Wirtschaft

Jetzt sollen auch noch Waldwindparks schlechtgeredet werden. (Foto: Wraneschitz)

07.08.2015

Streit um neue Windrad-Umfrage

Wegen der 10H-Abstandsregel sind neue Windkraftanlagen fast nur noch in Waldgebieten möglich – doch auch das soll verhindert werden

Wegen der im November 2014 beschlossenen bayerischen 10H-Regel werden Windkraftanlagen im Wald immer beliebter. Denn nur so ist der erforderliche Abstand zur Wohnbebauung gegeben. Jetzt veröffentlichten Windkraftgegner eine neue Studie, wonach 79 Prozent der Befragten auch keine Windräder im Wald wollen. Auftraggeber der neuen Studie ist die Deutsche Wildtier Stiftung (DWS). Demnach befürworten lediglich elf Prozent neue Windräder im Wald. Die DWS bezeichnet die Ergebnisse der Umfrage, die vom Meinungsforschungsinstitut TNS Emnid durchgeführt wurde, als „repräsentativ“.
Drei Aussagen mussten die Pro-banden treffen. „Für den Ausbau der Windenergie sollten generell keine Waldgebiete verschwinden oder zerschnitten werden“ oder „Ich finde es im Allgemeinen vertretbar, wenn für den Bau zusätzlicher Windkraftanlagen auch Waldgebiete verschwinden oder zerschnitten werden“ standen bei Punkt 1 als Antworten zur Auswahl. Für deren Formulierungen sei der Auftraggeber, also die DWS, verantwortlich, so die renommierte Forschungseinrichtung TNS Emnid.

Uni-Professorin kritisiert Fragestellungen der Studie


Professor Renate Liebold vom Institut für Soziologie der Philosophischen Fakultät der Uni Erlangen kritisiert die Umfrage ziemlich deutlich: „Eine abwägende Antwortvorgabe ist nicht vorgesehen. Aus meiner Sicht ist die Wortwahl der Fragen radikal: zerschnitten werden, verschwinden. Dass jemand skrupellos Wälder abholzt, das wird heute niemand mehr sagen wollen. Nachhaltigkeit liegt uns allen am Herzen. Insofern liegt es nahe, die Antwort 1 zu wählen“, also die Ablehnung, dass Waldgebiete für Windräder verschwinden oder zerschnitten werden. Anders als die Professorin empfindet DWS-Mitarbeiter Jochen Bellebaum die vom Verband gelieferten Fragen dagegen „neutral“.
Dass Wälder bei Windparks weder „zerschnitten werden“ oder „verschwinden“, stellt das bayerische Forstministerium klar: „Im Staatswald ist durch die gute Erschließung mit Forststraßen eine geeignete Infrastruktur bereits vorhanden.“ Außerdem würden in einem umfangreichen Genehmigungsverfahren von den zuständigen Behörden alle am Standort relevanten Faktoren geprüft und bewertet, insbesondere die Umweltverträglichkeit und Gefahren für Tiere und Menschen.
Das umfangreiche Genehmigungsverfahren sahen Windplaner, die schon vorgearbeitet hatten, auch als Gefahr für die Übergangsfrist der 10H-Regel. Windräder, deren vollständige Bauanträge vor dem 4. Februar 2014 eingereicht worden waren, dürfen auch näher als 2000 Meter an der Wohnbebauung stehen. Aber nur, wenn die Anlage vor Ende 2015 genehmigt ist, stand im Gesetz.

Befristung ist Aufgehoben


Doch seit dem 1. August ist diese zeitliche Befristung aufgehoben: Auch über das Jahresende hinaus dürfen Altanträge nun abgearbeitet und so beantragte Windräder unter 10H-Abstand errichtet werden. Denn am 16. Juli 2015 entschied der Landtag einstimmig und geräuschlos: „Das Wort Außerkrafttreten wird gestrichen.“ Der Bau ist nun quasi zeitlich unbegrenzt möglich. Für Raimund Kamm, Bayerns Landeschef des Bundesverbands Windenergie, wurden damit „nur maximal 20 Verfahren gerettet, bei denen Gerichtsprozesse oder Genehmigungsverfahren der Behörden noch nicht abgeschlossen sind“. Erwin Huber, der CSU- Wirtschaftssprecher im Landtag, nennt der Staatszeitung als Grund für die Änderung: „Nicht alle Genehmigungen sind mit Ende des Jahres abgeschlossen. Wir wollten so den Vertrauensschutz der Investoren wieder herstellen.“

Prozessieren gegen den Freistaat


Die Klagegemeinschaft Pro Windkraft und ihr Trägerverein Klimaschutz Bayerns Zukunft e. V. – sie prozessieren gegen den Freistaat wegen der 10H-Regel – sehen darin den zweiten Schritt zur Gesetzesrücknahme. „CSU und Staatsregierung bekommen langsam kalte Füße“, meinen die Windbefürworter. Der erste Schritt war die im Frühjahr veröffentlichte Handreichung der Staatsregierung für mehr Windkraft. Gemeinden werden zum Aufstellen von Bebauungsplänen animiert, um die 10H-Regelung nicht anwenden zu müssen. Beamte des zuständigen Energie- und Wirtschaftsministeriums hatten gar vorgeschlagen, staatliche Zuschüsse zu solchen Bebauungsplänen zu zahlen. Dies war nach Informationen der Staatszeitung aber von politischer Seite gekippt worden.
„Mit ihren Schnellschüssen hat die CSU nicht überrissen, dass es nicht geht. Eigentlich ist die Änderung ja eine Verbesserung, die wir nicht groß hochziehen wollten. Aber 10H muss komplett weg“, fordert Martin Stümpfig von den Landtagsgrünen.
„Warum zieht die Staatsregie-rung nicht gleich die ganze 10H-Abstandsregelung zurück und lässt Windräder wieder nach den Regionalplänen zu, statt sich mit der Klagegemeinschaft Wind vor Gericht Scharmützel zu liefern?“, schimpft auch der SPD-Umweltsprecher im Landtag, Harry Scheuenstuhl.
Was wohl Wunschtraum bleibt. Denn derzeit wird im Landtag nur eine vom Verfassungsgerichtshof geforderte Stellungnahme ausgearbeitet. Deshalb sieht die Klagegemeinschaft Pro Wind aktuell auch keinen Grund, ihre Verfassungsklage gegen 10H zurückzuziehen.
(Heinz Wraneschitz)

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