Handwerker haben immer alle Hände voll zu tun. Da ist kaum Zeit für den lästigen Bürokram. Aber ohne Rechnungen zu schreiben und diese zu verschicken, kommt kein Geld in die Kasse. Hier hilft die Datev als Digitalisierungspartner des Mittelstands.
BSZ: Herr Professor Mayr, wie erleben Sie die Nöte der Handwerker?
Robert Mayr: Als chronisch überlastet. Was dazu führt, dass man, und da spreche ich jetzt als Privatperson, vom Handwerker kurz vor Weihnachten statt einer Flasche Wein eine Rechnung vom Sommer zugesandt bekommt. Und dann kommt noch der Anruf, dass man doch die Rechnung bitte so schnell wie möglich begleichen soll.
BSZ: Da kommt Freude auf.
Mayr: Ja, vor allem vor Weihnachten. Aber jetzt mal im Ernst. Wir von Datev bieten den Handwerkern mit unserem Produkt „Unternehmen online“ eine Komplettplattform, mit der man im Zusammenspiel mit der Steuerberaterin oder dem Steuerberater den größten Teil aller kaufmännischen Prozesse erledigen kann. Womit man zum Beispiel mit dem Modul „Auftragswesen next“ auch unterjährig die Rechnungen rechtzeitig erstellen kann. Der Steuerberater übernimmt als Outsourcing-Partner sozusagen das kaufmännische Backoffice. Wenn Handwerker bereit sind, ihre Prozesse zu digitalisieren, können sie sich auf ihre eigentlichen handwerklichen Tätigkeiten konzentrieren.
BSZ: Sind Handwerker dazu bereit?
Mayr: Hier gibt es sicher eine unterschiedlich ausgeprägte Bereitschaft. Dabei führt Digitalisierung Informationen zusammen und hilft, Prozesse zu beschleunigen. Insbesondere in den kaufmännischen Bereichen, zum Beispiel im Baugewerbe, ist dadurch viel zu gewinnen, weil dort die Lohnabrechnung auch rechtlich besonders anspruchsvoll ist. Das Ergebnis sind immer effizientere Prozesse – sowohl im Büro als auch auf der Baustelle.
BSZ: Wie viele Kunden betreuen die rund 40.000 Datev-Mitglieder?
Mayr: Insgesamt betreuen diese rund 2,8 Millionen vorwiegend kleinere und mittlere Unternehmen in Deutschland. Zusammen mit unseren Mitgliedern hatten wir Mitte des Jahres zu 585 000 Kunden eine direkte Vertragsbeziehung. Das waren allein 45.000 mehr als zu Jahresbeginn.
BSZ: Wie viele Unternehmen nutzen schon „Unternehmen online“?
Mayr: Das sind fast alle der genannten Kunden. Und das ist gut so, denn das erleichtert den Steuerberatern die Arbeit, von der sie während der Corona-Pandemie mehr als genug hatten. Sie waren es, die den deutschen Mittelstand maßgeblich unterstützt haben, indem sie Überbrückungsgeld und Kurzarbeitergeld für die jeweiligen Unternehmen beantragt haben. So konnten sie auch dabei helfen, vor allem Insolvenzen in Hotellerie und Gastronomie zu verhindern.
BSZ: Wie bewerten Sie das derzeitige ökonomische Umfeld? Können die Unternehmen mal durchschnaufen?
Mayr: Kaum. Nach der Pandemie stieg wegen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine die Inflation erheblich an, die jetzt zwar etwas abgemildert ist, aber ihre Spuren deutlich hinterlässt. Gerade die Flaute am Bau erfüllt mich mit großer Sorge. Denn die Baukonjunktur ist ein Schlüsselfaktor, wenn man an die gesamte konjunkturelle Entwicklung denkt. Und wir wissen alle nicht, was im Nahen Osten noch passieren wird. Eskaliert die Situation dort, wird das wieder negative Folgen für die Weltwirtschaft haben.
BSZ: Was fordern Sie in dieser Gemengelage von der Politik?
Mayr: Dass sie endlich einen lösungsorientierten Bürokratieabbau betreibt, sprich nicht neue Regeln erfindet, um alte zu entsorgen. Gerade die Digitalisierung bietet enorme Effizienzpotenziale. Aber diese hebt die Politik nicht. Beim Telefon dauerte es 75 Jahre, bis 100 Millionen Menschen es nutzten. Bei ChatGPT, der künstlichen Intelligenz, die Texte generiert, war die 100-Millionen-Nutzermarke in drei Wochen erreicht. Die technologische Dynamik ist extrem hoch und die Politik sollte sie nutzen.
BSZ: Das heißt?
Mayr: Ich hätte gerne einen „Deutschland-Pakt“ für die digitale Transformation. Denn ein digitaler Prozess kann schneller durchlaufen als ein manueller. Aber bei der Umstellung muss man darauf achten, dass das nicht 1:1 geschieht. Einen analogen Prozess einfach in einen digitalen umzuwandeln, ist oft nicht zielführend. Man muss sich die Prozesse genau ansehen und sie für die Digitalisierung optimieren. So vermeidet man Doppel- und Mehrfacharbeit.
BSZ: Somit kann man auch dem Fachkräftemangel begegnen.
Mayr: Die Digitalisierung ist ein wesentlicher Hebel, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Digitalisierung bedeutet zunächst manchmal auch Mehrarbeit. Doch man wird einen vielfach höheren Benefit von ihr haben.
BSZ: Da ist es doch gut, dass ab 1. Januar 2025 im geschäftlichen Bereich die E-Rechnung verpflichtend verwendet werden muss, oder?
Mayr: Ich begrüße das. Das wird einen katalytischen Effekt haben. Aber das Potenzial der Digitalisierung ist wesentlich größer. Vieles, was manuell repetitiv gemacht wird, kann digital, also in Teilen auch automatisiert erfolgen. Dass im Rahmen des Onlinezugangsgesetzes bisher nur 145 statt der geforderten 575 Verwaltungsleistungen digitalisiert sind, ist traurig. Dass unsere föderalen Strukturen manchmal auch eher hinderlich sind als beschleunigend, ist auch allseits bekannt. Vielleicht sollten sich der Bund und die Länder an dieser Stelle mehr Zentralismus zutrauen beziehungsweise zugestehen. Dann läuft es vielleicht auch mit den Handwerksbetrieben besser und ich bekomme zu Weihnachten mal die Weinflasche statt einer Rechnung.
(Interview: Ralph Schweinfurth)
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