Wirtschaft

Protest gegen die geplanten Gewächshäuser. (Foto: Wraneschitz)

07.08.2020

Regionalvermarktung bringt’s

Biogemüse ist nicht in jedem Fall ressourcenschonend

Tomaten, Zucchini, Paprika und mehr fast über‘s ganze Jahr, und das möglichst mit Bio-Verbandssiegel: Um solches Gemüse zu produzieren braucht es Gewächshäuser. Der Konflikt mit Freilandbauern ist programmiert.

Gut: Bei Bio denkt man vielleicht zuerst an den bäuerlichen Landwirtsbetrieb mit Hofladen und Hofkäserei. Doch Bio ist auch, wenn ein Aroniabeeren-feld, dessen Sträucher wohl aus Wassermangel ziemlich am Boden dahinvegetieren, auf 100.000 Quadratmetern mit Glashäusern versiegelt wird. Denn für deren Bau ist es am besten, wenn die Ackererde darunter bereits Bio-zertifiziert ist. Sonst muss das Feld erst einmal jahrelang „biosiert“ werden. Und dann wachsen dort statt Biobeeren Biopaprika, Biozucchini und Biotomaten.

„Aber bei uns doch nicht. So was geht vielleicht bei Almeria“, jenem mit Gewächshäusern überbauten Landstrich in Spanien. Wer das glaubt, liegt falsch. Denn in Deutschland gilt die „Landwirtschaftliche Privilegierung“: Dank dieser Gesetzesregel im Baugesetzbuch, § 35, können Bauern Scheunen oder Ställe auf Felder stellen. Oder Aussiedlerhöfe bauen. Und, nicht zu vergessen: eben auch Gewächshäuser jeder Größe errichten.

Kampf um Privilegierung

In Langenzenn beispielsweise, einer Stadt im Landkreis Fürth, tobt unter Bauern zurzeit ein Kampf um diese Privilegierung. Da sind die bäuerlichen, dörflichen Kleinbetriebe, von denen Politiker*innen jeder Couleur in Sonntagsreden schwärmen. Und da sind Großgärtnereien – zum Beispiel aus dem Nürnberger Knoblauchsland – die mithilfe der Privilegierung am Dorf noch größer werden wollen. So ganz nebenbei wollen sie neben ihrem bisher „konventionellen“ künftig auch Biogemüse anbauen.
Auch die Bevölkerung steigt auf die Barrikaden. So künden vor allem in zwei Langenzenner Ortsteilen aktuell viele Plakate von „Knoblauchsland 2.0“ oder „Fränkischem Almeria“; es gelte, „Gemüsefabriken“ zu verhindern.

Im Ortsteil Keidenzell (300 Einwohner) beispielsweise. Hier besteht seit über 15 Jahren eine Anlage, die den Bioabfall des Landkreises vergärt, zu Biogas aufbereitet und damit ein Blockheizkraftwerk antreibt. Vor zehn Jahren kam ein Bauer aus jenem Knoblauchsland auf die Idee, die ungenutzte Abwärme für seine Gärtnerzwecke einzusetzen. Dazu baute er ein neues Gewächshaus, etwa 10.000 Quadratmeter groß.

Er kam also günstig an Wärme, und der Biogasbetrieb bekam den sogenannten „KWK-Bonus“ auf die Stromvergütung obendrauf – ein Gewinn für beide. Und weil bislang immer noch Wärme übrig ist, plant dieser Gärtner momentan die Erweiterung seiner Zucht um 25.000 Quadratmeter. Das würde die Bevölkerung wohl hinnehmen.

Doch genau auf der gegenüberliegenden Straßenseite will ein anderer Großgärtner ein 60.000 Quadratmeter großes Gewächshaus bauen. Dafür müsste eigens ein Holzheiz(kraft)werk (HHW) gebaut werden. HHW, die auch sogenanntes „A II-Holz“ verbrennen können, werden zurzeit stark vom Bund gefördert.

Gemüse aus Spanien holen

Doch in A II-Holz dürfen auch andere Stoffe wie Leim oder Lack enthalten sein: Darf mit Wärme aus einer solchen „Müllverbrennung“, wie sie in der Bevölkerung bereits genannt wird, Biogemüse entstehen? Oder wäre es sinnvoller, das Gemüse weiterhin aus Spanien anzutransportieren? Dort muss kaum geheizt werden. Dessen Gesamtenergiebilanz aus Aufzucht und Fahrt könnte also sogar günstiger sein.

1000 Liter Wasser pro Jahr und Quadratmeter benötigt üblicherweise ein Biopflanzenanbau. Den Bedarf will der potenzielle Investor in Langenzenn zwar möglichst mit gesammeltem Regenwasser von den Glasdächern decken. Doch wenn man dem Wetterdienst glaubt, bekam jeder Quadratmeter Boden dort in den letzten Jahren durchschnittlich nur gut 500 Liter jährlich ab. Ist es ökologisch legitim, mit einem Brunnen das Restwasser zu fördern? Das würde ja irgendwann dem Tiefengrundwasser fehlen, aus dem das Trinkwasser für die Bevölkerung gewonnen wird.

Oder darf für die Biogemüsebewässerung gar Leitungswasser verwendet werden? Im 30-Seelen-Weiler Hardhof will ein anderer Gärtner ein 100.000 Quadratmeter großes Glashaus aufstellen. Steht nur die Hälfte der 100.000.000 Liter benötigten Wassers aus gesammeltem Regen zur Verfügung, würden 50.000.000 Liter Trinkwasser die Pflanzen ernähren.

Politisch gewollt

30 Prozent Bioanteil hierzulande sei aber politisch gewollt, da müsse eben stark zugebaut werden, führt Jochen Loy für die Gewächshäuser in Franken ins Feld. Doch der Regionalgeschäftsführer beim Bayerischen Bauernverband ist nicht sicher, „ob dieses Gewächshaus in die gewachsene Struktur passt“. Da ist die schiere Größe einerseits. Aber auch die wohl die Hardhofer Bevölkerung doppelt überragende Zahl von in neuen Unterkünften wohnenden Arbeitskräften müsste verkraftet werden.

Dabei hat sogar Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) dieser Tage erklärt: „Wir brauchen mehr Agrarökologie statt Agrarkapitalismus.“ Genau als solchen empfinden aber die Langenzenner Dorfbewohner die geplanten „Gemüsefabriken“. Das produzierte Biogemüse muss im Übrigen auch abgefahren, das benötigte Holz zugeliefert werden. Egal wie viel: Es sind Lkw dafür notwendig. Wahrscheinlich dieselbetriebene. Und eine Strecke ist wohl immer eine Leerfahrt. Dafür braucht es zwar eigentlich keine Verkehrskonzepte. Aber wenn die Straßen in den Dörfern nicht für so viele Lkws gebaut sind?

Ach ja, nicht zu vergessen: Was genau ist „regional“? Diese Vermarktungsart ihrer Bioprodukte haben besagte Großbauern versprochen. Damit meinen sie offensichtlich einen gut 200 bis 400 Kilometer umfassenden Radius: „Süddeutschland“ nämlich. Auch dieser Transport schmälert das „Bio“ in der Bilanz erheblich. Und womöglich wird das Produkt ja gar nicht vom Hof zum Händler transportiert: Was, wenn die Verpackung und Konfektionierung an einem ganz anderen Ort wo auch immer passiert?

„Wir sind als Stadtrat entmachtet!“ Erich Ammon von der Freie-Wähler-Fraktion in Langenzenn ist sichtlich frustriert. Die Privilegierung der Landwirtschaft beraubt ihn seiner Aufgabe: „Politik hat die Zukunft zu gestalten.“

Mit viel Geld umsetzen

Aber wenn die großbäuerlichen Investoren bauen wollen und können und die entsprechenden Äcker erwerben, haben Gemeinden im Prinzip nur eine Möglichkeit: Durch die Ausweisung von Konzentrationsflächen zumindest Zeit gewinnen. Doch das ist nur mit viel Geld umzusetzen. Und am Ende stehen womöglich noch viel mehr Flächen für solche Projekte zur Verfügung. Ansonsten können Kommunen wie Langenzenn nur auf die „Träger Öffentlicher Belange“ hoffen. Die müssen nämlich gehört werden. Und vielleicht erkennen ja auch sie, dass Gemüse trotz „Bio“-Siegel nicht automatisch „ökologisch und gut“ heißt.

Dabei ist Privilegierung nicht grundsätzlich schlecht: Sonst hätten beispielsweise kleine Milchvieh-Familienbetriebe kaum eine Möglichkeit, mehr Kühe zu halten und deren Stallflächen für mehr Tierwohl zu vergrößern.
(Heinz Wraneschitz)

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