Wirtschaft

Fachliche Überforderung ist eine der häufigsten Ursachen für einen Studienabbruch – weitaus mehr als finanzielle Gründe. (Foto: dpa/Frank May)

03.05.2023

Schulen tragen Mitschuld am Fachkräftemangel

Neue Studie: Kaum Vorbereitung aufs Arbeitsleben

„Ich bin fast 18 und hab keine Ahnung von Steuern, Miete oder Versicherungen. Aber ich kann ‘ne Gedichtsanalyse schreiben. In vier Sprachen“, twitterte eine Abiturientin namens Naina vor einigen Jahren – und löste damit einen Shitstorm aus. Lehrkräfte sahen sich zu Unrecht des weltfremden Unterrichts angeprangert, Betriebe dagegen sprangen der Gymnasiastin bei. Doch mangels Empirie konnte die Äußerung rasch als pubertäre Einzelmeinung abgetan werden und geriet in Vergessenheit. Statt dessen hätte es eine Warnung sein sollen.

Denn Deutschlands Schulen verschärfen den Arbeits- und Fachkräftemangel, weil sie die berufliche Bildung sträflich vernachlässigen. Das ist die wichtigste Botschaft eines in dieser Woche vorgestellten Gutachtens, dass der Aktionsrat Bildung im Auftrag der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw) erstellt hat. Die meisten Schulabgänger*innen, so die Forschenden, starten aufgrund der mangelhaften Vorbereitung in den Schulen „entsprechend schlecht vorbereitet in die nächste Lebensphase“. Hohe Abbruchquoten bei zahlreichen Berufsausbildungs- und Studiengängen seien die Folge. Rund 250 000 junge Erwachsene im Freistaat verfügen über keinen Berufsabschluss, bundesweit sind es fast zehn Mal so viele.

Viele Jugendliche, heißt es in der Studie weiter fänden auch deshalb keine Lehrstelle, weil ihnen niemals eine Lehrkraft vermittelt hat, welcher Beruf überhaupt zu ihnen passt. Das sich in seiner Verbeamtung sicher und komfortabel fühlende Lehrpersonal zieht eisern sein Curriculum durch und blockiert jede Aufforderung zu mehr Lebenspraxis im Unterricht: entweder mit dem Hinweis, dass man dafür nicht zuständig sei, sondern die Elternhäuser – oder dass man dafür keine Kapazitäten haben und ohnehin mit Arbeitsbelastung überfordert wäre.


Kinder kennen häufig nur wenige Ausbildungsberufe

 

Eine repräsentative Umfrage unter Kinder aus der 9. Klasse habe gezeigt, dass der Nachwuchs nur einen sehr rudimentären Überblick darüber hat, welche Ausbildungsmöglichkeiten es überhaupt gibt. Obendrein bewegen sich bei den Berufsbildern in Rollenklischees, wie sie diese aus ihren Familien kennen und lassen sich zu sehr durch das soziale Umfeld und das Elternhaus bestimmen. Dadurch erhöhe sich die Wahrscheinlichkeit, dass die Ausbildung oder das Studium abgebrochen wird. Gleichzeitig gibt es kein Managementsystem, das die Qualität der Berufs- und Studienorientierung vor Ort und fortlaufend kontrolliert. „Schule ist kein Garant mehr für eine kompetente Berufswahl und Motivation“, klagt Dieter Lenzen, Professor für Erziehungswissenschaften und zuletzt Präsident der Universität Hamburg, der federführend an der Studie beteiligt war.

Angesichts dieser Zustände fordert der Aktionsrat Bildung, die Berufs- und Studienorientierung flächendeckend im Bildungssystem von Bund und Freistaat zu verankern. Derzeit erfolgt sie durch die Trennung von Bildung und Ausbildung in Deutschland in der Schule oft zu losgelöst vom Arbeitsmarkt. Und Wolfram Hatz, der Präsident der vbw, ergänzt: „Damit die Unternehmen ihren Fach- und Arbeitskräftebedarf bestmöglichst sichern können, sind sie auf gut qualifizierten Nachwuchs angewiesen. Frühzeitige, fächerübergreifende, praxisnahe und eng verzahnte Berufs- und Studienorientierung an Schulen nimmt hierbei eine Schlüsselrolle ein.“ (André Paul)

 

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