Wirtschaft

Vor Kurzem wurden die neuen Firmengebäude der Holzmanufaktur Liebich in Zwiesel (Landkreis Regen) fertiggestellt – der größte Holz-Massivbau im Freistaat. (Foto: Höcherl)

13.04.2017

Gemeinsamer Wirtschaftsraum bleibt Dauerauftrag

Erster bayerisch-tschechischer Unternehmertag in Bayerisch Eisenstein

Dass „deutsche Gründlichkeit und tschechische Flexibilität sich hervorragend ergänzen“, so Kurt Grindl von der Sedlbauer s.r.o. in einem der Impulsvorträge, stellen Zahlen eindrucksvoll dar. Über 3000 bayerische Unternehmen und Betriebe pflegen Geschäftsbeziehungen nach Tschechien und sind dort mit rund 350 Niederlassungen vertreten. Das bayerisch-tschechische Handelsvolumen hat sich seit 2004 mehr als verdoppelt und konnte im Jahr 2016 mit mehr als 19,5 Milliarden Euro einen neuen Rekord verbuchen. Gerade Firmen aus Niederbayern und der Oberpfalz sind dabei gut vertreten.

Der Trägerverein Europaregion Donau-Moldau e. V. mit Jaroslava Pongratz als Verantwortliche und das Niederbayern-Forum e. V. mit Bertram Vogel waren gemeinsam Veranstalter dieses Unternehmertages in der Arberlandhalle von Bayerisch Eisenstein. Bereits im Vorprogramm war mit der Besichtigung des neu erbauten Firmensitzes der Holzmanufaktur Liebich in Zwiesel mit Führung durch Inhaber Thomas Koy ein besonderes Erlebnis geboten. Rund 150 Vertreter von Unternehmen, Hochschulen und Wirtschaftsorganisationen sowie aus Politik und Kommunen waren der Einladung gefolgt.

Die Veranstaltung stand unter der Schirmherrschaft von Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner und dem tschechischen Ministerium für Industrie und Handel. Unterstützt wurden die Organisatoren von der IHK Niederbayern, der Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz, der Deutsch-Tschechischen IHK, der Südböhmischen Wirtschaftskammer und der Regionalen Wirtschaftskammer Pilsen.

„Vom Woid in d‘Wejd“


Noch keine Minute hat der Kommunikationswissenschaftler Thomas Koy seinen Wechsel aus einem Großunternehmen und seiner Geburtsstadt Berlin in den Bayerischen Wald bereut. Seit er vor sieben Jahren die 1948 gegründete Holzmanufaktur Liebich aus Regen mit ihren 50 Mitarbeitern kaufte, ist er ein begeisterter „Wahl-Waldler“ geworden. Er ist ein Verfechter einer gemeinsamen, geschichtlich eng verflochtenen Region Bayerischer Wald-Böhmerwald, er, der den Rohstoff Holz zum Mittelpunkt seines Schaffens machte, hat verinnerlicht, im größten zusammenhängenden Waldgebiet und in nächster Nähe zum ältesten deutschen Nationalpark leben und arbeiten zu können.

Ausschließlich zertifiziertes Holz aus Bayern ohne chemische Zusätze verarbeiten die 57 Mitarbeiter aus immerhin acht Ländern, die Fichten stammen aus der nächsten Umgebung, Buchen, Eichen, Eschen oder Erlen aus der umgebenden Region. Mit Hilfe eines RFID-Chips können Kunden sehen, wo der Baum einmal gestanden hat, aus dem die Verpackung aus Holz für ihn gemacht wurde. Mehr als 90 Prozent der kleinen und größeren hölzernen Verpackungen sind, so Koy, Entwicklungen und Erzeugnisse, die direkt nach den Wünschen der Kunden gefertigt werden – „(Kunden)Ideen eine Form geben“, nennt er es und betont weiter: „Verpackungen aus unserem Hause sind nicht zum Wegwerfen da.“ Und diese seien nach wie vor das Hauptgeschäftsfeld, sei es für kostbare Weine und edle, hochprozentige Tropfen, Öle, Tees, Münzen und vieles mehr. Auch die Möbelindustrie hatte der Unternehmer im Visier. Fünf bis acht neue Entwicklungen im Monat hat er sich nach Fertigstellung der neuen Firmenzentrale vorgenommen. Für diese, den größten Massivholzbau in Bayern, wurden rund 1100 Kubikmeter Holz verbaut, die integrierte Halle ist die größte freitragende Halle ihrer Art im Freistaat.

Nicht mithalten, so Koy mit gelinder Häme und nachträglichem Ärger, konnte hier die Telekom – nicht nur ihre Hotline bürge für Ungemach. Über ein Jahr habe es gedauert, bis diese ihr Werk im neuen Firmengebäude vollendet hatten. Es sind nicht nur die vornehmen Zigarrenkisten für die Dominikanische Republik oder die edlen Holzkästlein für Kamelmilchschokolade aus arabischen Ländern, die das Unternehmen so erfolgreich machen: Mit seinen Kunstwerken aus Holz hat Thomas Koy eine ungewöhnliche Erfolgsgeschichte geschrieben und verkauft diese inzwischen in über 30 Ländern der Welt.

Neue Wege gehen


Olaf Heinrich (CSU), Bezirkstagspräsident von Niederbayern, hieß in seiner Begrüßung neben den Firmenvertretern, den Organisatoren und anderen Gästen den Bürgermeister von Bayerisch Eisenstein, Georg Bauer, Landrat Michael Adam (SPD), Regen und Jürgen Weber von der Regierung Niederbayern willkommen. Er appellierte eindringlich, trotz der positiven Entwicklung den gemeinsamen Wirtschaftsraum Niederbayern-Südböhmen-Oberpfalz-Region Pilsen auch künftig als „Dauerauftrag“ zu sehen: Eine Vielzahl von Kooperationen sei noch ausbaufähig, die Anstrengungen dürften nie als abgeschlossen betrachtet werden.

15 Jahre Netzwerken


Den Reigen der „Impulsreferate“ eröffnete Professor Markus Lemberger, Regionalmanager des Landkreises Cham und Professor für Regionalmanagement an der Hochschule für angewandtes Management in Erding. Er schilderte in seiner Rückschau auf 15 Jahre den Weg vom einfachen Informationsnetzwerk und Marktnetzwerk hin zu den heutigen Hochschul/Firmen-Netzwerken. „Gelegenheiten schaffen“ laute die Devise für die künftige grenzüberschreitende Arbeit. Veranstaltungen wie diese seien dazu gute Plattformen.

Diplomingenieur Stanislav Koutny stellte das Produktionswerk der Rohde&Schwarz GmbH & Co. KG im südböhmischen Vimperk vor. Der Münchner Elektrokonzern fertigt Produkte unter anderem in den Bereichen Mobilfunk, Rundfunk, Luftfahrt und Verteidigung sowie Informationstechnik. Weltweit rund 10 000 Mitarbeiter erwirtschafteten 2015 einen Umsatz von 1,92 Milliarden Euro. 2001 wurde der Standort Vimperk eröffnet und auf 700 Mitarbeiter ausgebaut. Fertigungstiefe in der Lieferkette vor Ort war das Ziel: Gemeinsame Arbeitskreise im Unternehmen sind Plattform für fachliche Fragen, das Instandhaltungs-Netzwerk, für Erfahrungsaustausch. Die breite Technologiebasis des Unternehmens wird genutzt, komplexe Produkte dadurch machbar.

Offen berichteten Diplomingenieur Maximilian Halser CEO und Kurt Griedl, Geschäftsführer der Sedlbauer s.r.o. im jetzigen tschechischen Standort Cicenice über die Schwierigkeiten in den Anfängen ihres Engagements ab 1991 im mährischen Brünn, wo die Sedlbauer STEEP gegründet worden war. Das Traditionsunternehmen mit dem Angebotsportfolio Elektromechanik und Kommunikationstechnik hatte in Brünn trotz großen Engagements der tschechischen Mitarbeiter große Probleme durch ihre ausschließlich in deutscher Sprache gedruckten Fertigungsunterlagen, ein fehlendes EDV-System brachte Schwierigkeiten bei der Materialzuordnung, die Wege von den Standorten München und ab 1961 Grafenau waren weit. 1997 kam dann in Tschechien der Umzug nach Cicenice, wo 80 Mitarbeiter Transformatoren und mehr fertigen. Das Unternehmen setzt auf permanente Begleitung durch die Gesamtgeschäftsführung, Mitarbeiterbetreuung durch gute Arbeitsbedingungen, faire Bezahlung, kostenlose Deutschkurse und gute Sozialleistungen.

Vaclava Vachalova von Gerresheimer Horsovsky Tyn, in Westböhmen zwischen Furth im Wald und Pilsen gelegen, hatte ein besonderes Projekt vorzustellen. Gerresheimer produziert Hilfsmittel für die Medizin- und Pharmabranche, Spritzgusstechnik gewährleistet mehr Sauberkeit, die absolute Priorität in diesem sensiblen Bereich hat. Fachkräftemangel durch Vollbeschäftigung und die in Tschechien nicht existente Duale Ausbildung erforderten einen anderen Weg. Kooperative Ausbildung heiße das Zauberwort. Die Muttergesellschaft investierte Mittel, gemeinsame Lehrpläne mit der Fachoberschule Domaslice wurden erarbeitet, ein neues Fach entstand: Industriemechaniker, Fachrichtung Spritzgussmaschinen. Aktuell haben die drei Klassen zusammen 27 Schüler, seit 2014/15 konnten so 15 neue Mitarbeiter gewonnen werden. Doch anfangs hatten Schüler gefehlt. Durch Führungen für die Eltern – und auch Großeltern! – wurde dem zunächst wenig angesehenen Beruf ein gutes Image verpasst. Öffentlichkeitsarbeit und ein Stipendium taten das Weitere dazu.

Riesige Datenmengen


„Pioniere an der Grenze der gesetzlichen Möglichkeiten“, so nannte die Referentin die Initiatoren und Mitarbeiter des Projektes. Das Internationale Big Data Zentrum Ostbayern-Südböhmen stellte Robert Hable vom Technologiecampus Grafenau der TH Deggendorf vor. Datenmanagement am Technologie-Centrum im böhmischen Pisek und Datenanalyse im TC Grafenau in Zusammenarbeit mit der IHK Niederbayern und den Wirtschaftskammern ermöglichen Pilotprojekte. Riesige Datenmengen werden gebündelt, die Ergebnisse veröffentlicht, um Fragen von Unternehmen begegnen zu können, die da lauten können: Warum wird ein Produkt in Filiale A mehr verkauft als in Filiale B? Wie viel wovon wird in den nächsten Wochen verkauft und muss daher vorrätig sein?

Hinter so manchem kabarettistisch anmutendem Vortrag mit viel Humor stecken oft tiefe Wahrheiten. Auch der Schlussvortrag des Tages von Markus Reimer mit dem Titel „Mitarbeiter zu Fans Ihres Unternehmens machen“ hatte diese Qualität. Der Mitarbeiter als Mensch, nicht als Nummer, nicht als Zahn in einem unaufhörlichen Räderwerk ist das Thema. In Zeiten des Fachkräftemangels in Bayern wie in Tschechien – und hier reagieren erfahrungsgemäß die Leute noch sensibler auf Druck als bei uns – sollten sich Unternehmer und unmittelbare Vorgesetzte in Firmen und auch kleinen Betrieben fragen: „Was wollen die Mitarbeiter von mir? Antwort: Hetzen von einer Aufgabe zur anderen gehört nicht dazu. Auch die Frage an die eigenen Ziele des Unternehmers müsse hierher, so Reimer.

Es gelte, die Wissbegierigkeit des Mitarbeiters zu fördern: Was passiert mit den Produkten der Firma über deren Grenzen hinaus? Weiß die Außenwelt, wie innovativ und nützlich unsere Arbeit ist? Vertrauen sei die Basis. Die Mitarbeiter wissen lassen, wozu sie etwas tun müssen. „Erläutern Sie ihrer Belegschaft die Unternehmenspolitik und deren Ziele!“ Würdigen Sie eigene Beiträge und Vorschläge der Mitarbeiter, auch wenn sie sich nicht oder noch nicht verwirklichen lassen! Wenn der Mitarbeiter, die Mitarbeiterin spürt, dass seine/ihre Arbeit und er/sie selbst als Mensch wertgeschätzt werden, sind sie auch emotional an die Firma gebunden, ja werden sogar vielleicht zu echten „Fans“ ihres eigenen Unternehmens. Und sie werden die Firma selbstbewusst in der Öffentlichkeit vertreten, dem Spruch gemäß: „Wir schneiden Dir nicht die Haare, wir retten Dein nächstes Date – Das Friseurhandwerk.“ > (Hermann Höcherl)

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