Wirtschaft

Die Böden im Alpenraum können das Nitrat besser filtern als jene in Franken oder Niederbayern. (Foto: dpa/Karl-Josef Hildenbrand)

06.09.2019

Streit um die Gülle

Aus Sicht der EU verunreinigen die Bauern zu sehr das Grundwasser – Bayerns Landwirte fürchten die Reaktionen der Politik

Wie nitratbelastet ist Bayerns Grundwasser wirklich? Der Bayerische Bauernverband findet, weniger schlimm als in anderen Bundesländern – und wehrt sich deshalb gegen drohende Verschärfungen der Düngeverordnung. Experten für den Wasserschutz sehen die Maßnahmen dagegen als dringend notwendig an.

Dieser Tage wurden Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) und ihre Kollegin, Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) nach Brüssel zitiert. Es gilt, eine Klage abzuwenden. Die EU-Kommission beharrt auf einer Nachbesserung der bisherigen Düngeverordnung. In Deutschland werde weiterhin zu viel Gülle ausgebracht. Die Nitratbelastung in der Bundesrepublik sei dadurch zu groß, europaweit habe Deutschland nach Malta das am meisten belastete Grundwasser.

Das größte Problem aus Sicht der Kommission ist die Massentierhaltung mit ihren Betrieben, in denen Zehntausende Schweine oder Tausende Kühe stehen. Auch Geflügelmassenbetriebe sind beteiligt. Die Ausscheidungen der Tiere können von den Äckern nicht mehr absorbiert werden. Regionen mit extrem hoher Viehkonzentration liegen vor allem in Niedersachsen, Schleswig-Holstein, aber auch in Nordrhein-Westfalen und Bayern.

In Bayern gibt es allerdings unterschiedlich stark belastete Regionen. Im Alpenraum beispielsweise ist die Lage deutlich entspannter als in Franken oder im östlichen Niederbayern. Das hängt mit der Beschaffenheit der Böden – vor allem ihrer Durchlässigkeit – aber auch mit der Niederschlagsmenge zusammen. In Bayern wurden immerhin schon rote, also besonders belastete Gebiete ausgewiesen. Hierzulande sind bereits mehr als 90 Prozent der von Brüssel vorgeschriebenen Messstellen installiert. Andere Bundesländer, beispielsweise Schleswig-Holstein und Sachsen, hinken da noch hinterher. Bundesweit wurden nur 72 Prozent der vorgeschriebenen Messstellen eingerichtet.

Die bayerischen Landwirte kritisieren, die beiden Ministerinnen würden aus Angst vor Brüssel nun in „Aktionismus“ verfallen, das ganze Land über einen Kamm scheren und mit „überzogenen“ Vorschriften traktieren. „Anstatt die Novelle der Düngeverordnung für zielgerichtete Maßnahmen zu nutzen, welche die enorm positiven Erfahrungen von regionalen Gewässerkooperationen aufgreifen, setzt die Bundesregierung beispielsweise weiterhin auf pauschale Regelungen und Verbote von der Nordsee bis zur Zugspitze“, kritisiert Georg Wimmer, der Generalsekretär des Bayerischen Bauernverbands (BBV).

Zuletzt gab es im Jahr 2017 eine neue Verordnung

Zuletzt gab es im Jahr 2017 eine aus Sicht des Bauernverbands „sehr ambitionierte“ Düngeverordnung, ergänzt durch eine weitere Verordnung im Jahr 2018. Diese beinhalten neue, umfangreiche Dokumentationen und Planungen. Man sei immer noch damit befasst, sich an diese anzupassen, so der Generalsekretär.

Was die Bauern unter anderem an den Plänen der beiden Ministerinnen ärgert: Die Düngung von sogenannten Zwischenfrüchten – dazu gehört beispielsweise Senf – im Sommer soll verboten werden. „Doch das konterkariert die Bemühungen der bayerischen Bauern beim Erosionsschutz und widerspricht den Grundsätzen des integrierten Pflanzenschutzes, der eine ausreichende Bestandentwicklung zur Verringerung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes durch Unkrautunterdrückung vorgibt“, klagt Wimmer.

Auch müssten neben den Aspekten Nitrat und Ammoniak bei der Überarbeitung der Regelungen „gleichberechtigt auch weitere Auswirkungen, zum Beispiel Befahrbarkeit und Bodenschutz, Grundsätze des integrierten Pflanzenschutzes, Maßnahmen zum Klimaschutz, in die Abwägung mit einbezogen werden“, fordert Wimmer. „Es kann nicht sein, dass der Gesetzgeber jeweils nur einen zu regelnden Aspekt im Fokus hat, während der praktizierende Landwirt immer mit einem Bein im Gefängnis steht, da es in der Praxis nicht mehr gelingt, widersprüchliche Regelungen des Gesetzgebers aufzulösen.“

Bayern werde von verschärften Vorschriften besonders hart getroffen

Die verschärften Vorschriften würden Bayern besonders hart treffen, weil es hier im Gegensatz zu anderen Bundesländern noch eine sehr kleinteilige, familiengeführte Landwirtschaft gebe, so Verbandssprecher Markus Drexler. Die Existenz der Kleinen sei dadurch stärker bedroht als dies bei Großbetrieben der Fall ist.

Institutionen, die den Schutz des Wassers im Blick haben, sehen die zu verschärfenden Richtlinien mit gemischten Gefühlen. So findet beispielsweise Detlef Fischer, der Geschäftsführer des Verbands der bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft, dass es zwar „zu viel Nitrat in Bayerns Böden gibt und jede Minimierung wünschenswert ist“. Man dürfe freilich „nicht die ganze Problematik auf die Landwirte abwälzen, das ist unfair“. Die Menschen wollten Fleisch essen, „und das Zeug muss irgendwo hin.“

Für die Trinkwasserversorgung spielt das Grundwasser eine wichtige Rolle; gut 90 Prozent werden daraus gewonnen. Für das Jahr 2017 liegen laut Angaben des Bayerischen Landesamts für Umwelt für knapp 2700 Wassergewinnungsanlagen und eine geförderte Wassermenge von etwa 810 Millionen Kubikmetern entsprechende Nitratdaten vor. Rund 54 Prozent des zu Trinkwasserzwecken entnommenen Grundwassers gelten mit Nitratkonzentrationen von bis zu 10 mg/l als unbelastet. Als „belastet“ bis „stark belastet“ mit Nitratgehalten zwischen 25 und 50 mg/l sind etwa 14 Prozent der gewonnenen Rohwassermenge einzustufen. Ab dem Schwellenwert in Höhe von 50 mg Nitrat/l müssen Maßnahmen ergriffen werden, um eine Verringerung der Belastung zu erreichen.

Der gemäß Grundwasserverordnung geltende Schwellenwert für 50 mg/l für Nitrat wurde im Jahr 2017 in 3,2 Prozent des Rohwassers überschritten. Die Zustandseinstufung der sogenannten Grundwasserkörper erfolgt in einem sechsjährigen Zyklus, der durch die EG-Wasserrahmenrichtlinie vorgegeben ist.

Juliane Thimet, Referentin für Wasserrecht beim Bayerischen Gemeindetag, verweist darauf, dass eine Nichtbeachtung der aus Brüssel vorgegebenen Verschärfungen Strafzahlungen für Deutschland nach sich ziehen werden – und zwar in Höhe von 861 000 Euro täglich. „Da besteht eine juristische Verantwortung, Deutschland muss liefern.“ Unverständlich ist es aus ihrer Sicht, dass zuletzt der bayerische Landtag mit den Stimmen von CSU und Freien Wählern eine Verschärfung der Düngeverordnung abgelehnt hatte. „Das ist, als ob der Bauernverband dort Sitz und Stimme hätte“, findet Thimet.

Als Verdienst des Gemeindetags wertet sie die Ausweisung von sogenannten „weißen Gebieten“ im Kabinettsbeschluss vom vergangenen Jahr. Wasserschutzgebiete in ansonsten grünen Grundwasserkörpern werden als weiße Gebiete ausgewiesen. Zusätzlich werden auch Wassereinzugsgebiete in ansonsten grünen Grundwasserkörpern als weißes Gebiet ausgewiesen, wenn sie Messstellen mit mehr als 37,5 mg Nitrat/l ohne fallenden Trend aufweisen oder dortige Messstellen den Grenzwert von 50 mg Nitrat/l überschreiten. In weißen Gebieten gelten die bisher bekannten Vorgaben der Düngeverordnung. Es greifen weder Verschärfungen noch die für grüne Gebiete vorgesehenen Erleichterungen. (André Paul)

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