Wirtschaft

Wissenschaftler formen einen Nanopartikel an der Technischen Universität in Braunschweig. (Foto: dpa)

05.05.2017

Unheimliche Teilchen

Gefährden Nanopartikel in Lebensmitteln und Verpackungen die Gesundheit der Menschen? Studien geben Anlass zur Sorge

Kaum zu glauben, aber Nano-partikel verhalten sich in ihrer Größe wie eine kleine Haselnuss zum gesamten Erdball. So leitet sich das Wort vom griechischen „Nanos“ für Zwerg ab. Trotzdem sind diese Winzlinge extrem leistungsstark und fast schon nicht mehr aus dem Alltag wegzudenken. Kein Wunder, dass die Nanotechnologie schon seit Jahren als die Schlüssel- und Querschnittstechnologie des 21. Jahrhunderts ausgelobt wird. Sie spielt in nahezu allen Branchen eine tragende Rolle: Energie, Elektronikbranche, Umwelt, Pharmazie, Medizin, Lebensmittel, Kosmetik, Kommunikation, Flächenveredelung und vieles mehr.

Die Industrie sieht nur Vorteile


Aber was macht Nanoteilchen für die Industrie so begehrenswert? Das rührt daher, dass Partikel in Nanogröße meist völlig andere physikalische oder chemische Eigenschaften aufweisen als größere Teilchen des gleichen Stoffs. Zum Beispiel lässt sich Keramik in Nanogröße biegen oder andere Materialien und Stoffe leiten Strom oder verändern den Schmelzpunkt. Insgesamt reagieren Nanopartikel häufig schneller und intensiver als größere Teilchen, weil sie bei gleichem Gesamtvolumen eine wesentlich größere Oberfläche besitzen.

Nanoteilchen sind zum Beispiel in Form von Titan- und Zinkoxidpartikel in vielen Sonnenschutzmitteln enthalten. Damit Instantsuppen, Kaffeepulver und Salz sich nicht verklumpen (Rieselhilfe), versetzt die Lebensmittelindustrie sie mit Siliziumdioxid. Wogegen Kaugummis, Joghurtdressings, Schokolinsen und Dragees das Nanopartikel Titandioxid beigemischt wird, um richtig weiß zu strahlen. Darüber hinaus werden künstlich hergestellte Nanopartikel auch in vielen Haushaltsreinigern, Brillenputztüchern, Textilien und Imprägniersprays mit Treibgas verarbeitet. So verwundert es kaum, dass die Produkte mit künstlichen Nanopartikeln am Markt stetig ansteigen und Mensch wie Umwelt verstärkt Nanopartikeln ausgesetzt sein werden. Dagegen ist über die Wirkung von Nanoteilchen auf Menschen und Umwelt bisher nur sehr wenig bekannt. Offenbar hinkt die Erforschung der möglichen Risiken der Vermarktung weit hinterher.

Auf mögliche Gefahren wies bereits vor Jahren der Toxikologe Günter Oberdörster von der US-amerikanischen Universität Rochester hin. Demnach könnten Nanopartikel im Körper Entzündungen hervorrufen, wenn sie über Nahrung aufgenommen werden, über die Darmwand ins Blut und so zu den Organen gelangen. Auf diese Weise kann auch die Blut-Hirn-Schranke passiert werden. „Je kleiner die Nanopartikel sind, umso größer ist die Gefahr der Ablagerung in diversen Organen“, erklären Professor Andreas Zimmer und Professor Eva Roblegg, Institut für Pharmazeutische Wissenschaften der Universität Graz.

Nanolager im Körper


Was solche „Nanolager“ dann im Körper schließlich anrichten, hängt von der Beschaffenheit der jeweiligen Materialien ab. Biologisch abbaubare Stoffe werden vom Körper zersetzt und ausgeschieden. Biologisch nicht abbaubare Nanopartikel sind für die Forscher jedoch ein großes Problem, da über deren Auswirkungen nur wenig bekannt sei.

Ebenfalls nicht unbedenklich ist die Verarbeitung von antibakteriell wirkenden Nanosilberpartikeln in Textilien. Ein großer Teil der Teilchen gelangt schon nach wenigen Waschgängen ins Abwasser, das wiederum im Klärwerk landet. Dort verbleiben rund 90 Prozent des Nanosilbers im Klärschlamm. Das berichtet Karsten Schlich vom Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Ökologie in Schmallenberg. Natürlich schadet das Nanosilber den Bakterien in den Kläranlagen nicht, erklärt Schlich, aber in manchen Regionen wird Klärschlamm auf landwirtschaftlich genutzten Feldern gebracht. So kommt Nanosilber in die Böden.

Einen weiteren Grund zur Sorge bereitet Nanosilber: In Laborversuchen haben schon sehr kleine Mengen Schäden an Wasserlebewesen hervorgerufen. Dies fand eine Studie von Professor Ralf Schulz vom Institut für Umweltwissenschaften Landau an der Universität Koblenz-Landau heraus.

Risikoabschätzung? Leider Fehlanzeige


„Die Studie untermauert, dass Nanomaterialien aufgrund ihrer besonderen Eigenschaften überraschende Wirkungen hervorrufen können“, erklärt Schulz. „Daher reichen klassische Untersuchungen und Risikobewertungen nicht aus. Die Zulassungsbehörden müssen sich zügig für eine Weiterentwicklung und Einführung angepasster Tests einsetzen, um auch langfristige Risiken zuverlässiger bewerten zu können. Schließlich gelangen Nanopartikel dauerhaft in die Umwelt.“
Mittlerweile müssen Kosmetikprodukte, Lebensmittel und Biozide mit künstlichen Nanopartikeln für Verbraucher gekennzeichnet werden. Wobei sich der Streit schon alleine daran entzündet, wie die einzelnen Interessensvertreter Nanopartikel definieren oder eben auch gerne „wegdefinieren“. Fakt ist: Wissenschaftlich eindeutig belastbares Material zu den Gefahren gibt es noch nicht. Daher auch kein Grund zur Panik! Warum aber immer noch Unmengen von Nanoteilchen verwendet werden dürfen, ohne dass eine korrekte Risikoabschätzung erfolgt ist, dürfte weiterhin ein Geheimnis bleiben.
(Otto Geißler)

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