Wirtschaft

EU-Chefentbürokrator und Ex-Ministerpräsident Edmund Stoiber ist bei vbw-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt immer willkommen. (Foto: ibw)

30.11.2012

Nur der Amtsschimmel lebt ewig

Bürokratieabbau ein Werk für Titanen – Doch Bayers Wirtschaft lässt nicht locker

Voller Tatendrang und heiter gestimmt, erstürmt an diesem Mittwoch der frühere Ministerpräsident Edmund Stoiber des Haus der Bayerischen Wirtschaft. Ging es doch auf dem Zukunftskongress der vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. um seine Hauptaufgabe, den Kampf gegen die wuchernde Verwaltung, die gerade in Brüssel ihr Paradies gefunden hat. Und Stoiber kann durchaus stolz sein: Fachleute bestätigen, dass er für die Bürger und für die Wirtschaft Beträge in Milliardenhöhe einsparen half. Doch auf Beifall hofft er vergebens, obwohl es hier um erhebliche Steuermittel geht: Denn der Nachschub an immer neuen Verordnungen und Richtlinien übersteigt haushoch die Einsparbemühungen.
Begrenzte Begeisterung
So wundert es auch nicht, wenn der vbw-Hauptgeschäftsführer, Bertram Brossardt, bei diesem Dauerthema unschwer eine begrenzte Begeisterung erkennen lässt. Aber allein schon, dass die vbw – wer denn sonst – diesen Kampf unverdrossen führt, entlastet die bayerischen Unternehmen um erhebliche Kosten. Vor allem kämen beispielsweise kleinere und mittlere Betriebe in den Nutzen einer Forderung der vbw: Die Voranmeldung der Umsatzsteuer ab zirka 30.000 Euro Jahreseinnahmen, dabei haben die meisten Kunden noch gar nicht bezahlt, belastet fast schon böswillig die Unternehmen. Eine Umsatzgrenze von etwa 10.000 Euro müsste doch auch reichen.
Nun muss man fairerweise auch auf die Erfolge der unermüdlichen Vorschläge gerade aus der bayerische Wirtschaft eingehen: Im Blick auf das Jahressteuergesetz 2013 sagte Brossardt: 18 Steuergesetze wurden geändert. Vor allem durch die Verkürzung der Aufbewahrungsfristen wird die Wirtschaft um 2,5 Milliarden entlastet. Doch es gäbe noch eine ganze Reihe weiterer Möglichkeiten, die Wettbewerbskraft der Betriebe zu stärken, etwa durch zeitgerechte Vorgaben: Gesetze dürfen nicht nach tagespolitischer Laune entschieden werden, eine Beschreibung der Ziele und der Kosten wäre notwendig und machbar. Die Praxisgebühr lieferte gerade wieder ein trauriges Bespiel, weil eine kleine Schar von Gesundheitsideologen ihr Lieblingsprojekt mit unhaltbaren Versprechungen durchpeitschte, wurden Milliarden verbrannt. Bei der Erfassung von Bürokratiekosten sollten ferner auch die indirekten Folgekosten berücksichtigt werden. Und noch ein Ärgernis gilt es anzuprangern, nämlich den bewährten Trick, in Berlin auf EU-Vorgaben deutsche Luxuswünsche aufzusatteln, die man im Lande selbst nie beim Wähler hätte durchsetzen können. So ist Brüssel immer Schuld.
Was abstrakt klingt für die „Leistungen“ unseres Amtsschimmels sei nur an einem Beispiel aus dem Alltag geschildert. Millionen gibt die Bundesrepublik dafür aus, junge Frauen für technische Berufe zu begeistern. Der Besitzer einer Autowerkstatt wollte diesem Aufruf folgen. Er hätte aber für 50.000 Euro eine eigene Damen-Toilette einbauen müssen. Sie gab es aber bereits im direkt angrenzenden Verkaufsraum, und wurde von den Frauen im Büro auch genutzt.
Doch die Behörden zeigten auf die Vorschriften der Bürokratie, der Automechaniker hatte auch keine 50.000 Euro für den Sonderluxus und ein Teil der gigantischen Werbegelder des Bundes verpuffte hier wirkungslos. Da hatte der Amtsschimmel wieder einen sonnigen Tag.
(Karl Jörg Wohlhüter)

Kommentare (1)

  1. schlauberger am 01.12.2012
    Herr Wohlhüter trifft mit diesem Text den Nagel auf den Kopf. Aber weder die Bürokraten in Brüssel, Berlin oder München werden daraus irgendeine Lehre ziehen. Denn ihre Bezüge sind ja via Beamtenbezüge auf Lebenszeit abgesichert. Also warum sich um die Welt da draußen kümmern. Dass allerdings im Extremfall auch diese Bezüge und die üppigen Pensionen in Gefahr geraten, wenn mangels Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland und Europa wirtschaftlich kaum mehr etwas läuft und somit auch die Steuereinnahmen drastisch fallen, ist ja egal. Hauptsache mir als Spitzenbeamter geht es heute gut und ich glänze beim Vorgesetzten mit noch mehr Vorschlägen zur Verschärfung einzelner Vorschriften. Am langen Ende wird sich diese Einstellung rächen. Aber bis dahin ist ja noch lange Zeit. Also munter weiter mit der Schwächung des Wirtschaftsstandortes durch Regeln, Verordnungen, Gesetze und Überwachung!!!
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