Wirtschaft

Der „Himbeerpalast“ ist in das Eigentum des Freistaats übergegangen und dient künftig der Universität Erlangen-Nürnberg. (Foto: Greiner)

21.09.2018

Vom Himbeer-Palast zum Campus

Ab 2024 residiert die Universität Erlangen-Nürnberg in einem denkmalgeschützten Gebäude der Wirtschaftswunderzeit

Der Kreis schließt sich: Als der damalige Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard am 1. April 1953 den zeitweisen Sitz der Siemens-Hauptverwaltung in Erlangen – ob seiner Fassadenfarbe „Himbeerpalast“ genannt – einweihte, würdigte er den großzügigen Bau als Symbol des Wirtschaftswunders. Jetzt ging das erste, 1991 als solches ernannte Erlanger Baudenkmal zu einem ungenannten Betrag in den Besitz des Freistaats über, um ab 2024 die derzeit in maroden Gebäuden untergebrachte Philosophische Fakultät und den Fachbereich Theologie der Friedrich-Alexander-Universität (FAU) aufzunehmen. Im Osten der Stadt entsteht währenddessen mit Baukosten von einer halben Milliarde Euro der neue Siemens-Campus – quasi Sinnbild der Wirtschaftskraft des aktuellen Deutschlands.

Ideale Voraussetzungen


Bei einem Festakt mit Bayerns Innenminister Joachim Herrmann und Wissenschaftsministerin Marion Kiechle (beide CSU) wurde an die Erlanger Konzernhistorie erinnert. Bereits kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs hatte die Berliner Unternehmensleitung entschieden, angesichts der unsicheren politischen Lage zentrale Abteilungen in den Westen zu verlagern. Man sah ideale Voraussetzungen in dem noch 1939 nur etwa 35.000 Einwohner großen Erlangen: Die Stadt hatte den Krieg weitgehend unzerstört überstanden, verfügte über eine Universität und lag verkehrsgünstig zu den bestehenden nordbayerischen Siemens-Werken. Die Stadtverwaltung reagierte und stellte ein 19.000 Quadratmeter großes Grundstück für den Bau eines repräsentativen Verwaltungsgebäudes zur Verfügung – architektonisch entwickelt nach dem Berliner Siemensstadt-Stil. Für überregionale Aufmerksamkeit sorgte damals eine „Hausverrollung“: Ein 1929 erbautes Doppelwohnhaus stand im Weg und konnte angesichts der großen Wohnungsnot nicht abgerissen werden. Die Lösung: Man hob das über 600 Tonnen schwere Gebäude einfach um knapp einen Meter an, stellte es auf Schienen und schob es zu seinem 130 Meter entfernten neuen Standort – womit Siemens mit dieser technischen Meisterleistung seine überragende Kompetenz unter Beweis stellen konnte.

Schon 2013 hatte Joachim Herrmann, selbst FAU-Student und Sohn des einstigen FAU-Rektors, den Himbeerpalast als Universitätsstandort ins Gespräch gebracht, unterstützt vom damaligen Oberbürgermeister Siegfried Ball-eis (CSU). Fünf Jahre später durfte der heutige FAU-Präsident Joachim Hornegger jubeln: „Jetzt habe ich nicht nur ein Schloss, sondern auch einen Palast.“ Und die Zukunftsperspektiven der innovativsten Universität in Deutschland sind damit noch nicht ausgereizt: Der Freistaat und die Siemens AG haben eine Rahmenvereinbarung unterzeichnet, nach der Teile der Technischen Fakultät auf das Gelände des Siemens-Campus ziehen sollen. Vergessen ist inzwischen, dass Ministerpräsident Markus Söder einst Teile der Technischen Fakultät der FAU nach Nürnberg verorten wollte. Seine Wissenschaftsministerin feierte jetzt die Zementierung am Standort Erlangen als beste Lösung („Ein Bestseller“). Das allerdings soll den Umfang der Siemens-Immobilien nicht schmälern. Ein Sprecher des Unternehmens: „Das Areal für die TechFak ist eine Optionsfläche, die frei geblieben ist. Im Moment ist vorgesehen, dass wir eins zu eins umziehen.“ Derzeit laufen die Bauarbeiten im ersten von insgesamt sieben Modulen. Bis 2020 entstehen hier acht Bürogebäude, drei Parkhäuser und eine Kantine für rund 7000 Mitarbeiter. Mit der Fertigstellung des gesamten Campus wird bis zum Jahr 2030 gerechnet. Siemens-Vorstand Klaus Helmrich nahm den Festakt zum Anlass, mitzuteilen, dass im zweiten Modul ein zentrales, repräsentatives Empfangsgebäude entstehen wird – allerdings nur halb so hoch wie das ursprünglich geplante Hochhaus.

Zu Differenzen geführt


Dessen Verschwinden aus den Planungen hatte zu Differenzen zwischen dem Siemens-Vorstand auf der einen und dem Betriebsrat sowie der Stadtspitze auf der anderen Seite geführt. Seine bis zum zweiten Stock verglaste Fassade wird aus den darüber liegenden Stockwerken aus Natursteinen aus dem Altmühltal gestaltet – genau wie beim neuen Siemens-Headquarter in München. Und wie vor diesem soll auch vor dem neuen Empfangsgebäude in Erlangen eine der insgesamt vier, jeweils zehn Meter hohen Wings-Skulpturen des berühmten Architekten und Künstlers Daniel Libeskind stehen.                
Dass sich die Akteure auf die Schulter klopften, ist nachvollziehbar. So sah Marion Kiechle den Wissenschaftsstandort Erlangen „nachhaltig gestärkt“ und Joachim Herrmann „großartige Meilensteine“ („Erlangen, Forschung auf Weltklasseniveau und das HighTech-Unternehmen Siemens gehören untrennbar zusammen“). Klaus Helmrich blieb da nicht zurück: „Mit dem Siemens-Campus bekräftigen wir unser Bekenntnis zum Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort Erlangen.“
(Udo B. Greiner)

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