Die Maske ist inzwischen zum alltäglichen Begleiter geworden. Doch manche haben mit ihr immer noch größte Probleme, Menschen mit obstruktiven Lungenerkrankungen zum Beispiel. Sie können keine Maske tragen, weil sie sonst Atemnot bekommen und kollabieren könnten. Einige Supermärkte verweigern diesen Menschen trotz eines entsprechenden Attests eines Facharztes den Zutritt. In den sozialen Medien finden sich zuhauf derartige Erfahrungsberichte und gerade Discounter spielen hierbei eine unrühmliche Rolle. Die Staatszeitung fragte deshalb beim bayerischen Justizministerium nach, ob es rechtens ist, diese Personen „auszusperren“.
Der Einzelfall ist entscheidend
Zwar äußert sich das Justizministerium laut einem Sprecher grundsätzlich nicht zu konkreten Einzelfällen und kann insofern auch keine Rechtsberatung leisten, doch für die Frage, ob ein Supermarktbetreiber bestimmten Personen den Zutritt verweigern kann, seien vor allem die zum Hausrecht entwickelten rechtlichen Grundsätze entscheidend. Danach könne der Eigentümer beziehungsweise Besitzer einer Immobilie grundsätzlich frei entscheiden, wem er zu welchen Bedingungen den Zutritt zu seinen Räumen gestattet und wem er ihn verwehrt. Bei für frei zugänglichen Örtlichkeiten wie zum Beispiel Supermärkten könne der Entscheidungsspielraum jedoch begrenzt sein. „Einschränkungen können sich etwa aus den Vorgaben des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes oder aus einer sogenannte Drittwirkung der Grundrechte ergeben“, so der Ministeriumssprecher.
Solche Einschränkungen kämen auch dann in Betracht, wenn Supermarktkunden aus gesundheitlichen Gründen keine Mund-Nasen-Bedeckung tragen. So bestimme das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), dass bei Geschäften des täglichen Lebens (sogenannten Massengeschäften) eine Benachteiligung wegen einer Behinderung unzulässig ist, wenn für diese Benachteiligung kein sachlicher Grund vorliegt. Ein sachlicher Grund könne insbesondere dann vorliegen, wenn die unterschiedliche Behandlung der Vermeidung von Gefahren, der Verhütung von Schäden oder anderen Zwecken vergleichbarer Art dient.
„Supermarktbetreiber könnten als sachlichen Grund etwa die Ansteckungsgefahr für andere Kunden, Spannungen zwischen Kunden mit und ohne Maske oder einen im Einzelfall schwierigen Nachweis der Befreiung von der Maskenpflicht vorbringen“, erläutert der Sprecher des Justizministeriums. Ob derartige Erwägungen jedoch für eine Rechtfertigung ausreichen, sei in der Rechtsprechung bislang noch nicht abschließend geklärt. Hier gelte es auch zu beachten, dass die betroffenen Personen gegebenenfalls auf die Einkaufsmöglichkeiten vor Ort angewiesen sind.
Auf den Gleichheitsgrundsatz berufen
Sofern im Einzelfall das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz nicht zur Anwendung kommt (zum Beispiel weil keine Behinderung im Sinne des AGG vorliegt), könnten sich die betroffenen Kunden unter Umständen mittelbar auf den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Grundgesetz (GG) berufen. Dieser gelte zwar unmittelbar nur im Verhältnis zwischen Staat und Bürger, könne aber auch in rein privatrechtlichen Rechtsbeziehungen eine sogenannte Drittwirkung entfalten. Auch bei Art. 3 GG sei entscheidend, ob ein sachlicher Differenzierungsgrund vorliegt.
„Sofern aus dem Verhalten eines Supermarktbetreibers etwa ein Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz abgeleitet werden kann, steht dem Betroffenen grundsätzlich die Möglichkeit offen, Unterlassungsklage zu erheben“, erläutert der Ministeriumssprecher. Unter Umständen könne auch ein Schadensersatzanspruch in Betracht kommen.
Im Ergebnis werde es bei der Beurteilung der von der Staatszeitung gestellten Fragen aber ganz wesentlich auf die konkreten Umstände des Einzelfalls ankommen. „Dabei stellen sich Abwägungsfragen, für deren Beantwortung die unabhängigen Zivilgerichte zuständig sind“, so der Sprecher. Dem könne seitens des Justizministeriums nicht vorgegriffen werden.
Antidiskriminierungsstelle des Bundes intervenierte
Bevor die Angelegenheit aber vor Gericht geht, können sich Betroffene bei den Antidiskriminierungsstellen (betreiben die großen Kommunen in Bayern, oder der Bund) Hilfe holen. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes zum Beispiel hat sich im Fall einer Kundin mit Lungenfunktionsstörung an einen Elektronikfachmarkt gewandt, der diese Frau trotz Attest nicht ohne Maske in seine Geschäftsräume lassen wollte. Es konnte eine Lösung vermittelt werden; Der Fachmarkt bietet Kund*innen, die keine Maske tragen können, ab sofort frisch desinfizierte Visiere für die Dauer ihres Einkaufs an. Auch andere Einzelhandelshäuser haben sich gegenüber der Antidiskriminierungsstelle des Bundes bereit erklärt, Ausnahmeregelungen zu schaffen.
Zu den Rewe-Märkten in Deutschland zum Beispiel haben Kunden, die aus medizinischen Gründen keine Maske tragen und dies auch mit einem fachärztlichen Attest belegen können, ungehindert Zutritt. Voraussetzung: Sie haben das Attest dabei.
(Ralph Schweinfurth)
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