Wirtschaft

Damit Bayern bis 2040 klimaneutral wird, müssen noch mehr PV-Anlagen errichtet werden. (Foto: N-Ergie ag/Michael Enderlein)

17.02.2023

In Bayern soll es noch mehr PV-Anlagen geben

In einem Sechs-Punkte-Plan fordern die Landtags-Grünen die Staatsregierung zum Handeln auf

Ministerpräsident Markus Söder (CSU) lässt keine Gelegenheit aus, Bayern als das Vorzeigeland in Sachen Photovoltaik (PV) zu preisen. Betrachtet man die Sonnenstromerzeugung, so hat er auch recht. Denn im Freistaat waren nach Zahlen des Verbands der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft (VBEW) zum Jahresende 2022 rund 18,3 Gigawatt Photovoltaikleistung installiert. Das entspricht nahezu einer Verdoppelung gegenüber dem Jahr 2012 mit 9,3 Gigawatt.

Doch diese erfreuliche Entwicklung hat eine gewaltige Schattenseite, weil die Stromnetze nicht für so viele Anlagen ausgelegt sind. Netzbetreiber sprechen bereits von bayernweiten Netzengpässen. Da passt die Forderung von Energieexperte Martin Stümpfig von den Landtags-Grünen auf den ersten Blick nicht so ganz ins Bild. Denn er und seine Partei fordern in einem Sechs-Punkte-Plan von der Staatsregierung noch mehr PV-Anlagen. Geschehen soll dies in Landschafts- und Wasserschutzgebieten sowie auf Parkplätzen. Allerdings fordert Stümpfig auch den Ausbau des Verteilnetzes.

Sonnenstrom am Ort der Erzeugung speichern

„Der Ausbau der Stromverteilernetze ist nur ein Baustein der Problemlösung. Wir erzeugen mittlerweile selbst an sonnigen Februartagen um die Mittagszeit schon mehr Strom aus Photovoltaik als wir in ganz Bayern benötigen“, sagt VBEW-Hauptgeschäftsführer Detlef Fischer der Staatszeitung. Aber schon um 17 Uhr sei die PV-Stromproduktion nicht mehr vorhanden. „Also müssen wir lernen zu speichern, und das am besten am Ort der Stromproduktion“, so Fischer.

Konkret fordert Energiexperte Stümpfig die Ausweisung von Schwerpunktgebieten mit Photovoltaik- und Windgebieten, um einen Ausbau des Verteilnetzes in diesen Regionen frühzeitig einzuleiten. Eine Festlegung über einen Landesenergieplan im Landesentwicklungsprogramm wäre dringend nötig. Die Verteilnetzbetreiber könnten ihre Planungen dann deutlich beschleunigen und auch deutlich an Infrastrukturausbau einsparen, indem sie in Schwerpunktgebieten sozusagen „Stromsteckdosen“ einplanen und den Strom gebündelt weiterleiten. Gerade Photovoltaik erfordert einen hohen Ausbau der Leitungskapazitäten.

„Da hat Herr Stümpfig recht, auch der VBEW hat im Rahmen seiner Stellungnahme zur Teilfortschreibung des Landesentwicklungsprogramms eine Landesplanungsbehörde zur Umsetzung der Energiewende gefordert“, so Fischer. Diese Behörde müsse Durchgriffsrechte auf die Aktivitäten oder besser Nichtaktivitäten der Gemeinden haben. Die Erfahrungen der letzten Jahre hätten gezeigt, dass man in die kommunale Planungshoheit der Gemeinden eingreifen müsse, wenn man das klimaneutrale Bayern bis spätestens 2040 flächendeckend erreichen wolle. „Nicht jede Gemeinde in Bayern will die Aufgabe entsprechend ihrer Dimension anpacken. Manche halten ihren Ort oder ihre Landschaft zu schön dafür! Hier muss der Staat seine Gemeinden in die Spur bringen. Ich wünsche schon mal viel Spaß dabei“, meint Fischer.

PV-Anlagen in Niedermooren verhindert

Energieexperte Stümpfig fordert auch, dass PV-Anlagen nicht mehr als Siedlungsentwicklung eingeordnet werden, weil dadurch der Bau dieser Anlagen im Außenbereich erschwert werde. Deshalb wurden laut Stümpfig mehr als sinnvolle Projekte, in denen Niedermoore wiedervernässt und PV-Anlagen gebaut werden sollten, verhindert.

Ein Sprecher des bayerischen Bauministeriums kontert: „Da Freiflächen-Photovoltaikanlagen keine Siedlungsflächen im Sinne des Anbindegebots im Landesentwicklungsprogramm sind, können sie nach landesrechtlichen Regelungen im Außenbereich und dort auch in nicht angebundener Lage realisiert werden.“ Das Baugesetzbuch wiederum behandele sie als bauliche Anlagen, die in der Regel keine privilegierten Vorhaben im Sinne des § 35 BauGB sind. Ausnahme seien hier PV-Anlagen, die in einer Entfernung von bis zu 200 Metern längs von Autobahnen oder bestimmten Schienenwegen errichtet werden. Für die Realisierung aller anderen PV-Anlagen sei daher die Aufstellung von entsprechenden Bauleitplänen erforderlich. „Auf diese Weise können die Gemeinden regeln, wo und wie solche Anlagen entstehen sollen. Außerdem können so etwaige Konflikte, zum Beispiel mit Belangen des Umwelt- und Naturschutzes oder des Orts- und Landschaftsbilds im Rahmen der Planung sinnvoll bewältigt werden“, so der Ministeriumssprecher. Eine Änderung dieser bauplanungsrechtlichen Regelungen könne nur durch den zuständigen Bundesgesetzgeber, nicht durch den Freistaat erfolgen. Der Bund habe aber bereits mit § 2 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) festgelegt, dass die Bedeutung des Ausbaus der erneuerbaren Energien bei der Schutzgüterabwägung im Rahmen der Bauleitplanung von den Gemeinden berücksichtigt werden soll.

Zur Forderung von mehr PV-Anlagen in Wasserschutzgebieten betont VBEW-Hauptgeschäftsführer Fischer: „In der Vergangenheit haben unsere Wasserversorger leider nicht die besten Erfahrungen mit der Errichtung von PV-Freiflächenanlagen in Wasserschutzgebieten gemacht. Zum Beispiel wurde mit der Humusschicht bei den Bauarbeiten nicht immer besonders pfleglich umgegangen. Wenn wir das in Zukunft besser machen, sehe ich Potenzial für PV-Freiflächenanlagen in diesen sensiblen Gebieten.“ Das bayerische Umweltministerium ist da rigoroser. Ein Sprecher erklärt: „Eine generelle Zulassung von PV-Anlagen in Wasserschutzgebieten kann fachlich nicht befürwortet werden. Vielmehr ist es erforderlich, dass die einzelfallbezogene Entscheidung auch weiterhin unter Berücksichtigung der örtlichen Begebenheiten getroffen wird. Nur so kann das Grundwasservorkommen bestmöglich geschützt werden.“

Im Winter scheint die Sonne in den Alpen öfter

Bei PV-Anlagen in Landschaftsschutzgebieten sieht es anders aus. So fordern die Grünen, das derzeitige Verbot aufzuheben. Denn viele Kommunen hätten 70 bis 80 Prozent ihrer Fläche in derartigen Gebieten. VBEW-Hauptgeschäftsführer Fischer stimmt dieser Forderung zu. „Es ist auch überhaupt nicht nachzuvollziehen, warum die Alpenplanregionen von der Errichtung von PV-Freiflächenanlagen quasi ausgeschlossen sind. Dort scheint auch im Winter öfter die Sonne und es gibt weniger Nebel als im trüben Oberfranken, einer Hot-Spot-Region der Energiewende. Man muss sich wirklich Sorgen machen um das südliche Oberbayern. Wie wollen die in Zukunft ihren Energiebedarf decken? Die Franken haben da sicherlich keine Lust dazu, diese Aufgabe auch noch zu übernehmen! Dann pendeln halt zukünftig die Oberbayern nach Franken zum Arbeiten, hat ja jahrzehntelang umgedreht auch ganz gut funktioniert. Leer stehende Häuser gibt es im Frankenwald auch genug, muss man nur ein bisschen renovieren“, meint Fischer.

Das Umweltministerium hat bei „Öffnungsklauseln“ für Landschaftsschutzgebiete jedoch Bedenken. Stattdessen sei die Anpassung der jeweiligen Schutzgebietsverordnung auf der Grundlage eines fachlich begründeten Zonierungskonzepts empfehlenswert. „Durch ein Zonierungskonzept können geeignete Standorte für die Errichtung von Freiflächen-Photovoltaikanlagen identifiziert werden, während durch die planerische Steuerung gleichzeitig sichergestellt werden kann, dass der Schutzzweck des Landschaftsschutzgebiets insgesamt erhalten bleibt“, so der Ministeriumssprecher.
PV-Anlagen auf Parkplätzen zur Pflicht machen

PV-Anlagen auf Parkplätzen (ab 35 Stellplätzen) zur Pflicht zu machen wie in Baden-Württemberg, sieht Fischer kritisch. Er setzt auf die Vernunft jedes Parkplatzbetreibers, sonnige und wenig verschattete Parkplätze mit Ladeinfrastruktur auszurüsten. Je mehr E-Autos kommen, umso größer die Nachfrage. „Das Problem wird sich daher von selbst lösen, wenn sich erst mal alle von ihrem Drecksverbrenner verabschiedet haben“, so Fischer.

Seitens des bayerischen Bauministeriums betont man, dass bei der etwaigen Einführung einer PV-Pflicht auf privaten Parkplätzen in Bayern verschiedenste Belange gegeneinander abzuwägen sind, so zum Beispiel auch die wirtschaftliche Belastung der jeweiligen Betroffenen. „Neben einer Pflicht kämen hier zum Beispiel auch bessere Fördermöglichkeiten in Betracht. Wie eine entsprechende Regelung in Bayern künftig aussehen könnte, wird derzeit geprüft“, so der Ministeriumssprecher.
(Ralph Schweinfurth)

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