Wirtschaft

Anstatt auf der grünen Wiese am Ortsrand, gibt es in Niederwinkling mitten im Ort einen großen Supermarkt. (Foto: Schweinfurth)

07.06.2018

Hier will man alt werden

Die niederbayerische Gemeinde Niederwinkling schafft es, sowohl Unternehmen als auch Bürgern ein lebenswertes Umfeld zu bieten

Die Bevölkerung wird immer älter und damit immobiler. Doch die meisten Gemeinden platzieren nach wie vor neue Supermärkte, Discounter, Bekleidungsgeschäfte und Getränkemärkte am Ortsrand auf der grünen Wiese. Wie die Senioren dort ohne Auto hinkommen sollen, ist den Verantwortlichen offensichtlich egal.

Es gibt aber Ausnahmen. So zum Beispiel die niederbayerische Gemeinde Niederwinkling (Landkreis Straubing-Bogen). Dort hat Bürgermeister Ludwig Waas (Freie Wähler) mit seiner Verwaltung und diversen Akteuren aus der Wirtschaft das Gemeindezentrum revitalisiert, nachdem die dort einst ansässige Molkerei aufgegeben wurde. Jetzt gibt es in der Dorfmitte von Niederwinkling einen rund 1200 Quadratmeter Verkaufsfläche umfassenden Edeka-Markt, ein Begegnungszentrum mit Apotheke, Bibliothek, Mehrzwecksaal inlusive Bühne und Rehapraxen sowie ein Seniorenzentrum. Die Tagespflege startete vor Kurzem und die ersten Wohngruppen werden am 1. September mit Leben erfüllt werden. Außerdem kommt auf den Edeka-Markt ein Ärztezentrum. Die Räume hierfür sind schon vorhanden, nur muss das mit den Vertragsarztsitzen noch geregelt werden.

„Insgesamt haben wir in den letzten vier Jahren rund 15 Millionen Euro ins Ortszentrum investiert“, erklärt Bürgermeister Waas der Staatszeitung. Um all die Maßnahmen optimal zu planen und umzusetzen, hat die Gemeinde vor fünf Jahren eigens ein Kommunalunternehmen gegründet. Dort laufen alle Fäden zusammen und es betreibt das Gebäudemanagement. Denn aus den Vermietungs- und Verpachtungserlösen werden die Neubauten, zu denen auch ein Haus mit Sozialwohnungen gehört, teilweise refinanziert.

Außergewöhnliche Dichte an Unternehmen


„Wir haben uns, bevor wir unsere Vision einer lebenswerten und wirtschaftsfreundlichen Kommune umgesetzt haben, umfangreich beraten lassen“, sagt Waas. So standen mehrere Gespräche mit der IHK Niederbayern, dem Bayerischen Gemeindetag und der Regierung von Niederbayern auf dem Programm. Schließlich finanzierte die Gemeinde ihr innerörtliches Revitalisierungsprojekt komplett aus eignene Mitteln. „Denn für die Dorferneuerung war unsere Steuerkraft zu hoch“, so der Bürgermeister. Für Teile des Dorf- und Begegnungszentrums konnten allerdings EU-Fördermittel im Rahmen von LEADER erlangt werden.

In der Tat verfügt Niederwinkling über eine außergewöhnliche Dichte an Unternehmen, die für ein großes Steueraufkommen sorgen. Auf die rund 2800 Einwohner kommen laut Waas etwa 2500 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze. Die meisten dieser Jobs bietet die Wallstabe und Schneider GmbH & Co. KG. Der Dichtungstechnikspezialist beschäftigt rund 700 Mitarbeiter, erwirtschaftet pro Jahr etwa 155 Millionen Euro Umsatz und liefert unter anderem Gummidichtungen für die Automobil- und Nutzfahrzeugindustrie in die ganze Welt.

Doch das ist nicht alles. Niederwinkling liegt nur etwa 2,5 Kilometer von der Autobahn Nürnberg-Regensburg-Passau entfernt und verfügt über einen direkten Anschluss an diese wichtige Verkehrsader. Deshalb gibt es in unmittelbarer Nähe des Autobahnanschlusses auch ein Industriegebiet mit Autohof. Dort ist zum Beispiel die Franken Maxit Mauermörtel GmbH & Co. aus dem oberfränkischen Azendorf (Landkreis Kulmbach) mit einer großen Niederlassung vertreten. Maxit liefert Beton, Putze, Trockenmörtel und Estriche.

Ungewöhnlich wie das ganze Niederwinkling ist auch das Industriegebiet. Denn es verfügt über ein Parkhaus. Dieses hat die SHS Dichtungen GmbH errichten lassen, damit alle Mitarbeiter ihr Auto unterstellen können. SHS produziert für seine teils weltweit agierenden Kunden über eine halbe Milliarde Dichtungen im Jahr.

Die rund 80 Mitarbeiter stellen somit Dichtungen her für die Automobilbranche, die Sanitär-, Hydraulik- und Pneumatikindustrie, die Armaturenfertigung, den Maschinen- und Baufahrzeugbau, für Pumpen, für die Medizintechnik und für die Telekommunikation. Über 800 Unternehmen bilden den Kundenstamm von SHS Dichtungen.

Partnerschaftliche Atmosphäre


Ebenfalls in einem boomenden und innovativen Markt ist die Gabo Systemtechnik GmbH aktiv. Das Unternehmen stellt im Niederwinklinger Industriegebiet Mikrorohrsysteme für die Nachrichten- und Energietechnik her. Die Deutsche Telekom ist zum Beispiel ein Großkunde von Gabo, weil sie die Rohre aus Niederwinkling für ihre Glasfaserkabel braucht.

Auch die TE Connectivity Industrial GmbH bietet High-Tech aus Niederwinkling. Sie produziert Steckverbinder für industrielle Anwendungen. Besonderer Clou hierbei sind Hybridstecker, die mehrere verschiedene Ströme miteinander koppeln können. Das Unternehmen war einst eigenständig, wurde dann aber vom TE Konzern aufgekauft. Doch am Standort Niederwinkling rüttelt niemand.

Damit sich all diese Unternehmen in Niederwinkling wohlfühlen, hält sich die Gemeinde exakt an ihre Bauleitplanung. Das geräuschintensive Gewerbe mit Lkw-Lieferverkehr ist bewusst ins Industriegebiet neben der Autobahn platziert worden. Danach folgen Handwerksbetriebe und dann erst kommt der eigentliche Ort mit seiner Wohnbebauung. „Und obendrein haben wir noch genug Flächen, damit die Unternehmen im Bedarfsfall erweitern können“, betont Bürgermeister Waas.

Aber die Gemeinde sorgt auch mit weichen Faktoren für ein attraktives Umfeld. So hat sich Waas darum bemüht, dass ein familiengeführter Gastronomiebetrieb neben seinem etablierten Sternerestaurant um ein Hotel erweitert werden konnte. Somit können Partner, Kunden und Mitarbeiter von anderen Standorten der in Niederwinkling ansässigen Firmen auch im Ort übernachten. „Für Schulungen oder andere Unternehmensmeetings stellen wir unsere perfekt mulitmedial ausgestatteten Konferenzräume im Bürgerhaus oder im Begegnungszentrum für die Firmen zur Verfügung“, erläutert der Bürgermeister. Das sorgt für eine partnerschaftliche Atmosphäre und ein gegenseitiges Geben und Nehmen.

Ein idealer Ort also, an dem Menschen und Unternehmen das finden, was sie brauchen. Herausragend hierbei ist, dass die Älteren nicht in irgendein Heim abgeschoben werden, sondern mitten im Ort nach wie vor am Leben teilhaben können. Stellt sich nur die abschließende Frage, warum das andernorts nicht funktioniert.
(Ralph Schweinfurth)

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