Wirtschaft

Franz Xaver Peteranderl, Präsident des Bayerischen Handwerkstags. (Foto: BHT)

30.10.2019

Peteranderl fordert von EU ausgewogene Mittelstandsstrategie

Die kurzfristigen Aussichten für das bayerische Handwerk bleiben vorerst positiv

Parallel zu den Temperaturen kühlt sich auch die Konjunktur in Deutschland ab, so Franz Xaver Peteranderl, Präsident des Bayerischen Handwerkstags (BHT). Auch das Handwerk werde sich dem nicht auf ewig entziehen können. Mahnende Zeichen würden sich mehren. Die Wohnungsbaugenehmigungen in Bayern haben laut Peteranderl zwischen Januar und August das Vorjahresniveau deutlich unterschritten, „die Handwerke für den gewerblichen Bedarf bekommen immer stärker die Schwäche des deutschen Maschinenbaus und der Autoindustrie zu spüren“. Da das Handwerk aber etwas zeitverzögert folgt, bleiben nach den Worten des BHT-Präsidenten die kurzfristigen Aussichten vorerst positiv. Vor allem die ungebrochen starke Binnennachfrage, niedrige Zinsen und eine stabile Beschäftigung, gepaart mit kräftigen Lohnsteigerungen und einer wieder sinkenden Inflationsrate würden die Verbraucher beruhigen und dem Handwerk nutzen.

Im 3. Quartal 2019 beurteilten 60 Prozent der Befragten im bayerischen Handwerk ihre Lage als gut, weitere 32 Prozent als befriedigend. Im Vorjahresvergleich ergibt dies insgesamt ein Minus von 2 Prozentpunkten. Zum ersten Mal seit fünf Jahren stagnierten die Auftragsbestände in einem 3. Quartal. Im Durchschnitt ergibt sich ein Auftragsbestand von 9,6 Wochen, der 0,1 Wochen unter dem Vergleichswert des Vorjahrs liegt. Die Auslastung blieb mit im Schnitt 83 Prozentpunkten einen Punkt unter dem Wert von 2018. ,,Der im langjährigen Vergleich äußerst hohe Wert belegt“, so Peteranderl, „die nach wie vor gute Gesamtlage des Handwerks.“

Hohe Investitionstätigkeit

Für den Berichtszeitraum erwartet der BHT für das bayerische Handwerk einen Umsatz von rund 32,2 Milliarden Euro. Im Jahresvergleich ist das ein nominales Plus von 4,5 Prozent. Ziehe man die Preissteigerung von derzeit gut 3 Prozent ab, verbleibt im Durchschnitt ein reales Umsatzplus von etwa 1,3 Prozent, erklärt der BHT-Präsident.

Ende September waren etwa 968 500 Personen im bayerischen Handwerk tätig, 0,7 Prozent oder knapp 7000 mehr als im September 2018. Besonders erfreulich habe sich im Berichtszeitraum die Investitionstätigkeit entwickelt, freute sich Peteranderl. Der Anteil der investierenden Betriebe erreichte 40 Prozent und lag um sieben Punkte deutlich über dem Vorjahreswert. Nach BHT-Schätzung wurde zwischen Juli und September im bayerischen Handwerk etwas über eine Milliarde Euro für Investitionsgüter ausgegeben. Im Vergleich zum Vorjahr entspricht dies einem Plus von knapp 8 Prozent. Die Zahl der Handwerksbetriebe in Bayern stieg um 0,3 Prozent auf rund 203 500.

89 Prozent der Befragten rechnen laut Peteranderl mit einer guten oder gleichbleibenden Entwicklung bis zum Jahresabschluss (- 4 Punkte im Vorjahresvergleich). Für das Gesamtjahr sei im bayerischen Handwerk ein Umsatzplus von nominal gut 4 Prozent zu erwarten. Die Zahl der Beschäftig–ten dürfte um 0,9 Prozent zulegen, die Investitionen um rund 6 Prozent wachsen.

Da in der Politik die Musik immer mehr in Brüssel spielt, so der BHT-Präsident, sei es daher umso wichtiger, dass das Handwerk sich zu Wort meldet und versucht, einen handwerksfreundlichen Takt vorzugeben. Das bayerische Handwerk verfolge sehr genau die Pläne der neuen EU-Kommission. Schließlich gelte es, die Verhältnismäßigkeit zu wahren und die Belange kleiner und mittlerer Unternehmen im Blick zu haben.

Der BHT fordert von der EU eine ausgewogene und sachgerechte Mittelstandsstrategie, die nicht nur große Mittelständler und Tech-Start-ups in den Fokus nimmt, sondern auch die Belange der Handwerksbetriebe berücksichtigt. Die EU-Klimapolitik sollte die deutschen klimapolitischen Entscheidungen nicht konterkarieren oder gar verschärfen. Auch dürfe die Finanz- und Sozialpolitik der EU zum Beispiel mit einem einheitlichen Einlagensicherungsfonds bei Banken oder einer einheitlichen europäischen Arbeitslosenversicherung nicht auf dem Rücken der deutschen Bankkunden und Sozialversicherungsbeitragszahler ausgetragen werden. Darüber hinaus dürfen die zahlreichen Vorhaben zum Verbraucherschutz oder zur Regelung des Arbeitsmarkts nicht zu erheblichen finanziellen und bürokratischen Mehrbelastungen für die Handwerksunternehmen führen. Das Wort der Stunde laute auch hier „Bürokratieabbau“, so der BHT-Präsident.

Wieder Meisterpflicht

Den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Wiedereinführung der Meisterpflicht in zwölf Gewerken – darunter Fliesenleger, Parkettleger, Behälter- und Apparatebauer oder Raumausstatter – lobte Peteranderl als „klares Bekenntnis für mehr Verbraucherschutz und für ein starkes Handwerk.“ Im Zuge der Novelle der Handwerksordnung war 2004 in 53 Gewerken die Meisterpflicht abgeschafft worden. Das Handwerk hatte die Pläne der damaligen Rot-Grünen Bundesregierung von Anfang an scharf kritisiert. Der BHT-Präsident: ,,In einigen der sogenannten zulassungsfreien Berufen ist seitdem die Zahl der Fachkräfte und Auszubildenden teilweise deutlich zurückgegangen. Betriebe sind schneller vom Markt verschwunden, als in Berufen mit Meisterpflicht. Dies hat sich auch negativ auf Gewährleistung und Verbraucherschutz ausgewirkt.“

Für die Auswahl der Berufe, die in die Meisterpflicht zurückkehren, wurden vor allem zwei Kriterien zugrunde gelegt. Die Gefahrengeneigtheit eines Handwerks, das heißt, wenn dessen unsachgemäße Ausübung eine Gefahr für Leben und Gesundheit bedeutet. Außerdem soll die Meistervoraussetzung für Handwerke gelten, die vom Kulturgüterschutz erfasst werden oder als immaterielles Kulturgut anzusehen sind.

Wenig Verständnis äußerte Peteranderl für die Verkehrspolitik der Landeshauptstadt. Diese dürfe nicht einem „falsch verstandenem Zeitgeist geopfert werden“. Die Handwerkskammer sei immer gesprächsbereit, wenn Autoverkehr im Stadtgebiet strategisch klug reduziert werden kann. Allerdings dürfe dies nicht ausschließlich auf dem Rücken des Handwerks passieren. (Friedrich H. Hettler)

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