Wirtschaft

Betroffene demonstrieren gegen die geplanten Monstertrassen. (Foto: dpa)

25.05.2018

Mehr Ökostrom im Süden erwünscht

Euro-Solar Stadtwerke-Konferenz in Nürnberg fordert gleichmäßigen Ausbau der erneuerbaren Energien

Viel Lob für die Nürnberger Stadtwerke mit ihrem Regionalversorger N-ERGIE AG hat die internationale, überparteiliche Eurosolar-Vereinigung übrig. Wohl deshalb fand deren 12. Stadtwerke-Konferenz letzte Woche auch in Nürnberg statt.

„Mit ihrer Energiestudie hat die N-ERGIE einen wichtigen Beitrag zur Diskussion um die künftige Energieversorgung geleistet.“ Vor den Konferenz-Teilnehmern, Energiefachleuten aus ganz Deutschland, stellte Eurosolar-Vizepräsident Fabio Longo die Außenwirkung dieser Untersuchung heraus. Darin hatten Forscher der Uni Erlangen-Nürnberg und von Prognos beschrieben, wie es regional, zum Beispiel in Nordbayern, klappen kann mit der Wende von fossiler und nuklearer Energie hin zu Strom, Wärme und Verkehr auf Basis erneuerbarer Energieträger.

Viele Wirtschaftsliberale behaupten, dass der Markt schon alles regeln wird


Besonders die dezentrale Energie-Umwandlung und -Verteilung steht in der 2016 veröffentlichten Untersuchung im Mittelpunkt. Diese Thesen könnten auch von Eurosolar selbst stammen. Denn die Organisation wünscht sich „gleichmäßigen Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland, gerade mit mehr Wind- und Solarenergie im Süden als bislang“.

Doch ist eine 100-prozentige Stromversorgung Deutschlands mit erneuerbaren Energien derzeit überhaupt möglich? Dafür sei eine neue Energiemarktordnung notwendig; die fehle bislang, kritisierte Fabio Longo. Der Eurosolar-Vizepräsident forderte deshalb in Nürnberg „Entscheidungen von der Politik“. Denn dass „der Markt“ schon alles regeln werde, wie viele Wirtschaftsliberale behaupten, daran glauben Longo und Eurosolar nicht.

Den vom Bund via Bundesnetzagentur und Übertragungsnetzbetreiber geplanten mehrere Tausend Kilometer langen, „gigantischen Ausbau des Höchstspannungsnetzes braucht es für 100 Prozent erneuerbare Energie nicht. In Gottes Namen ein paar HGÜ- (Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungs-)Trassen. Vor allem aber braucht es den Ausbau der Verteilnetze“, dazu sektor-übergreifende Speicher. Doch dafür haben laut Longo die EE-Branche und ihre Lobbyisten wie Eurosolar noch viele dicke Bretter zu bohren: „Wir müssen es schaffen, die Beharrungskräfte der Politik zu überwinden.“

Speichersysteme werden erforscht


Fakt ist: Bei 100 Prozent erneuerbare-Energien-Strom sind die gewaltigen Wind- und Sonnen-Schwankungen der Erzeugung mit den (besser vorhersehbaren) Verbrauchs-Tagesverläufen in Einklang zu bringen. Deshalb wird allüberall im Land auch an Speichersystemen geforscht, von klein (zum Beispiel Fern-Zugriff auf Batterien in E-Mobilen) bis groß (zum Beispiel unterirdische Pumpspeicherwerke).

 Überschussstrom per „Power to Heat“ (P2H) oder „Power to Gas“ (P2G) zwischenzuspeichern: Das sind nur zwei unter schier unendlich vielen Möglichkeiten, die hierfür in Betracht kommen. Uwe Welteke-Fabricius vom „Netzwerk Flexibilisierung für KWK“, kurz Fl(ex)perten, sieht jedoch besonders auf die Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) große Chancen zukommen. Wenn es zu einem Stromüberschuss im Netz von bis zu 45 Gigawatt komme, dann muss die KWK eben einfach ruhen, konstatiert der Fl(ex)perte: „Die künftige sichere Stromversorgung braucht KWK. Aber nicht mehr in Grundlast“, sondern äußerst flexibel.

Günstige Zinsen


Laut Uwe Welteke-Fabricius bietet dafür das KWK-Gesetz heute schon den rechtlichen Rahmen: „Wo ein BHKW steht, wird jährlich ein weiteres zugebaut.“ Die günstigen Zinsen und die längere KWK-Zuschlagszahlung ließen das wirtschaftlich zu.

Den Zugang zum Spotmarkt schaffe der Betreiber mit einem kompetenten Direktvermarkter: Der sei für die Kommunikation, den Fahrplan und die Steuerung zuständig.

Flexibilisierung, also mehr Leistung und größere Speicher, sei „eine energiepolitische Notwendigkeit. Die lohnt sich schon heute und in Zukunft noch mehr.“ Das steht für Uwe Welteke-Fabricius fest. Obwohl er genauso weiß: „Damit die Flexibilität angereizt wird, müssen alle Preisbestandteile dynamisiert werden: Auch EEG-Umlage, Netzentgelt, Steuern.“

„Das Leben ist kein Wunschkonzert“: Mario Münch, Geschäftsführer einer gleichnamigen Elektrotechnik-Firma glaubt nicht an solche Entwicklungen. Denn hier habe „jeder sein Schäfchen im Trockenen. Da ist es schwer, den Wandel zu erreichen. In China dagegen ist es einfacher. Und selbst im Senegal bekommen wir Solar-Carport-Aufträge“. Aus seiner Sicht ist Deutschland kein Energiewende-Vorreiter mehr. „Wir müssen uns selbst wieder Ziele setzen“, hofft er auf eine neue Aufbruchstimmung.
Auch für Rainer Kleedörfer von der N-ERGIE „fehlt jeglicher Anreiz, Alternativen zum Netzausbau umzusetzen“. So würden regionale Verteilnetzbetreiber „Speicher niemals finanziert bekommen“. Deshalb, so Nürnbergs Wirtschaftsreferent Michael Fraas, dessen Stadt die Mehrheit an der N-ERGIE hält, „bauen wir eben mit kleinen Schritten am Mosaik der Energiewende in der Metropolregion Nürnberg“.

Bis heute nicht geklärt ist, ob Speicher Netzbetriebsmittel sind


Stefan Nykamp, bei der Innogy-Tochter Westnetz zuständig für das Innovationsmanagement, beklagte sich ebenfalls, dass „bis heute nicht geklärt ist, ob Speicher Netzbetriebsmittel sind“ und ob Verteilnetzbetreiber deren Kosten geltend machen dürfen. Aber für ihn steht bereits heute fest: „Reale Autarkie ist nicht wirtschaftlich.“ Dabei gab Nykamp zu, bis dato sei noch nicht einmal geklärt, was Autarkie wirklich bedeute. Es sei „schlimm genug, dass sich viele bei Investitionen auf die Politik verlassen“, konterte mit Margit Conrad eine Frau, die einst als Ministerin in Rheinland-Pfalz selbst für (Energie-)Politik mit verantwortlich war.

Dennoch war von Eurosolar zu hören: Man könne sehr wohl bereits jetzt etwas tun. So habe die N-ERGIE „nachahmenswerte Beispiele für andere Stadtwerke“ errichtet. Warmwasserspeicher für das Fernwärmenetz, regelbare Ortsnetztrafos für ländliche Gebiete, ein Biomasse-Heizkraftwerk sind nur einige davon. Denn auch wenn Eurosolar-Vize Fabio Longo auf der Tagung laut nach „Entscheidungen von der Politik“ rief: Ob und wann die kommen, steht in den Sternen. Nicht nur für ihn.
(Heinz Wraneschitz)

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