Von Mallorca hat Markus Hess die meisten seiner Fahrräder inzwischen zurückgeholt. Eine "Vollkatastrophe" sei die Saison dort, sagt der Geschäftsführer eines deutschen Radreise-Anbieters: "Wenn ich nur Mallorca hätte, wäre ich jetzt in Existenzangst." Vor den größten Sorgen bewahrt Hess in Corona-Zeiten der Andrang an einem zweiten Standort: Füssen im Allgäu.
Der Ansturm von Ausflüglern hatte im südlichen Bayern zuletzt lautstarken Unmut und Diskussionen ausgelöst. Im Zugspitzdorf Grainau blockierten Hunderte Menschen die Zufahrt zur Seilbahn, auch in Kochel am See wurde am Samstag unter dem Motto "Ausbremst is" gegen das Verkehrsaufkommen durch Touristen demonstriert. Doch Gewerbetreibenden wie Markus Hess und seinen acht Mitarbeitern sichern die Urlaubsgäste die wirtschaftliche Existenz.
"Wir konnten einen Teil vom verlorenen April- und Maigeschäft so wieder reinholen", sagt der Vorstand der Bayerischen Zugspitzbahn, Matthias Stauch. Auf Entlassungen habe er so bisher verzichten können. "Wenn in den Ferien schönes Wetter ist, kommt es richtig geballt", sagt er. Teilweise würden schon vormittags keine Karten mehr verkauft, weil in Corona-Zeiten höchstens 3000 Menschen gleichzeitig auf Deutschlands höchstem Gipfel sein dürfen.
Wieder Zuversicht geschöpft
Auch Hotels und Restaurants in beliebten Urlaubsregionen schöpften durch den großen Andrang wieder Zuversicht, sagt eine Sprecherin des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbands. Als Beispiele nennt die Industrie- und Handelskammer Schwaben das Allgäu und die Bodenseeregion: Dort werde inzwischen "oftmals wieder das Vorkrisen-Niveau erreicht". Dadurch könne auch könne auch das Ausbleiben ausländischer Gäste teilweise kompensiert werden.
Was passiert, wenn in diesen Zeiten Ausflügler fehlen, zeigt dagegen ein Blick in die bayerischen Großstädte. Dort sei die Lage "weiter äußerst prekär", heißt es beim Hotel- und Gaststättenverband. "Gerade in den Städten fehlen die ausländischen Touristen und auch Veranstaltungen wie Messen und Kongresse." Das könnten Deutschland-Urlauber nicht ausgleichen.
"Die Übernachtungszahlen zeigen, dass sich die Stadt München kaum vom Coronaschock erholt hat", sagt ein Sprecher der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern. Während zum Beispiel im Berchtesgadener Land die Zahl der Übernachtungsgäste im Juni immerhin rund 75 Prozent des Vorjahreswerts erreichte, kam die Landeshauptstadt gerade mal auf 25 Prozent.
Größere Lücke
Auch der Tourismusverband Franken spricht mit Blick auf Städte wie Nürnberg von einer "größeren Lücke". Stattdessen würden die Menschen bevorzugt in eine der 16 Ferienregionen fahren, sagt Geschäftsführerin Angelika Schäffer. In Regensburg erholen sich Hotellerie, Gastronomie und Handel nach Angaben der städtischen Tourismusorganisation ebenfalls nur langsam vom "Schockzustand" durch den Lockdown im März.
"Die Menschen scheinen die Großstädte zu meiden und wollen in Zeiten von Social Distancing nicht in Gruppen unterwegs sein", sagt auch Gabriele Holder, Geschäftsführerin eines Fahrradtouren-Anbieters in München. Ihr Büro am Hauptbahnhof habe sie deshalb vorerst geschlossen: "Das würde sich nicht lohnen."
Stattdessen setzt Holder in Zeiten von Corona auf den Verleih und die Reparatur von Fahrrädern, um die Umsatzeinbrüche von mehr als 90 Prozent im Tourenbereich auszugleichen. Zumindest könne sie so derzeit die freiberuflichen Stadtführer noch bezahlen. Neidisch sei sie auf ihre Kollegen in den Urlaubsregionen wegen des dortigen Andrangs aber nicht, betont sie. "Es ist, wie es ist."
Angst vor weiterem Lockdown
Gemein haben die touristischen Betriebe in Städten und auf dem Land eines: die Angst vor einem weiteren Lockdown. "Eine weitere Schließungsphase würde zahlreiche Betriebe an ihre Grenze und darüber hinaus bringen", sagt die Chefin des Tourismusverbands Schäffer.
Denn trotz der Deutschland-Urlauber liegt die Zahl der gebuchten Übernachtungen in der bayerischen Hotellerie im August immer noch um 43 Prozent unter dem Vorjahreswert - im Oktober sind es derzeit sogar rund 54 Prozent weniger. Auch die Gastronomie schaue mit Sorge auf den Herbst, sagt eine Sprecherin des Branchenverbands. Denn dann könnten Außenbereiche nicht mehr bewirtschaftet werden.
Wie viele Betriebe die Krise überleben, wird wohl ebenfalls erst im Herbst klarer. Ende September läuft die staatliche Regelung ab, dass Unternehmen keinen Insolvenzantrag stellen müssen. "Wer jetzt noch offen hat, ist noch im Spiel", sagt ein Sprecher der Industrie- und Handelskammer Schwaben. "Dennoch wird es nicht jedes Unternehmen schaffen, den Ausfall des Frühjahres zu überwinden."
Gabriele Holder bleibt mit Blick auf ihren Betrieb in München optimistisch. "Wir haben gut gewirtschaftet und werden das hoffentlich überleben", sagt sie. "Wir hangeln uns durch." Für Markus Hess bleibt nach der Corona-Reisewarnung für Mallorca vorerst das Allgäu die einzige Hoffnung auf Umsätze. Er verstehe zwar den Ärger der Anwohner dort über den Urlaubsverkehr, betont Hess. "Aber ich setze die Leute hier dann wenigstens aufs Rad."
(Frederick Mersi, dpa)
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