Wirtschaft

24.01.2020

Nur für Gutverdiener realisierbar

Ein Kommentar von André Paul

Der aktuelle Mindestlohn beträgt in Deutschland 9,35 Euro pro Stunde, der Regelsatz bei Hartz IV beträgt momentan 432 Euro im Monat. Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) erhält derzeit Amtsbezüge in Höhe von 21.460 Euro. Frau Klöckner ist der Ansicht – und sie tat das zuletzt sowohl im Bundestag wie auf der „Grünen Woche“ in Berlin kund – dass die Verbraucher in Deutschland künftig mehr Geld für Lebensmittel ausgeben sollten. Der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Anton Hofreiter, – er erhält an Diäten und Fraktionszulagen momentan rund 15.000 Euro im Monat – forderte parallel, endlich sogenannte „Billiglebensmittel“ zu verbieten. Beide reagierten damit auf die berechtigte Klage der Landwirte, dass sie immer schlechter von den Erträgen ihrer Arbeit leben könnten.

Gern wird in solchen Momenten auf das angeblich viel zu günstige Fleisch verwiesen und dass die Menschen weniger davon essen sollten. Und sie sollten es nicht im Discounter kaufen, sondern beim Metzger. Schauen wir doch mal genauer hin. Schon der vergleichsweise günstige Kochschinken kostet bei den meisten Metzgern zwischen 2,99 und 3,99 Euro je 100 Gramm. Also statt dessen eher Käse aufs Pausenbrot? Der kostet in den tollen Fachgeschäften inzwischen 3,99 bis 4,99 Euro je 100 Gramm. Eine bekannte Münchner Bäckereikette verlangt für eine einzelne Vollkornsemmel mehr als 1,00 Euro. Bei den Obst- und Gemüsehändlern in der Innenstadt kostet der einzelne Apfel 1,50 Euro, die einzelne Mandarine 90 Cent und das halbe Pfund Tomaten 2,99 Euro. Vielleicht erklären die beiden kinderlosen Gutverdiener Klöckner und Hofreiter den Alleinerziehenden in der Großstadt mal, wie sie bei diesen Preisen täglich zwei Teenager im Wachstum ernährungswissenschaftlich und ökologisch korrekt satt bekommen sollen.

Es mag sein, dass in südeuropäischen Ländern die Verbraucher für einige Lebensmittel mehr ausgeben als in Deutschland. Für Obst und Gemüse gilt das aber schon mal nicht, das hat jeder schon mal bemerkt, der in Italien oder Spanien Urlaub macht. Und man darf auch nicht vergessen, dass den Bürgern dieser Länder prozentual mehr Netto vom Brutto bleibt, Steuern und Sozialversicherungsbeiträge niedriger ausfallen. Für die Menschen in Deutschland die Lebensmittel zu verteuern wird den Bauern nicht helfen. Selbst Bürger mit mittleren Einkommen sind inzwischen existenziell auf die günstigen Discounter angewiesen. Und selbst wenn diese ihr Sortiment ändern sollten und fortan auch teure Nahrungsmittel anbieten – wer garantiert, dass dieses Geld auch bei den Landwirten ankommt? Es muss ja einen Grund geben, warum die Besitzer von Aldi und Lidl zu den reichsten Deutschen gehören.

Kommentare (3)

  1. Manfred Bauer am 26.01.2020
    Derzeit noch mag Andrè Paul Recht haben. Mehr Geld für Lebensmittel sollte aber nur in geringem Maß notwendig sein, wenn alle bisherigen Subventionen von umweltschädlicher Produktion hin zur Produktion gesunder Lebensmittel verlagert und auf Letztere die Mehrwertsteuer auf Null gesetzt würde. Das schadet keinem anderen EU-Land, ginge der EU also auch nichts an und wenn doch, dann haben unsere Politiker zu viele Kompetenzen auf die EU verschoben. Gesundheitsschädliche Lebensmittel und Konsumartikel könnten verteuert und damit gesunde Lebensmittel quersubventioniert werden. Es fehlt nicht das Geld, sondern Kreativität, Mut und Verantwortungsbewusstsein in unserer mit Konzernen und nicht mit den bäuerlichen Familienbetrieben verwobenen politischen Kaste!
    Manfred Bauer
  2. mieter am 24.01.2020
    Viele Menschen in Deutschland würden wohl auch gerne mehr für Lebensmittel ausgeben, wenn nicht fast die Hälfte ihres Einkommens für die Wohnungsmiete draufgehen würde. Aber dafür ist natürlich die Landwirtschaftsministerin nicht zuständig.
  3. kinderreich am 24.01.2020
    Vielen Dank für diesen Kommentar, der von Lebenserfahrung zeugt, die unseren Politikern leider häufig fehlt. Das Problem, dass man sich den Einkauf nur beim Discounter leisten kann, reicht tatsächlich weit in die Mittelschicht hinein. Wenn man vier oder fünf Kinder daheim hat und deshalb nur ein Partner arbeiten geht, relativiert sich auch ein sonst recht ansehnliches Einkommen und Norma wird zur Haupteinkaufsquelle.
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