Wirtschaft

Der inhaftierte Audi-Vorstandschef Rupert Stadler ist nur beurlaubt, auf eigene Bitte. Selbst wenn ein Aufsichtsrat wollte, könnte er einen Topmanager nicht einfach vor die Tür setzen. (Foto: dpa)

20.06.2018

Unternehmen und ungeliebte Chefs mögen die sanfte Trennung

Vorstände landen bei einem Rauswurf meist weich

Wie wird man einen Vorstand los? Der inhaftierte Audi-Vorstandschef Rupert Stadler ist nur beurlaubt, auf eigene Bitte. Selbst wenn ein Aufsichtsrat wollte, könnte er einen Topmanager nicht einfach vor die Tür setzen.
Stadler wurde von seinen Aufgaben vorübergehend entbunden, "bis der Sachverhalt geklärt ist, der zu seiner Verhaftung geführt hat" - so teilte es das Unternehmen mit. Aus der Haftzelle heraus kann er ja keinen Konzern lenken. Aber selbst wenn Stadler in Kürze aus der Untersuchungshaft entlassen würde, bliebe er freigestellt und Bram Schot der kommissarische Vorstandschef, heißt es aus Konzernkreisen. Wenn die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen einstellen würde oder ein Gericht ein Urteil verkündet hätte, dann müsste der Aufsichtsrat neu entscheiden. Aber eigentlich sei eine Rückkehr Stadlers politisch ausgeschlossen.
Eine Kündigung aber ist eine ganz andere Hausnummer, wie der Konstanzer Arbeitsrechtler Rolf Stagat erklärt. Der Vorstand einer Aktiengesellschaft ist kein Arbeitnehmer, sondern "Dienstnehmer". Sein Dienstvertrag regelt Vergütung und Pensionsansprüche und läuft in der Regel nur fünf Jahre. Davon zu unterscheiden ist seine Funktion im Vorstand. Der Aufsichtsrat kann den Dienstvertrag kündigen oder den Manager aus dem Vorstand abberufen - aber nur aus "wichtigem Grund". Und was ein wichtiger Grund ist, ist im Gesetz nicht näher beschrieben. "Aber die Hürden liegen hoch", sagt der Fachanwalt für Arbeitsrecht.
Die Rechtsprechung hat im Laufe der Zeit einige Eckpunkte verankert. Oft geht es um strafrechtliche Delikte. "Wenn jemand durch eine Straftat seinem Unternehmen schadet, ist das ein wichtiger Grund, seinen Anstellungsvertrag zu kündigen", sagt Stagat. Das geschieht immer fristlos, durch außerordentliche Kündigung.
Auch wenn ein Vorstand seine Sorgfaltspflicht verletzt und dadurch seinem Unternehmen schadet, kann das Grund für Kündigung und Schadenersatzforderungen sein. Wenn durch persönliches Verhalten das Firmenimage leide und Kunden sich abwendeten, sei ebenfalls eine Abberufung oder Kündigung denkbar.
Schwieriger wird es, wenn ein Vorstand aus gesundheitlichen Gründen sein Amt nur noch eingeschränkt ausüben kann. "Das kann ein Grund für seine Abberufung als Vorstand sein. Aber es würde noch nicht reichen für eine Kündigung", sagt Stagat. Krankheit sei ja selten selbst verschuldet. In jedem Fall kann der betroffene Vorstand vor dem Landgericht klagen. Deshalb muss der Aufsichtsrat Gründe vorlegen können, die vor Gericht standhalten.
"Ein Aufsichtsrat kann überlegen, ob schon das Negativimage dem Unternehmen so schadet, dass er die Reißleine ziehen darf", sagt der Arbeitsrechtler. Doch wenn Ermittlungen im Sande verlaufen, steht der Vorstand mit weißer Weste da: "Die Kündigung wäre unberechtigt."
Auch eine Anklage ist noch keine Verurteilung - viele Prozesse endeten mit Freisprüchen. Das hat auch die Münchner Staatsanwaltschaft schon erfahren: Der ehemalige Infineon-Chef Ulrich Schumacher wurde wegen Bestechlichkeit angeklagt und freigesprochen. Die ehemaligen Deutsche-Bank-Chefs Rolf Breuer, Josef Ackermann und Jürgen Fitschen wurden wegen versuchten Betrugs angeklagt und freigesprochen. Den Prozess gegen den früheren Chef der Bank Hypo-Real-Estate, Georg Funke, stellte das Landgericht ohne Urteil ein.
Wenn sich ein Unternehmen von einem Vorstand trennen will, geht das in der Regel geräuschlos mit einem goldenen Handschlag. Die meisten Firmen wollen einen Streit auf offener Bühne vermeiden. "Die ungeschriebene Regel: Je höher die Position, umso unwahrscheinlicher ist ein Prozess", sagt Stagat. Einem nicht mehr gewollten Vorstand gehe es meist auch vor allem um sein Gehalt bis zum Ende der Vertragslaufzeit und um seine Pensionsansprüche. "Dann wird ein Paket ausgehandelt." Das war bei VW-Konzernchef Martin Winterkorn so, mit gut 3000 Euro Rente täglich, und auch die sechs Audi-Vorstände, die seit 2015 vorzeitig gehen mussten, klagten nicht.
Stadlers Vertrag bei Audi läuft noch bis Ende 2022. Im Untersuchungsgefängnis in Augsburg werden seine Briefe kontrolliert, jeder Besuch muss genehmigt werden, und mit Besuchern darf er nur im Beisein eines Justizbeamten reden, nur auf deutsch und nicht über die Tatvorwürfe, wie die Staatsanwaltschaft erklärt.
Sein Verteidiger kann Haftbeschwerde beim Oberlandesgericht einlegen oder bei der Ermittlungsrichterin am Amtsgericht Haftprüfung beantragen, wenn es einen neuen Sachverhalt gibt. Wenn der dringende Tatverdacht oder die Verdunkelungsgefahr entfallen würden, wäre er sofort zu entlassen, sagt ein Sprecher der Staatsanwaltschaft. Bei einer Verurteilung wegen Betruges aber drohen im äußersten Fall bis zu 15 Jahre Haft.

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