Wirtschaft

Ein ICE rast auf der Neubaustrecke Richtung Berlin. (Foto: dpa)

05.12.2017

Geteilte Orte und ein Nadelöhr

ICE-Neubautrasse geht in Betrieb

In den Landkreisen Lichtenfels und Coburg hatte man sich an die schweren Baugeräte schon gewöhnt. Die Deutsche Bahn hat hier jahrelang eine komplett neue Trasse errichten lassen. Das milliardenschwere "Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Nr. 8" (VDE8) soll München und Berlin per Hochgeschwindigkeitszug verbinden - die Fahrt soll weniger als vier Stunden dauern. Die Neubaustrecke zwischen Ebensfeld (Landkreis Lichtenfels) und Erfurt (Thüringen) ist nun fertig, zum Fahrplanwechsel am Sonntag (10. Dezember) rollen hier dann die ICEs. Doch das Mammutprojekt hat tiefe Spuren hinterlassen. Und anderswo auf der Strecke ist noch nicht einmal begonnen worden mit den Bauarbeiten.

Beispiel Altendorf im Landkreis Bamberg: Es sieht ein wenig so aus wie in der Modelleisenbahn-Idylle. Die S-Bahn Richtung Bamberg rollt vorbei an Häusern, an der Kirche, am Rathaus. Eine Bahnschranke stoppt den Autoverkehr. Altendorf liegt nun an der Hochgeschwindigkeitstrasse München-Berlin. Prognosen der Bahn zufolge sollen in einigen Jahren 90.000 Züge pro Jahr hier verkehren.

Ein Ort wird Großbaustelle


Wenn aus zwei Gleisen vier werden, verwandelt sich der Ort von voraussichtlich 2021 an für Jahre in eine Großbaustelle. Altendorf dürfte danach nicht mehr wiederzuerkennen sein, Schallschutzwände werden die Kommune teilen. Und: "Vier Wohnhäuser, die Lagerhalle eines Dachdeckerbetriebs und ein Drittel der Produktionsstätte eines lebensmittelverarbeitenden Betriebs müssen abgerissen werden", sagt Bürgermeister Karl-Heinz Wagner (CSU). "Dramatisch" sei das für die Betroffenen.

Bei der Deutschen Bahn heißt es, dass beim Ausbau von zwei auf vier Gleise natürlich zusätzliche Flächen benötigt werden. Aber weit weniger als beim Ausbau von Straßen. Ein Sprecher teilt mit: "Planungsziel ist es jedoch, den Eingriff möglichst gering zu halten." Daher werde es nur in wenigen Ausnahmen "in den Gemeindebereichen unvermeidbare Eingriffe in Privat- und Gewerbegrundstücke" geben.

Ein Nadelöhr


Ein paar Kilometer weiter nördlich befindet sich noch auf Jahre hinaus das Nadelöhr auf der milliardenschweren Trasse, nämlich in Bamberg. Ein Bahnsprecher sagt, der Ausbau in Bamberg werde das allerletzte Projekt im Rahmen von "VDE8", "der Schlussstein". Aber noch weiß man ja nicht einmal, wie und was gebaut werden soll. Seit Jahren sind verschiedene Varianten im Gespräch. Vielleicht ein Tunnel? Oder eine Umfahrung? Auch eine Stadtratssitzung Ende November brachte keinen Durchbruch. Mitte Dezember wollen die Räte erneut über den Bahnausbau sprechen. Kommt es zum Votum für den Tunnel, wäre der erst 2033 fertig. Die Sorgen in Bamberg sind groß, dass Lärmschutzwände die Stadt so verschandeln, dass der Status als Unesco-Welterbe in Gefahr ist.

Ein Ausbau des Knotens Bamberg sei dringend notwendig, argumentiert die Bahn. Er sei derzeit ein "Engpass", viele Verkehrsströme kämen hier zusammen. Der Sprecher verweist auf technische und betriebliche Notwendigkeiten: Schließlich fahre hier auch die Nürnberger S-Bahn und es müsse ausgeschlossen werden, dass die Züge sich gegenseitig behindern. Zwei zusätzliche Gleise sollen dann für bis zu 230 km/h schnelle Züge zur Verfügung stehen. "Kapazitäts- und Fahrzeitgewinne des bisherigen Ausbaus" seien nur mit der Modernisierung in Bamberg "wirksam und nutzbar", heißt es bei der Bahn. Denn: Die Züge sollen ja künftig nicht nur schneller in Berlin oder München sein, sondern es sollen auch mehr Züge fahren.

22 Tunnel und 29 Brücken


22 Tunnel und 29 Brücken hat die Bahn auf den 107 Kilometern zwischen Ebensfeld und Erfurt gebaut. Ebensfeld ist nun durch hohe Schallschutzwände ein geteilter Ort geworden. Manchmal vergleicht Bürgermeister Bernhard Storath (CSU) seinen Marktflecken mit Berlin zu Zeiten der Mauer.
Jahrelang haben sich schwere Baumaschinen durch die Landschaft gearbeitet und tiefe Spuren hinterlassen. Genau das kritisiert der Bund Naturschutz - und das schon seit fast 30 Jahren, als die ersten Planungen öffentlich wurden. Umweltschützer sind in Sachen Bahnausbau in einer Zwickmühle: Die Bahn gilt schließlich als umweltfreundliches Verkehrsmittel. Und doch ist die Kritik auch viele Jahre nach dem Start der Planungen von "VDE8" noch heftig: Von einem "flächenfressenden, die Landschaft zerstörenden Prestige-Projekt", spricht Hubert Weiger, Chef des Bund Naturschutz in Bayern. Bürgerinitiativen und Naturschützer hätten immer wieder schonendere Alternativvorschläge gemacht - vergeblich.
(Katrin Zeilmann, dpa)

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