Wirtschaft

Eine gewisse Volatilität ist für Daytrader grundsätzlich positiv, da sie Preisbewegungen zum Traden brauchen. (Foto: dpa/Jaap Arriens)

06.06.2025

"Viele scheitern an Gier, Angst oder Ungeduld"

Finanzexperte Tim Grüger spricht im BSZ-Interview über Chancen und Risiken des Daytradings, die Nutzung von technischen Tools und künstlicher Intelligenz an den Börsen sowie die Gefahren für Neulinge in sozialen Netzwerken

Marktbewegungen durch politische Aussagen, wie zuletzt von Donald Trump, zeigen: Für Trader zählen Reaktion und Strategie. Volatilität bietet Chancen, birgt aber auch Risiken – besonders für Anfänger. Disziplin, Risikomanagement und Nachrichtenverständnis sind entscheidend. Technische Tools und KI helfen, ersetzen aber kein klares System. Viele unterschätzen psychologische Hürden wie Gier oder Angst. Trading ist kein schnelles Geld, sondern ein anspruchsvolles Handwerk. Wer den passenden Stil findet, seriöse Plattformen wählt und systematisch lernt, hat langfristig bessere Chancen, sagt Mit Tim Grüger von TradingFreaks im BSZ-Interview.

BSZ: Herr Grüger, nach der Ankündigung neuer US-Strafzölle durch Donald Trump sind die Aktienkurse eingebrochen. Kurz danach sagte Trump öffentlich, es sei ein guter Zeitpunkt zum Kaufen. War das aus Ihrer Sicht gezielte Marktmanipulation – und wie reagieren Trader auf so etwas?
Tim Grüger: Trumps Aussage, es sei ein guter Zeitpunkt zum Kaufen, nachdem die Kurse durch seine eigene Ankündigung von Strafzöllen eingebrochen waren, wirkt zumindest taktisch. Ob es juristisch Marktmanipulation war, ist schwer zu beweisen, aber aus Tradersicht war es definitiv ein marktrelevanter Eingriff. Viele professionelle Trader stellen sich darauf ein, dass politische Akteure wie Trump durch Tweets oder Statements Kurse kurzfristig stark bewegen. Solche Ereignisse nennt man „Event-Risiken“, und sie führen oft zu kurzfristiger Volatilität, was für erfahrene Trader Chance und Risiko zugleich ist.

BSZ: Die Märkte schwankten in den letzten Wochen stark – war das für Daytrader eher ein Monat voller Chancen oder voller Stolperfallen?
Grüger: Eine gewisse Volatilität ist für Daytrader grundsätzlich positiv, da sie Preisbewegungen zum Traden brauchen. In einem ruhigen Markt ist es schwerer, Gewinne zu erzielen. Aber zu starke Schwankungen bringen auch ein erhöhtes Risiko, besonders bei plötzlichen Richtungswechseln. Für disziplinierte Trader mit einer präzisen Strategie und professionellem Risikomanagement war es ein chancenreicher Monat. Für Anfänger, ohne klare Regeln und strukturiertes Handeln, war es hingegen eher ein Stolperfeld. Zu viel Bewegung kann auch überfordern. 

BSZ: Wie wichtig ist es für Trader, aktuelle Nachrichten wie politische Entscheidungen oder Wirtschaftsdaten bei ihren Handelsstrategien zu berücksichtigen?
Grüger: Sehr wichtig. Fundamentale Nachrichten wie Zinsentscheidungen, Inflationsdaten oder politische Spannungen beeinflussen die Märkte massiv. Viele Trader handeln gezielt um solche Ereignisse herum – etwa durch „News Trading“ – oder sie vermeiden Trades in extrem volatilen Phasen. Auch intelligente Trading-Software und KI-gestützte Analyseplattformen beziehen Nachrichtenströme ein. Wer aktuelle Entwicklungen ignoriert, handelt blind.

BSZ: Viele glauben, mit Daytrading könne man schnell Geld verdienen. Stimmt das – und welche Denkfehler beobachten Sie bei Einsteigern am häufigsten?
Grüger: Kurzfristig vielleicht. YouTube, Instagram, Twitch oder TikTok haben sich dabei zu neuen Taktgebern entwickelt. Tutorials und Tipps versprechen allzu oft einen schnellen, einfachen Einstieg ins Trading. Der schnelle Kauf und Verkauf von Werten ist allerdings kein Selbstläufer Richtung Rendite – schon gar nicht für Neulinge. Und genau hier liegt die erste Hürde: Der Eindruck trügt. Hohe Handelsfrequenzen, schnelle Entscheidungen und komplexe Abläufe machen das Daytrading zur echten Herausforderung. Wer hier bestehen will, braucht mehr als Glück – nämlich Geduld, Disziplin und ein klares System. Andernfalls kann der Markt gegen den Trader arbeiten. Entsprechend wichtig ist es, die Grundprinzipien zu verstehen und darauf aufzubauen. Vor allem Anfänger unterschätzen dabei die Bedeutung von Risiko- und Geldmanagement. Viele von ihnen traden zu oft, ohne Plan oder halten an Verlusttrades fest. Gerade für Einsteiger ist es entscheidend, auf welchen Plattformen sie handeln – viele geraten an Fake Broker oder betrügerische Handelsplattformen, die seriös wirken und professionell beworben werden. Ein Blick ins Impressum kann bereits Aufschluss geben: Fehlen Angaben wie Anschrift, E-Mail-Adresse, ein vertretungsberechtigter Ansprechpartner oder ein Handelsregistereintrag mit Nummer, sollten die Alarmglocken läuten. Auch überzogene Renditeversprechen und zeitlich befristete Angebote, die keine gründliche Risikoabwägung zulassen, sind typische Maschen unseriöser Anbieter. Nur wer Daytrading als strukturiertes Geschäft betrachtet und nicht als Glücksspiel, hat ein Fundament für nachhaltige Gewinne – aber das erfordert Zeit, Erfahrung und kontinuierliche Selbstreflexion.

"Viele geraten an Fake Broker oder betrügerische Handelsplattformen"

BSZ: Trotz vieler Tools und künstlicher Intelligenz schaffen es nur wenige Trader, dauerhaft profitabel zu bleiben. Woran liegt das?
Grüger: Es stimmt, dass Studien zufolge langfristig nur etwa 10 bis 20 Prozent der Daytrader nachhaltige Gewinne erzielen. Dabei hängt Erfolg oder Misserfolg nicht unbedingt von KI-gestützten Tools ab. Sie helfen zwar bei der Analyse oder der Auswertung von historischen Daten sowie ökonomischen Kennzahlen, aber nicht beim eigenen Verhalten. Vor allem Neulinge scheitern an ihren Emotionen – an Gier, Angst oder Ungeduld. Daher sind Psychologie und Disziplin entscheidende Faktoren. Tatsächlich braucht es Know-how und Monate der Praxis, um ein tragfähiges System mit klaren Regeln zu entwickeln. Mithilfe eines Demokontos können Strategien im Vorfeld ausgetestet werden und das Führen eines Trading Journals hilft beim Reflektieren eigener Entscheidungen.

BSZ: Programme, die automatisch Kauf- oder Verkaufssignale liefern, sind im Trend. Können diese wirklich helfen – oder verunsichern sie eher?
Grüger: Sie können helfen, wenn man sie versteht. Automatisierte Signale bieten Orientierung, aber sie ersetzen nicht das eigene Denken. Sinnvoll sind sie als Ergänzung, nicht als Ersatz. Profis nutzen solche Tools zur Bestätigung ihrer Analysen, nicht als alleinige Entscheidungsbasis und um weniger Zeit vor dem Bildschirm verbringen zu müssen. Trader sollten präzise Regeln festlegen, etwa für Ein- und Ausstieg. Dann machen Stop-Loss-Orders oder Take-Profit-Orders Sinn, die automatisch Gewinne realisieren, sobald ein Ziel erreicht ist.

BSZ: Wenn jemand gerade mit dem Trading beginnt: Wie findet man heraus, ob man eher für Daytrading, Swingtrading oder eine andere Strategie geeignet ist?
Grüger: Jeder Ansatz birgt eigene Herausforderungen. Aktive Trader, die blitzschnelle Entscheidungen treffen können, fühlen sich oft mit dem sogenannten Scalping wohl. Hier werden Positionen meist wenige Sekunden bis maximal 30 Minuten gehalten. Ziel ist es, durch viele kleine Gewinne ein Gesamtplus zu erzielen. Beim Daytrading hingegen bleiben Positionen meist mehrere Stunden offen, werden aber innerhalb eines Handelstages geschlossen – etwa über Stop-Loss oder Take-Profit. Swingtrading bietet hingegen einen entspannteren Rhythmus: Positionen bleiben mehrere Tage oder Wochen im Markt, um von mittelfristigen Kursbewegungen zu profitieren. Noch langfristiger agieren Positionstrader, die Finanzprodukte über Wochen, Monate oder sogar Jahre halten, um von stabilen Trends zu profitieren. Auch hier helfen Demokonten, um den Stil zu finden, der zeitlich, mental und strategisch zu einem passt. Nur so lässt sich beispielsweise Overtrading vermeiden, also das übermäßige Eingehen von Positionen ohne klare Strategie. (Interview: David Lohmann)

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