Wirtschaft

07.12.2012

Ohne Euro geht es besser

Osteuropas Wirtschaft ist relativ stabil – Geringe Staatsschulden, aber auch harte Sparmaßnahmen zeigen Wirkung

Die dramatische Lage in den südeuropäischen Ländern, vor allem in Griechenland, Portugal und Spanien wirkt sich auch in den osteuropäischen Staaten aus. Allerdings in keinem Vergleich zu den Problemen in der Euro-Zone. Für einige Staaten im Bereich der ehemaligen Sowjetunion wird im kommenden Jahr sogar ein bescheidenes Wachstum erwartet. Vorsorglich wagen sich die meisten Regierungen dort an weitere Kürzungen in den Sozialetats heran, um denkbare Staatspleiten zu verhindern. So erhielt Bulgarien von den Rating-Agenturen überraschend bessere Noten – eine kleine Sensation für den Kontinent, der praktisch nur noch Herabstufungen kennt. Vor allem wird eines deutlich: Eigene Währungen bremsen das Abgleiten in die Rezession und tragen zur Stabilität der Staatshaushalte bei. Die relativ stabile Lage verdeutlicht sich besonders auf den Aktienmärkten. Die österreichische Raiffeisenbank International, die mit schätzungsweise 9000 Filialen in den ehedem kommunistischen Staaten präsent ist und damit einen direkten Einblick in das ökonomische Geschehen besitzt, geht 2013 für einige osteuropäische Länder von steigenden Kursen aus. Bei den geringen Staatsanleihen dürften sich zwar keine positiven Veränderungen in den nächsten zwölf Monate ergeben.
Aber es sind auch keine negativen Entwicklungen zu erwarten, wie in krisengeplagten Euroländern. Ein Beispiel für die relative Stabilität: Den rückläufigen Export nach Westeuropa können die östlichen Staaten mit schnellen Wechselkursänderungen ausgleichen und auf anderen Märkten die Verluste teilweise auffangen.
Man muss sich die Lage dieser Länder vor Augen führen. In der kommunistischen Zeit waren sie mit Ausnahmen wie Tschechien, Polen oder Jugoslawien praktisch bettelarm. Die zumeist kaum entwickelte Industrie, konnte auch nicht annähernd die Standarts des Weltmarkts erreichen. Aber, aufgrund der kommunistischen Wirtschaftsideologie gab es keine Staatsanleihen oder beispielsweise private Engagements in Schrottpapieren. So konnte man die erste Finanzkrise leichter überstehen.
Mit der Wende brachen ganze Wirtschaftszweige zusammen, der Warenaustausch untereinander und vor allem mit der Sowjetunion kam zum Erliegen. Und es gab keinen Nachbarn im Westen, der mit Milliardenbeträgen und allen erdenklichen Hilfen den letztlich brutalen Systemwechsel abfederte. Doch rückblickend erwies sich der Verzicht auf die vorschnelle Einführung des Euro und die Beibehaltung der eigenen Währung als absolut segensreich. Denn damit konnte der Binnenmarkt stabilisiert werden. Vereinfacht gesagt, Importe aus dem Westen waren zu teuer. Und bei den eigenen Exporten, etwa landwirtschaftlichen Produkten, passte man sich über geringere Preise den westlichen Märkten an. Das geradezu irrwitzige ökonomische Beispiel, dass bayerischer Schafskäse nach Griechenland verkauft wurde, wäre vergleichsweise nicht denkbar gewesen. Und da man auch nicht wie in den westlichen Problemländern, mit dem Euro im Rücken und einer europabegeisterten Blindheit, gigantische Staatsschulden aufhäufen konnte, stellen diese Staaten keine nennenswerte Belastung für die Europäische Gemeinschaft dar. Allein der Gedanke, auch in einigen dieser Länder hätte man unbesehen den Euro eingeführt, müsste einen an den Rand der Verzweiflung führen.
Der totale Umbruch hat diese Länder zweifellos im Kern erschüttert, der Staat hatte kaum Steuereinnahmen, aber jede Menge Verpflichtungen, Renten, Gesundheitsversorgung und Bildung. Teilweise wurden die Finanzlücken mit dem Verkauf ganzer Industrien oder mit drastischen Mehrwertsteuern ausgeglichen. Hinzu kamen tiefe Einschnitte in soziale Leistungsrechte, wie es derzeit mühsam und nur bedingt erfolgreich in Südeuropa versucht wird. Doch diese Rosskur hat sich in den meisten dieser Länder bewährt. Sie können nun viel stärker angepasst auf den internationalen Märkten agieren. Und gerade bei dieser Eingliederung helfen günstige Preise kräftig mit, die oft noch deutlich unter dem Euro-Niveau liegen.
Besonders interessant ist das Beispiel Tschechien. Dort bahnen sich immer engere Kooperationen mit Vietnam an; für die Manager in Prag ist das asiatische Wunderland von ähnlicher Bedeutung wie China für die Bundesrepublik. Die Tatsache, dass schätzungsweise 300 000 Gastarbeiter aus Vietnam in der früheren Tschechoslowakei tätig waren, zahlt sich jetzt positiv aus. Denn viele dieser Asiaten sind mittlerweile erfolgreiche Unternehmer geworden, die sich auf die ihnen vertraute tschechische Technologie verlassen. Außerdem gelingt es den tschechischen Unternehmen, oftmals zusammen mit österreichischen Partnern, in den Märkten der zentralasiatischen Länder wie Kasachstan oder Turkmenistan Fuß zu fassen. Sie treffen dort zwar auf eine beinharte türkische Expansion. Doch der technologische Vorsprung etwa der tschechischen Automobilindustrie mit Skoda (VW) stärkt die Wettbewerbschancen. Und notfalls stützt man den Export mit gesenkten Preisen, also einer flexiblen Wechselkurspolitik.
Diese zentralasiatischen Märkte, auf denen sich auch Russland nachhaltig etabliert, verfügen zum Teil über riesige Rohstoffreserven, mit denen sie fast schon wie die Golfstaaten modernste Produkte bezahlen können. Aus deutscher Sicht muss man leider bedauern, dass sich unsere Wirtschaft für diese Region nicht sonderlich interessierte. Wahrscheinlich auch aus Angst vor dem dort üblichen Geschäftsgebaren, wo – vornehm gesagt – das osmanische Besoldungsrecht gilt. Im Klartext versteht man darunter schlicht die Notwendigkeit, mit Bakschisch nicht kleinlich zu sein. So ist eben dort die Welt, die Deutschland nicht beeinflussen kann. Da wird es eben einen langen Lernprozess brauchen.
Regierungswechsel sind an der Tagesordnung
Um in all diesen Regionen wirtschaftlich erfolgreich operieren zu können, muss man sich auch an die Tatsache gewöhnen, dass Regierungswechsel an der Tagesordnung sind. Die Entwicklung entfernt sich zusehends stärker vom westlichen Demokratieverständnis, wobei den dortigen Politikern nicht entgangen ist wie wenig die Mitsprache der westeuropäischen Bürger bei den gigantischen Milliardenzahlungen zur Bewältigung der Finanzkrise zählte. Wer sich im zentralasiatischen Bereich wirtschaftlich engagieren will, und dies kann man nicht nachdrücklich genug festhalten, trifft auf andere Mentalitäten, andere Gepflogenheiten. Sie sollte man genau kennen – und vor allem braucht man keine missionarische Besserwisserei mitbringen.
Jedenfalls muss man die meisten osteuropäischen Länder bewundern wie sie den Wandel mit eigenen Kräften schafften. Natürlich bleibt er mit sozialen Spannungen belastet, die Schere zwischen dem hohen Anteil einer verarmten Bevölkerung und den wenigen Gewinnern der „Marktwirtschaft“ birgt einen ständigen politischen Zündstoff. Und sollte Europa, seine Finanzkrise in den Griff bekommen haben, darf sich der Blick stärker gen Osten wenden. Vor allem aber braucht es keine Kandidaten, wie etwa die Ukraine, oder gar Weissrussland, denen man aus rein politischer Schwärmerei den Euro und den Freibrief fürs Schulden machen schenkt.
(Karl Jörg Wohlhüter)

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