Fürth ist die flächenmäßig am dichtesten besiedelte Stadt in Bayern. Und trotzdem gibt es kaum Versiegelung. Vielmehr wird umgenutzt, höher gebaut und nachverdichtet und das trotz steigender Einwohner- und Arbeitskräftezahl.“ Mit diesen Worten eröffnete Fürths Oberbürgermeister Thomas Jung (SPD) den Fachkongress der Bayerischen Flächensparoffensive „Raum für Zukunft: Mehrwert durch Flächeneffizienz“, der vor Kurzem in der Kleeblattstadt stattfand.
Im vergangenen Jahr sind in Bayern erstmals seit 2021 weniger als 10 Hektar Fläche pro Tag für Siedlungen und Verkehr neu in Anspruch genommen worden. „Das ist ein großer Erfolg unserer Bayerischen Flächensparoffensive“, sagte Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW). Flächensparen sei wichtig, noch wichtiger sei jedoch, dass mit der genutzten Fläche effizient umgegangen werde. Hier müssten innovative Lösungen gefunden werden. Freiflächen-PV-Anlagen könnten mit landwirtschaftlicher Nutzung kombiniert werden. Bei Gewerbeflächen könnten durch mehrgeschossige Produktionsflächen, Multi-Level-Logistik oder Nachverdichtung des Betriebsgeländes noch viele Potenziale gehoben werden. Kompakte Gebäude würden weniger Energie verbrauchen als Flachbauten. Windräder seien am flächeneffizientesten und die entstehende Restfläche könne begrünt werden. Flächen-PV-Anlagen könnten mit Wilddurchschlupf ausgestattet werden, Altgrasflächen und Hecken darin stehengelassen werden und um Nistkästen erweitert werden. Das Wasser könne auf diesen Flächen versickern. Hochaufgeständerte Agri-PV könne mehrfach genutzt werden, durch Traktor, Kuh und Schrebergärten.
Zielkonflikt entschärfen
„Die Regierung hat in den letzten Jahren Instrumente entwickelt, um den Zielkonflikt, die Schönheit von Bayern gegen die Sicherung der Urproduktion, zu entschärfen. Förderinitiativen ,Innen statt Außen‘ und ,Flächenentsiegelung‘ der bayerischen Staatsregierung sowie die ressortübergreifende Broschüre der Bayerischen Flächensparoffensive zeigen, wie in Zukunft gebaut werden soll“, erklärte Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU). Die obersten Prioritäten seien PV aufs Dach und entsiegelte Flächen. „Wir brauchen die Flächen zum Nahrungsanbau“, so Kaniber. Freiflächen-PV würde sich entlang der Autobahn, als Lärmschutz und Tunnel anbieten.
„Im Zuge der Klimaanpassung gibt es einiges zu beachten. Wasser braucht Platz, deshalb bleibt der Hochwasserschutz nötig. Und auch der Zubau von Frischluftschneisen ist kontraproduktiv. Bei hoch versiegelten Flächen bleibt der Artenschutz auf der Strecke“, merkte Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber (FW) an. In das Stadtgebiet müsse immer ein klassischer Hochwasserschutz eingebaut werden. Denn auch eine Schwammstadt biete keine Sicherheit gegen Überschwemmungen, wenn der Boden mit Wasser gesättigt sei. Das Gefühl der Menschen für Schönheit sei eindeutig und trotzdem werde oft anders entschieden. Das brauche keine gesetzliche Vorlage zum Eingreifen in die Städtebauordnung. „Wir brauchen nicht alle paar Kilometer einen Discounter auf der grünen Wiese, sondern vielmehr die Konzentration auf einen lebendigen Orts- und Stadtkern“, so Glauber.
Vorbildlich gehandelt
Mit dem Gütesiegel „Flächenbewusste Kommune“ würdigt die bayerische Staatsregierung Städte, Gemeinden und interkommunale Allianzen, die sich in besonderem Maße um den Schutz der wertvollen Ressource Boden verdient machen. Die neuen Preisträger zeichnen sich insbesondere dadurch aus, dass sie ein vorbildliches und innovatives Flächenmanagement betreiben, durch qualitätsvolle Sanierung und Revitalisierung im Bestand, durch die Belebung von Ortskernen sowie die Stärkung des Gemeinschaftslebens und aktive Bürgerbeteiligung.
Der Zukunftsforscher Johannes Kleske aus Berlin zeigte, wie die Art unserer Zukunftsbilder unsere heutigen Entscheidungen prägt. „Die autofreie Innenstadt ist eine negative Zukunft, weil sie sich auf das fokussiert, was wir verlieren“, verdeutlichte er. Er plädiert für Geschichten, die Emotionen wecken. Eine autofreie Innenstadt stehe für eine lebendige Innenstadt mit Raum für spielende Kinder, Sport, mehr Austausch, kleine Permakulturgärten. Alle Modelle seien falsch, aber manche seien hilfreich. Die Geschichten, die am häufigsten erzählt werden, würden sich am Ende durchsetzen. Deshalb sei es so wichtig, ein positives Zukunftsbild zu erzählen. „Am Ende vergessen die Leute die Fakten, aber das Gefühl bleibt“, so Kleske.
Gewerbeflächen produktiv nutzen
In der heutigen Zeit ist es unerlässlich, Flächen im Gewerbe produktiv zu nutzen, effizient umzugestalten und gleichzeitig den Flächenverbrauch zu reduzieren. „Bestand braucht Fläche, doch dieser Faktor taucht in Produktionssystemen nicht auf“, erklärte Markus Schneider, Leiter TZ PULS von der Hochschule Landshut. Bis zum Jahr 2018 wurden Arbeitsplätze in U-Form gebaut. Das Problem daran sei der Logistiker, der das Material hin- und herfahre. Dies erfordere einen enormen Flächenbedarf für Fahrwege. Zusätzlich könne nur der Raum von 90 bis 160 Zentimeter in der Höhe genutzt werden. Die ergonomischen Totbereiche unterhalb und oberhalb der Arbeitsplätze aber nicht.
Die am TZ PULS entwickelte patentierte O-Zelle „Smart Multi Layer-Ansatz“ zeichne sich nicht nur durch eine intelligente Automatisierung der Materialbereitstellung auf Basis eines kollaborativen Roboters aus, sondern zeige vielmehr, dass mithilfe der Robotik der Spagat zwischen Nachhaltigkeit und Effizienz gelingen kann. Dadurch ist eine Verkürzung der Wiederbeschaffungszeit von bis zu 95 Prozent möglich. Durch die O-Zelle können gegenüber herkömmlichen Produktionssystemen 40 bis 60 Prozent Fläche eingespart werden. Der Mensch stehe außen und ein Roboter in der Mitte. Der Roboter hole das Material vollautomatisiert von oben und unten. So verkürze sich der Anlieferweg zum Beispiel von 100 Meter auf 80 Zentimeter. Mit dem Einsatz einer O-Zelle könne man eine 100- bis 200-prozentige Flächenproduktivitätssteigerung erreichen. „Die erste O-Zelle ist seit September 2023 bei einem Automobilzulieferer im Einsatz. Es werden weitere mutige Pioniere gesucht“, verdeutlichte Schneider.
Großes Thema
„Flächeneffizienz ist ein großes Thema“, sagte Claudia Wust (CSU/Freie Bürger), Bürgermeisterin des Marktes Neuhof an der Zenn. Durch Nachverdichtung und Umnutzung könne eine Menge erreicht werden. Das stärkste Mittel dabei sei die Kommunikation, wie Gewerbetreffs vor Ort. Der Nutzungsmischung gehört die Zukunft. Als die Sparkasse im Ort aufgab, habe man in das Gebäude, einen alten Bauernhof, eine barrierefreie Arztpraxis und Einkaufsmöglichkeiten integriert. Oben wurden Wohnungen geschaffen und in die Scheune kam eine Krippe. Aus einer alten Trocknungsanlage sei ein Handwerkerhof entstanden.
„In Gunzenhausen sind keine Gewerbeflächen vorhanden durch die vielen Überschwemmungsgebiete. Gewerbegebietserweiterung erfolgt durch den Landkauf von Bürgern“, verdeutlichte Matthias Hörr, Wirtschaftsförderer der Stadt Gunzenhausen, das Problem. Unternehmen, die sich hier ansiedeln wollen, müssten einen Fragenkatalog ausfüllen, zu den Arbeitskräften pro Quadratmeter, der Warengruppe et cetera. So könne die Kommune die Effizienz der Fläche steuern. Doch Forderungen, wie Wohnungen auf einem Supermarkt, könnten oft nicht erfüllt werden, da die Bauunternehmer modular und damit seriell bauen. Leerstehende Industriebrachen würden weitervermittelt. Interkommunale Gewerbegebiete seien die Zukunft, allerdings sei die Umsetzung schwierig. Sage nur ein Bürgermeister „Nein“ zu einem Vorhaben, sei dieses nicht durchführbar. Dabei gehe es unter anderem auch um Steuern.
Auf der grünen Wiese
„Unsere Gebäude waren aus den Fünfzigerjahren. Wir brauchten einen Neubau für die größeren vollautomatischen Maschinen. Der Neubau entstand in einem Gewerbegebiet auf der grünen Wiese“, erklärte Michael Brunner, Geschäftsführer der Brunner Drehtechnik GmbH aus Röthenbach an der Pegnitz. Die moderne Gebäudetechnik erlaube es, die Bearbeitungsluft an den Maschinen abzusaugen und via Wärmerückgewinnung die Hallenluft in den Wintermonaten anzuwärmen. Auch im Sommer sorgt die Lüftungsanlage durch steten Luftwechsel für ein angenehmes Arbeitsklima. Das Wohnhaus befindet sich über dem Büro. „So geben wir Mehrfachnutzung eine Chance“, sagte Brunner.
(Antje Schweinfurth)
INFO: Die Preisträger 2025
Die Kreuzbergallianz besteht seit 2010 und setzt sich aus den vier unterfränkischen Gemeinden Stadt Bischofsheim, Gemeinde Sandberg, Markt Oberelsbach und Gemeinde Schönau an der Brend mit insgesamt knapp 11 000 Einwohnern zusammen. Sie steht für gelebten Dialog mit ihren Kampagnen zur Eigentümerberatung, dem Sanierungspreis und zur Bewusstseinsbildung. Ein gemeinsames datenbasiertes Flächenmanagement schafft einheitliche Entscheidungen, optimiert die Ressourcennutzung und trägt zum Schutz natürlicher Lebensräume bei. Neue Wohngebiete werden nicht ausgewiesen. Bischofsheims Bürgermeister Georg Seiffert (CSU) sagte schon vor Jahren: „Ortskerne sind gewachsene Struktur. Wenn der Kern eines Ortes stirbt, stirbt seine Seele“.
Bad Neualbenreuth (Landkreis Tirschenreuth) mit rund 1400 Einwohnern ist mit dem Gemeindeteil Sibyllenbad ein staatlich anerkanntes Heilbad, das „Kurherz Europas“. Das Bad ist wichtigster Arbeitgeber und Tourismusmagnet in der Gemeinde. 2021 wurde Bad Neualbenreuth mit dem Gütesiegel Heimatdorf ausgezeichnet. Der Markt verfolgt eine flächensparende und nachhaltige Gemeindeentwicklung mit dem Verzicht auf neue Bau- und Gewerbegebiete und stattdessen der Beteiligung am interkommunalen Gewebegebiet Wiesau. Der Markt setzt auf nachhaltige Nachverdichtung im Ortskern, sanierte Leerstände und die Schließung von Baulücken zu Gewerbe- und Wohnimmobilien. Neue Handwerksbetriebe wurden in vorhandene Gebäude angesiedelt. „Wir haben eh nach der Grenzöffnung einen Plan für Leerstandsgebäude entwickeln müssen. Das ist nicht schwierig. Es braucht nur einen gesunden Menschenverstand“, so Bad Neualbenreuths Bürgermeister Klaus Meyer (CSU). Neben dem Sibyllenbad steht der Ort für Egerländer Fachwerk und einen ambitionierten Kulturbetrieb in der ehemaligen Badehalle.
In Neusitz (Landkreis Ansbach) mit rund 2000 Einwohnern gilt seit über 20 Jahren der Grundsatzbeschluss „Innen statt Außen“ für einen lebendigen Ortskern statt weiterer Neubaugebiete. Dank des Entwicklungskonzepts gelingt der Gemeinde eine gezielte Innenentwicklung mit über 20 Umnutzungs-, Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen und einer sichtbaren Belebung des Ortskerns. So wurde eine ehemalige Gaststätte zu einem Dorfgemeinschaftshaus für Vereins- und Stammtischtreffen und Sozialwohnungen umgebaut. Ein neuer Dorfladen mit Café ist Treffpunkt, Nahversorgung und Herzstück der Gemeinschaft geworden. Leerstehende Häuser werden hier denkmalgerecht saniert und wieder genutzt, dörfliche Strukturen geschützt und weiterentwickelt. Dieses Engagement wurde schon mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. „Die letzten 20 bis 25 Jahre waren steinig. Zuerst mussten Gemeinderat und Bürger überzeugt werden. Doch dann führte ein Projekt zum nächsten. Geholfen dabei haben die guten Förderinstrumente in Bayern“, so Neusitz’ Bürgermeister Manuel Döhler (CSU/Wählergemeinschaft Neusitz).
Die Stadt Haar (Landkreis München) ist seit der Nachkriegszeit mit dem Thema Zuzug konfrontiert und setzt seit den 1990er-Jahren auf qualitative Nachverdichtung und Nachhaltigkeit in ihrer baulichen Entwicklung. Haar praktiziert strategische Innenentwicklung mit Augenmaß und leitbildorientierte Stadtentwicklung nach dem Prinzip „Innen vor Außen“. Daher hat Haar heute eine vorbildliche kompakte Siedlungsstruktur mit Orientierung auf den Hauptort. In den Haarer Leitlinien 2020 und dem Leitbild „Circular City Haar“ 2021 hat sich die Stadt klar zur Nachhaltigkeit bekannt sowie zu Innovation und Sicherung der Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger und zu einer guten Ortsentwicklung. „Beispiele für das Bewahren von Bausubstanz sind das Rathaus, die alte Schule, die Kita Casinostraße oder das alte Maria-Stadler-Haus, das saniert wurde. Vom Klinikgelände, dass seit 120 Jahren existiert, sind Teile der Wohnbebauung zugeführt worden sowie für Restaurants und Theater. Ein erstes C2C-Leuchtturmprojekt für zirkuläres Bauen wird der Neubau des Jugendfreizeitheims Dino sein, der derzeit in Planung ist. Dieses wird die benötigte Energie selbst erzeugen, Regenwasser nutzen, natürlich belichtet und belüftet sein“, so Haars Bürgermeister Andreas Bukowski (CSU).
(as)
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