Wirtschaft

Spaß mit Blutdruck, Blutzucker und anderen gesundheitsrelevanten Patientendaten: Bastian Bleisinger, Geschäftsführer der Advanova GmbH, erklärt Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner die Vorteile des VMobil genannten neuen Spezial-Tablets. (Foto: Schweinfurth)

04.12.2015

Gründungskultur bei der Medizintechnik beflügeln

Wirtschaftsgespräche in der Region: Wirtschaftsministerin Ilse Aigner zu Besuch im Medical Valley in Erlangen

Zum Glück leide ich nicht an dieser Erkrankung“, sagte Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) bei Cerbomed in Erlangen, als sie sich einen Knopf ins Ohr – ähnlich einem Hörgerät – einsetzen lässt. Das im Medical Valley Center ansässige Start-Up hat ein Gerät entwickelt, das Migräne „ausschalten“ kann. „Außerdem wirkt es stimmungsaufhellend“, erklärte Cerbomed-Chef Andreas Hartlep. Er wies darauf hin, dass dieses Gerät bei rund der Hälfte aller Probanden, die es ausprobiert haben, die Migräne erfolgreich eliminieren kann. Darüber hinaus forsche man bei Cerbomed an einer Anwendung gegen Epilepsie. Es handle sich hierbei um eine ähnliche Region im Gehirn wie bei der Migräne. Somit könnte das Gerät auch für diese Patienten interessant sein. Auf den Vorschlag der Staatszeitung, dass sich die Ministerin das Gerät künftig bei Kabinettssitzungen ins Ohr klipsen sollte, meinte Aigner: „Dann sollten es alle Kabinettsmitglieder bekommen. Das hebt die Stimmung.“

Technik stößt auf weltweites Interesse

Doch diese Innovation war nicht die einzige, die sich die Wirtschaftsministerin ansah. Bei der Erlanger Chirurgie und Endoskopie GmbH führte Firmenchef Marin Neumann eine automatisierte Darmspiegelung vor. „Das Problem bei diesen Untersuchungen ist, dass es sehr auf das Geschick und des jeweiligen Arztes ankommt, wie schonend die Untersuchung für den Patienten erfolgt“, erklärte Neumann. Mit seiner neuen Technik ist dies auf jeden Fall gewährleistet. Das sei eine Anwendung, die weltweit auf Interesse stoße. „Außerdem wird mit diesem automatisierten Verfahren auch weniger übersehen“, so Neumann. Denn der Arzt müsse sich nicht mehr so sehr auf die Windungen im Darm konzentrieren, um den Untersuchungsschlauch mit der Kamera an der Spitze vorwärtszutreiben. Das würde ihm die Technik abnehmen und er könne sich auf das Kamerabild konzentrieren, um eventuelle Erkrankungen zu entdecken.

Eine dritte Innovation machte der Wirtschaftsministerin sichtlich Spaß. Es war ein einfaches Tablet, das sämtliche Patientendaten gespeichert hat. „Damit wird das herumtragen der oft sehr umfangreichen und schweren Patientenakten im Krankenhaus überflüssig“, erklärte Bastian Bleisinger, Geschäftsführer der Advanova GmbH, die Vorteile des VMobil genannten Spezial-Tablets. Der große Vorteil von VMobil sei nicht nur, dass der Patient, wenn er in der Klinik von Untersuchung zu Untersuchung im Krankenbett geschoben wird, die schweren Patientenakten auf dem Bauch hat. Sondern die Akten sind, weil sie elektronisch sind, stets überall verfügbar. Somit kann auch nie etwas vergessen werden. „Da kann ich ja den Blutdruck einstellen“, freute sich Aigner beim Ausprobieren von VMobil.

Erlangen ist Spitzencluster


Die Ministerin kam im Rahmen ihrer Veranstaltungsreihe „Wirtschaftsgespräche in der Region. Bayerns Zukunft gestalten“ ins Medical Valley Center. „Erlangen ist Spitzencluster und mit der Universität, den Kliniken und den vielen kleinen und mittleren Betrieben sowie den vielen Start-Ups die Bundeshauptstadt der Medizintechnik“, so Aigner. 180 Mitgliedsunternehmen im Medical Valley EMN e. V. würden für 16.000 Arbeitsplätze sorgen. Das sei ein gewaltiger Impuls für die Wirtschaft in Mittelfranken. Die Ministerin freute sich, dass sowohl die lokalen als auch die Anstrengungen der Staatsregierung dafür gesorgt haben, dass im Großraum Nürnberg-Fürth-Erlangen die Arbeitslosigkeit in den letzten Jahren unter fünf Prozent gefallen ist und die Wirtschaftskraft gleichzeitig um 27,3 Prozent zulegen konnte.

Damit die vielen Start-Ups auch gute Entwicklungsperspektiven erhalten, forderte Erlangens Oberbürgermeister Florian Janik (SPD), die Finanzierungsgrundlagen für diese Unternehmen zu verbessern, sprich mehr Wagniskapital zu aktivieren. Wirtschaftsministerin Aigner verwies darauf, dass Bayern und Berlin auf Bundesebene hier sehr aktiv seien, doch die anderen Bundesländer erst noch überzeugt werden müssten. „Außerdem brauchen wir hier in Deutschland eine Kultur des Scheiterns. Denn jeder, der mit einer neuen Geschäftsidee etwas wagt, sollte auch eine zweite Chance erhalten, wenn einmal etwas schiefgeht“, so die Ministerin.

Mit der Kultur des Scheiterns habe man in Mittelfranken angesichts der schwachen Performance des Fußballzweitligisten 1. FCN viel Erfahrung, scherzte Dirk von Vopelius, Präsident der IHK Nürnberg für Mittelfranken. Er unterstrich, dass man sich auf die psychologischen Faktoren konzentrieren sollte, die dem Gedeihen eines gesunden Unternehmertums im Weg stehen. „Die Technologiefeindlichkeit und das Misstrauen der Bevölkerung gegenüber Großprojekten sind ein riesiges Problem“, so von Vopelius. Hier sehe er die Politik in der Pflicht, diese Grundstimmung im Land zu ändern. Denn ansonsten würden Bayern und ganz Deutschland massiv an Wettbewerbsfähigkeit einbüßen.

Kein Potenzial ungenutzt lassen

Professor Erich Reinhard, Geschäftsführender Vorstand des Medical Valley EMN e. V., verdeutlichte, wie viel Innovation allein in Erlangen steckt: „Das Potenzial an Firmen, die sich aus der Universität ausgründen könnten, ist viel größer, als was tatsächlich geschieht.“ Er will im Rahmen der Digitalisierungsstrategie des Freistaats als Verantwortlicher für den Bereich „Digitale Gesundheit und Medizintechnik“ dafür sorgen, dass ein Fahrplan entwickelt wird, wie Wirtschaft, Wissenschaft und Gesundheit im Freistaat auf einer Plattform noch besser vernetzt werden können, um auf diese Weise Trendsetter bei der Medizintechnik zu werden. „Aus Bayern heraus für Europa und die Welt“, so Reinhard. Hierzu würden sich alle Akteure in Bayern und im speziell im Medical Valley wünschen, dass die aufgesetzten Programme auch mittelfristig fortgesetzt werden können, sprich weiterhin staatliche Förderung erhalten. Reinhard verwies darauf, dass bei den Wissenschaftlern ein großer Hebel für Innovation liege. „Die haben gute Ideen, aber keine Lust, sich um die Vermarktung zu kümmern.“ Das müssten andere übernehmen, damit kein Potenzial ungenutzt bleibt.
(Ralph Schweinfurth)

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche

Soll die tägliche Höchstarbeitszeit flexibilisiert werden?

Unser Pro und Contra jede Woche neu
Diskutieren Sie mit!

Die Frage der Woche – Archiv
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2024

Nächster Erscheinungstermin:
28. November 2025

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 29.11.2024 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.