen Fluglärm“ warnen vor einer Überschuldung des Flughafens. Die lagen 2013 bei rund zwölf Millionen Euro.
Derweil sieht Geschäftsführer Schmid die Zukunft des Flughafens in Nischenbereichen. Der Regionalflughafen zähle 11,3 Millionen Einwohner in seinem Einzugsgebiet und biete kleineren Fluggesellschaften ein attraktives Ziel. So wirbt der Airport mit „Bavarian Beauties“ wie dem Schloss Neuschwanstein und Urlaubsorten wie St. Anton am Arlberg. Man verstehe sich als touristischer Flughafen, auch mit der Anbindung nach Osten. Schmid: „Für uns bleibt vom Kuchen genügend übrig.“
Zurück in der Abflughalle. Der Monitor zeigt für 17.50 Uhr den nächsten Abflug an: Alghero auf Sardinien. Die Passagiere machen sich auf den Weg zur Sicherheitskontrolle. Hektik scheint man hier am Allgäuer Airport nicht zu kennen. Und dann rollt wieder ein Urlaubsflieger zum Start auf der schwäbischen Rollbahn.
(Rudolf Stumberger)
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