In der Welt der Informatik ist sie als Visionärin ein Begriff: die Engländerin Ada Lovelace (1815-1852), Entwicklerin des ersten Computerprogramms. Bereits damals hat sie Vorüberlegungen zur möglichen künstlichen Intelligenz von Maschinen angestellt, die systematische Verarbeitung von Informationen vorausgesehen und damit die Grundlagen für Analytics nach unserem heutigen Verständnis geschaffen.
So lag es nahe, sie als Namensgeberin für ein neues Zentrum zu nehmen, das das Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen (IIS) mit seiner Arbeitsgruppe für Supply Chain Services (SCS) am Standort Nordostpark in Nürnberg eingerichtet hat. Dort steht die Forschung rund um die künstliche Intelligenz (KI) im Mittelpunkt – in weitgehender Partnerschaft mit Wirtschaft und öffentlicher Hand.
Daten sind der Rohstoff der digitalen Welt. Ihre Beherrschung, Analyse und Auswertung ist für Unternehmen von zentraler Bedeutung, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Politik hat das erkannt und Nägel mit Köpfen gemacht: Drei Milliarden Euro sollen bis 2025 vom Bund in die KI investiert werden, der Freistaat steuert bis 2023 zwei Milliarden bei, um Bayern in diesem Sektor an die Weltspitze zu bringen. 20 Millionen davon – so bei der Auftaktveranstaltung die Amtschefin im Wirtschaftsministerium, Sabine Jarothe – fließen als staatliche Fördermittel in das Nürnberger ADA Lovelace Center.
Diese einzigartige Kooperationsplattform in Bayern wird unterstützt von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, der Ludwig-Maximilians-Universität München sowie den Fraunhofer-Instituten für Kognitive Systeme (ESK) in München und für Integrierte Systeme und Bauelementetechnologie (IISB) in Erlangen. Partnerschaften bestehen zum Georgia Institute of Technology in Atlanta/USA und dem Risken Institute für Advanced Intelligence in Tokio/Japan. Für Nürnbergs Wirtschaftsreferenten Michael Fraas bringt die neue Einrichtung, von der IHK Nürnberg für Mittelfranken positiv begleitet, bei einem der wichtigsten Zukunftsthemen einen Schub für den Wirtschaftsstandort.
Schnelle Vernetzung
Durch die unproblematische und schnelle Vernetzung zwischen Unternehmensvertretern und Spitzenforschern wird der KI-Einsatz an konkreten Projekten realisiert – angefangen bei der Durchführung von Machbarkeitsstudien bis hin zu maßgeschneiderter Software.
Unternehmensmitarbeiter werden in Schulungen, Workshops, Messen und durch den Austausch vor Ort qualifiziert. Der Fokus liegt dabei vor allem auf Anwendungen in den Bereichen Produktion, Mobilität, Logistik und Gesundheit. Ausgestattet mit einem Coworking Space und Laborgemeinschaften erhält es auch einen Showroom – quasi als KI-Erlebniswelt. Zudem engagiert sich das Zentrum für den Transfer von qualifiziertem Nachwuchs, Studierenden und jungen Wissenschaftlern in die Wirtschaft.
Der Schulterschluss – wie stellt er sich in der Praxis dar, an welchen Beispielen können Interessenten erkennen, wie und wo Kooperationen möglich sind? Da gibt es die BSH Hausgeräte GmbH in Fürth, einer der größten Produzenten in Europa. Das Ziel war klar: hohe Kosten, die durch Lagerung von Ersatzteilen entstehen, zu senken. Dank einer Langzeitprognose kann das Unternehmen jetzt Lagerräume besser nutzen, Über- und Unterdeckung reduzieren und Verschrottungskosten minimieren.
Optimiertes Fahrverhalten
Oder die Verkehrs-Aktiengesellschaft Nürnberg: Durch ein optimiertes Fahrverhalten bei den U-Bahn-Zügen, das „Ausnutzen von Freiheitsgraden in der Fahrplanerstellung“, konnte die Energieeffizienz gesteigert werden. Für Alexander Martin, neben Albert Heuberger und Bernhard Grill einer der drei Institutsleiter bei Fraunhofer IIS und für das ADA Lovelace Center zuständig, bringt das Cash-Management bei einer großen Bank 15 Prozent Kosteneinsparung, würde man die Einlagen in den Geldautomaten, wo im Einzelfall bis zu 120.000 Euro lagern, auf die Bedürfnisse der Kunden optimieren.
Bei dem seit Juli 2016 laufenden Projekt „Digitales Dorf“ – ein von der Staatsregierung unterstützter Schwerpunkt innerhalb der Arbeitsgruppe SCS – soll mithilfe von neuen Informations- und Kommunikationstechnologien die Versorgung ländlicher Räume so optimiert werden, dass sich die Lebensqualität und damit die Attraktivität steigert – hinsichtlich vor allem des Handels, der medizinischen Versorgung und der Mobilität. Martin Schmid, Manager der als Modell für Nordbayern ausgewählten Steinwald-Allianz, ein Verbund aus 16 Gemeinden im Landkreis Tirschenreuth: „Das Fraunhofer-Team geht hochprofessionell, motiviert und engagiert an die Umsetzung heran. Bemerkenswert ist die Vielzahl der beteiligten wissenschaftlichen Bereiche, deren Arbeit dann zu einem großen Ganzen zusammengesetzt wird. Wir haben bisher das Gefühl, als ländlicher Raum in Randlage auf Augenhöhe mit der Wissenschaft zu kooperieren.“
Selbstständiges Wohnen fördern
Als ähnliches Beispiel dient das 8000 Einwohner umfassende „Digitale Gesundheitsdorf Oberes Rodachtal“ mit den drei Kommunen Nordhalben, Steinwiesen und Wallenfels im Landkreis Kronach. Mittels einer digitalen Plattform („DIGI-ORT“) werden dort ambulante Pflegedienste, Hausärzte sowie Bürger, Pflegebedürftige und deren Angehörige vernetzt, um – mit technikunterstützten Wohnformen und einem ehrenamtlichen Begleitdienst – ein selbstständiges Wohnen im eigenen Haus zu fördern.
Die durch die demografische Entwicklung, den kontinuierlichen Ärzteschwund und den Fachkräftemangel in der Pflege entstehende schwierige Situation in der gesundheitlichen Versorgung, insbesondere bei älteren und wenig mobilen Bürgern, soll dadurch weitgehend entspannt werden.
Die künstliche Intelligenz wird auf zahlreichen Feldern für tiefgreifende Veränderungen sorgen. Das Fraunhofer-Institut IIS mit 1050 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – wovon bis zu 300 dem ADA Lovelace Center zuarbeiten – und einem jährlichen Budget von 165 Millionen Euro, zu 74 Prozent aus der Auftragsforschung finanziert, ist an 15 Standorten in elf Städten präsent: in Erlangen als Hauptsitz, in Nürnberg, Fürth, Bamberg, Waischenfeld, Coburg, Würzburg, Deggendorf und Passau sowie in Dresden und Ilmenau. Alexander Martin: „Für eine erfolgreiche digitale Transformation braucht es tiefe methodische Kompetenz, die die Anforderungen des Anwendungsumfelds spezifisch berücksichtigt. Nur so kann jeweils eine zukunftsfähige Vision entwickelt werden.“
(Udo B. Greiner)
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