Wirtschaft

Ohne entsprechende staatliche Förderungen können sich vor allem junge Familien die teuren Vorgaben beim Hausbau nicht leisten. (Foto: dpa/Julian Stratenschulte)

28.01.2022

Habeck schockt Baubranche und Familien

Der grüne Bundeswirtschaftsminister verhängt totalen Förderstopp für energieeffiziente Gebäude, sagt die Unwahrheit bei der EEG-Entlastung und negiert die Aussagekraft des BIP

Robert Habeck (Grüne) zeigt sein wahres Gesicht. Der sich gern empathisch und sensibel gebende neue Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz – die Reihenfolge der Aufzählungen spiegelt für ihn nicht die Wichtigkeit der Aufgaben wider – streicht knallhart sämtliche staatliche Förderprogramme für Energieeffizienz bei Neubauten. Angeblich gäbe es eine „Antragsflut und drohende Mehrkosten in Milliardenhöhe“. In nur drei Monaten seien Anträge in Höhe von 20 Milliarden Euro eingegangen.

Zur Rechtfertigung schickt Habeck seinen Staatssekretär Patrick Graichen vor. Man bedaure diesen Schritt, aber die Vorgängerregierung habe leider „eine veraltete Förderung fortgeschrieben, die falsche Anreize setzt“. Interessant: Denn als Staatssekretär für Wohnungswesen und Städtebau – der Bereich gehörte damals noch zum Bundesumweltministerium – zuständig war bis 2021 der aus Bayern stammende Florian Pronold (SPD).

Böses Eigenheim – gutes Mehrfamilienhaus

Konkret betroffen für Anträge bei der staatlichen Förderbank KfW in der Bundesförderung für effiziente Gebäude sind das sogenannte Effizienzhaus 55 im Neubau, das Effizienzhaus (EH) 40 im Neubau sowie die energetische Sanierung. Noch nicht entschieden hat sich das Habeck-Ministerium, was mit den eingegangenen, aber noch nicht bewilligten Anträgen auf Neubauförderung geschieht. Geprüft werde, ob die Förderbank ein Angebot zinsverbilligter Kredite zur Verfügung stellen könne. Bei der bisherigen Förderung gab es einen Tilgungs- oder Investitionszuschuss.

Nun ist es nicht so, dass Habeck grundsätzlich kein Geld mehr für energiesparende Gebäude ausgeben möchte – zuwider ist ihm nur, dass dies aus seiner Sicht zu stark im Eigenheimbereich passiert. Eigenheime aber werden vorzugsweise auf dem Land gebaut – nicht eben die politische Hochburg der Grünen. Deren Wählerschaft ist eher in den großen Städten daheim, wo man weitgehend in Mehrfamilienhäusern wohnt. Und, oh Wunder – für diese beziehungsweise die Sanierung derselben darf gerne weiterhin viel Geld ausgegeben werden. Fördermittel sollten künftig dort gezielt eingesetzt werden, wo die CO2-Einsparung am höchsten sei, lässt Habeck seinen Staatssekretär verkünden. Dies sei im Gebäudebereich vor allem bei Sanierungsmaßnahmen der Fall – also mehrheitlich in den Innenstädten

Und so überraschend kommt die Initiative des neuen Ressortchefs ja auch nicht – entsprechende Hinweise gab es bereits vergangenes Jahr im Bundestagswahlkampf. Da sagte der damalige Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter, eigentlich sollten gar keine Einfamilienhäuser mehr gebaut werden. Diese verbrauchten zu viel Fläche, zu viel Baustoffe und zu viel Energie, zudem führten sie zu Zersiedelung, polterte Hofreiter – der damals nach massiver Kritik zurückruderte und meinte, das habe er alles nicht so gemeint und er sei missverstanden worden. Grüne Baupolitik, ätzte der CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Bareiß, „richtet sich vor allem an die gut verdienenden Großstädter, die sich in ihrem Kiez mit dem Rad bewegen können und sich ansonsten an der bequemen täglichen DHL-Lieferung erfreuen“.

Desaster für Klimaschutz unb Bauherren

Wirtschaftsverbände und Verbraucherzentralen laufen Sturm gegen Habecks Entscheidung und fordern einen baldigen Neustart von Programmen. Die Union wiederum warf dem Minister vor, „den Traum vom Eigenheim für viele Familien zu zerstören“.

Auch Bayerns Bauministerin Kerstin Schreyer (CSU) kritisiert das Vorgehen des Grünen scharf: „Der plötzliche Stopp der KfW-Förderung ist ein Desaster für Klimaschutz und Bauherren. Die Bundesregierung muss sofort verlässliche Grundlagen für Förderungen schaffen. Wir brauchen mehr und bezahlbaren Wohnraum, kein Förderchaos!“

Laufende Förderprogramme so kurzfristig zu stoppen, sei laut Schreyer ein „schwerer Schlag und ein herber Vertrauensverlust gegenüber dem Bund“. Die Entscheidung greife nicht nur bestehende Projektplanungen an. Bauherren könnten noch nicht einmal umplanen, weil neue Förderprogramme fehlen. Es sei zu befürchten, dass die Zahl der neuen Wohnbauprojekte in diesem und nächstem Jahr spürbar zurückgehen wird – da die bisherige Förderung des Bundes eine wesentliche Grundlage der Projektfinanzierungen war.

Ingenieurekammer-Bau: „Keine Verlässlichkeit“

Die Bayerische Ingenieurekammer-Bau kritisiert das Vorgehen ebenfalls scharf. „Der Vertrauens- und Glaubhaftigkeitsverlust bei den Planenden, Bauausführenden und Bauherren ist so immens, dass man sich fragen muss, wie dieser Schaden jemals wiedergutgemacht werden kann. Der unabgestimmte sofortige Stopp wirkt gegen alles Vertrauen in eine politische Verlässlichkeit“, schimpft Kammerpräsident Norbert Gebbeken.

Und weiter: „Die nun fehlende Planbarkeit wird als Folge den Wohnungsmarkt weiter belasten. Ganz zu schweigen von der Unsicherheit der Bauherren, die nun unseren Mitgliedern entgegengebracht wird. Es hätte keinen schlechteren Zeitpunkt geben können, die Förderprogramme ohne vorherige Ankündigung zu stoppen. Zudem fehlt es massiv an Informationen, wie man gedenkt, weiter vorzugehen – dabei war die Entwicklung doch abzusehen“, beklagt Gebbeken.

Während er auf der einen Seite gnadenlos zusammenstreicht, wirbt Bundesminister Habeck damit, dass das Ende der EEG-Umlage ja gerade für viele Menschen mit Eigenheim eine deutliche Entlastung bringe. Doch die von ihm propagierten 300 Euro jährlich für eine Durchschnittsfamilie halten dem Realitätscheck nichts stand. Die Stromvergleichsanbieter Check24 und Verivox haben nachgerechnet – und kommen im günstigsten Fall auf Entlastungen von 222 beziehungsweise 149 Euro. Und da derzeit die Beschaffungskosten der Stromversorger massiv steigen, dürfte am Ende für Normalverbrauchende überhaupt keine finanzielle Entlastung rausspringen. Von seinem im Wahlkampf lautstark angekündigten „Klimageld“ – eine Kopfprämie für jeden Deutschen, finanziert aus den Einnahmen der CO2-Bepreisung – mag Habeck inzwischen auch nicht mehr reden.

BIP hat bei Wirtschaftskraft als Richtgröße ausgedient

Bei den ganzen nicht eben mittelstands- und verbraucherfreundlichen Maßnahmen des grünen Bundesministers wird auch ein Organisationsfehler der neuen Ampel-Regierung sichtbar: Habeck begreift sich – anders als nahezu alle seiner Vorgänger*innen seit Ludwig Erhard (CDU) – in erster Linie als Minister für Umweltschutz, nicht als solcher für Industrie, Handel und Gewerbe. Doch eine tatsächliche Bundesumweltministerin gibt es ja obendrein: seine Parteifreundin Steffi Lemke. Die viertgrößte Wirtschaftsnation der Welt braucht aber nicht gleich zwei Öko-Ressortchefs, die miteinander um die drakonischsten Maßnahmen konkurrieren – sondern mindestens einen entschiedenen Anwalt der sozialen Marktwirtschaft als Fundament des deutschen Wohlstands und Sozialstaats.

Dass Habeck im Lauf der vergangenen Woche bei der Präsentation des Jahreswirtschaftsberichts nonchalant meinte, allein das Bruttoinlandprodukt – weltweit bei Politiker*innen und Ökonom*innen die alles entscheidende Größe bei der Berechnung der Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft – habe ausgedient, passt in dieses Bild. Stattdessen will der Grüne den Deutschen nun einen vermeintlichen „neuen Wohlstand“ verkaufen, der sich weniger in ihrem Geldbeutel bemerkbar macht – dafür aber an Aspekten wie verstärkter gesellschaftlicher Teilhabe bisher scheinbar benachteiligter gesellschaftlicher Minderheiten und ähnlichem.

Oder um noch einmal Habecks großen Vorgänger Ludwig Erhard – im Gegensatz zu diesem promovierter Ökonom, kein Philosoph und Kinderbuchautor – zu zitieren: „Eine erfolgreiche Wirtschaft ist nicht alles – aber ohne eine erfolgreiche Wirtschaft ist alles nichts!“
(André Paul)

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