Wirtschaft

Blick auf Waldmünchen: Im Vordergrund ist der Sitz des Fahrzeugbauunternehmens Tischer zu sehen. Die Firma hat sich auf den Bau von hochwertigen Abschleppwägen spezialisiert. Im Hintergrund ragt der Cerchov (Schwarzkuppe), der Hausberg Waldmünchens, empor. Er liegt bereits auf tschechischem Staatsgebiet. (Foto: Schweinfurth)

24.03.2016

Regionale Wirtschaftskreisläufe aufbauen

In Waldmünchen setzt man auf erneuerbare Energieerzeugung, Tourismus und Bildungsangebote für den Bereich Umweltschutz

Wenn ein größeres Unternehmen in einer kleinen Stadt schließen muss, ist das meist ein herber Schlag für die Region. Ende 2015 hatte das idyllisch im Böhmerwald gelegene Waldmünchen (Landkreis Cham) eine derartige Situation zu verdauen. Das Küchenwerk „rational“ wurde geschlossen, und 85 Arbeitsplätze entfielen. „Die Kompetenz im industriellen Möbelbau ist damit weg“, bringt es Waldmünchens Bürgermeister Markus Ackermann (CSU) im Gespräch mit der Staatszeitung auf den Punkt. Grund für die Werkschließung ist ihm zufolge die Konzentration des Snaidero-Konzerns, zu dem „rational“ gehört, auf seinen Heimatstandort Italien. Im Konzern seien betriebswirtschaftliche Anpassungsprozesse zu spät realisiert worden, sodass der Standort Waldmünchen nicht mehr zu halten war. „Und das obwohl hier bei uns die aufwendigsten und kompliziertesten Arbeiten ausgeführt wurden“, so Ackermann. Insgesamt gebe es in der Möbelindustrie eine Verlagerung nach Polen, das mit einer anderen Förderung und niedrigeren Arbeitskosten aufwarten könne. Dank der guten Wirtschaftsstruktur im Landkreis Cham würden wahrscheinlich eher unproblematisch alle vom Jobverlust Betroffenen wieder eine neue Stelle bekommen.

Als Region für regenerative Energie profiliert


Der Fall „rational“ ist für Bürgermeister Ackermann aber kein Grund den Kopf hängen zu lassen. Vielmehr sei noch mehr Engagement zum Aufbau regionaler Wirtschaftskreisläufe gefragt. Und hierbei ist man in Waldmünchen auf einem sehr guten Weg. Denn die rund 6700 Einwohner zählende Stadt hat sich in den letzten Jahren als regenerative Energieregion profiliert. In Kooperation mit den Nachbargemeinden in Bayern und Böhmen (Aktionsbündnis Cerchov) sind eine Reihe von Einrichtungen entstanden, die die Energieregion ein Stück weit einzigartig machen und die dazu beitragen, Wertschöpfungsketten in der Region zu generieren.
Mit der Böhmerwald Energie, einem Holzheizkraftwerk, dem die lokalen Waldbauern und die Bayerischen Staatsforsten aus einem 30-Kilometer-Umkreis zuliefern, erzeugt die Stadt nicht nur Wärme, sondern auch Strom. „Insgesamt produzieren wir mit allen Erzeugungsanlagen 120 Prozent Strom für Waldmünchen“, erklärt Ackermann. Somit ist die Stadt eine stromexportierende Gemeinde.

Aber auch der Wärmebereich, ein ebenfalls wichtiger Baustein der Energiewende, findet in Waldmünchen große Berücksichtigung. So verfügt allein die Stadt über ein neun Kilometer langes Fernwärmenetz. „Beinahe alle öffentlichen Gebäude der Stadt sind an dieses Netz angeschlossen“, so Ackermann. Die Wärme hierfür kommt ebenfalls aus dem Holzheizkraftwerk.

„Neben dem BHKW in Waldmünchen haben wir in der Ortschaft Schäferei das erste Bioenergiedorf in Bayern ohne externe Förderung. Dieses Modell haben wir mittlerweile über das gesamte Gemeindegebiet verteilt und eine Vielzahl von Bioenergiedörfern aufgebaut“, sagt der Bürgermeister. „Damit sichern wir den Bestand unserer Dörfer und erzeugen Wertschöpfung vor unserer Haustüre.“

In Waldmünchen werden Energiewirte ausgebildet


Einzigartig wird die Bioenergieregion Waldmünchen aber erst durch die enge Verzahnung der Anlagen mit dem Bildungsbereich. Im Rahmen der Aktivitäten des Energievereins Cerchov, einem ehrenamtlich getragenen Verein zur Entwicklung von Bildungsangeboten im Bereich der regenerativen Energieerzeugung, ist es beispielsweise gelungen, den ersten durch die IHK zertifizierten Energiewirtkurs in Waldmünchen anzubieten. Mittlerweile haben diesen mehr als 150 Teilnehmer absolviert. Aufbauend auf diese bundesweit einmalige Initiative hat nun auch die staatliche Fachschule für Umweltschutztechnik und regenerative Energien seit 2012 ihren Sitz in Waldmünchen. Im engen Dialog zwischen Technikerschule und Energieverein steht seit 2015 die Ausbildung zum Energieeffizienzexperten auf dem Programm. „Das ist ein gefragter Ausbildungsgang, denn für jeden Förderantrag, den ein Hausbesitzer stellt, muss so ein Experte unterschreiben und bestätigen, dass die energetischen Erneuerungsmaßnahmen, die der Hausbesitzer vorhat umzusetzen, sinnvoll sind“, so Ackermann. Diese Weiterbildungslehrgänge seien bayern- und bundesweit sehr gefragt.

Auftraggeber kommen aus ganz Europa


Aber auch international sorgt Waldmünchen mit seiner Energiekompetenz für Aufsehen. So sind bereits Delegationen aus Japan, Südkorea, Afrika, Weißrussland und der Republik Moldau angereist, um sich die Anlagen und Konzepte in der regenerativen Energieregion vor Ort anzusehen und erklären zu lassen. Auch im internationalen Kontext spielt der Bildungsaspekt eine große Rolle. So werden beispielsweise regelmäßig Berufschullehrer aus Tschechien in Sachen regenerative Energien weitergebildet oder einzelne Unterrichtsbausteine für tschechische Berufsschüler in Waldmünchen angeboten.

Spezielles Know-how bietet auch der Waldmünchner Fahrzeugbaubetrieb Tischer. Das mittelständische Unternehmen hat sich auf den Bau von hochwertigen Abschleppwägen spezialisiert. Die Auftraggeber kommen laut Bürgermeister Ackermann aus ganz Europa und darüber hinaus.

Ebenfalls im Fahrzeugbau sehr erfolgreich ist die Firma Pfeifer. Sie optimiert Fahrwerke für Rennautos und genießt in der Szene höchste Anerkennung. „Ein besonderes Highlight ist der aktuelle Umbau eines Mercedes Sprinter zum Zwölfzylinder für einen Auftraggeber in Fernost“, so Ackermann. Insofern sind in Waldmünchen stets besondere, markante und leistungsstarke Sportwägen oder Fahrzeuge anzutreffen.

229.000 Übernachtungen


Ein wichtiges wirtschaftliches Standbein für Waldmünchen ist der Tourismus. „Der macht bei uns etwa ein Drittel der Wirtschaftskraft aus und sorgte im vergangenen Jahr für 229.000 Übernachtungen im Urlaubsland“, so Bürgermeister Ackermann. Neun überregionale Wanderwege, darunter der berühmte Goldsteig, 700 Kilometer an Mountainbike-Strecken und im Winter ein umfangreiches Netz an Langlaufloipen sorgen für Abwechslung bei den Erholungssuchenden. Mit dem 1042 Meter hohen Cerchov (Schwarzkuppe) auf tschechischer Seite hat Waldmünchen seinen eigenen Hausberg. Und sollte einmal schlechtes Wetter die Outdoor-Aktivitäten trüben, können es sich die Besucher im vor Kurzem vollständig renovierten und auf Wellness getrimmten Hallenbad Aquafit gutgehen lassen.

Dieses Bad wird laut Ackermann auch von den Tschechen sehr gut angenommen, die zum Teil bis aus Pilsen nach Waldmünchen kommen. Insgesamt pflege man sehr gute Beziehungen zu den tschechischen Nachbarn und arbeite gerade im Tourismus sehr gut zusammen.

80 Kilometer Glasfaser werden verlegt


Touristisch und kulturell ein unbedingtes Muss ist für Besucher der Trenckstadt Waldmünchen selbstverständlich das Freilichtfestspiel „Trenck der Pandur vor Waldmünchen“, in dem über 300 Bürger die Stadtgeschichte des Jahres 1742 aufleben lassen und in einem spannenden und mitreißenden Schauspiel präsentieren.

Profitieren werden Touristen und Unternehmen gleichermaßen, wenn in Waldmünchen nach bereits erfolgtem Abschluss des bayerischen Förderprogramms weitere 80 Kilometer Glasfaser verlegt sein werden. Das soll über das Bundesförderprogramm bis 2018 realisiert sein. „Dann haben wir ganz oft fibre-to-the-home. Bis jetzt bieten wir in weiten Teilen unseres Gemeindegebiets 30 Mbit. Dann werden wir sogar noch höhere Bandbreiten anbieten können. Wir sind mit dem Landkreis Cham Pilotregion“, so Ackermann.

Insgesamt hat Waldmünchen rund 2160 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte und einen negativen Auspendlersaldo. Viele Arbeitnehmer fahren ins nahegelegene Cham zur Arbeit.
(Ralph Schweinfurth)

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