Wirtschaft

Nürnberg soll eine neue Uni bekommen. Wie das Konzept aussieht, erläuterten (von links): Professor Wolfgang A. Herrmann (Präsident der TU München), Professorin Marion Kiechle (Bayerns Wissenschaftsministerin), Ministerpräsident Markus Söder, Innenminister Joachim Herrmann und Professor Joachim Hornegger (Präsident der FAU). (Foto: dpa)

06.07.2018

Von der alten Arbeiterstadt zur Technologiemetropole

Drei Milliarden Euro für die Wissenschaft in Erlangen und Nürnberg: Die Technische Uni Nürnberg soll bundesweiten Modellcharakter erhalten

Um die Innovationskraft der bayerischen Wirtschaft zu stärken, investiert der Freistaat in den kommenden 30 Jahren drei Milliarden Euro in die wissenschaftliche Infrastruktur im Großraum Nürnberg. Dabei wird bis 2025 in der Frankenmetropole eine völlig neuartige Universität mit „bundesweitem Modellcharakter“ entstehen.

„Mit dieser wissenschafts-, struktur- und wirtschaftspolitischen Maßnahme stärken wir nachhaltig den nordbayerischen Raum“, sagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) bei der Vorstellung der Investitionspläne im Anschluss an die Kabinettssitzung im Heimatministerium in Nürnberg. Seit 40 Jahren werde mit der Technischen Universtität Nürnberg (TUN) erstmals in Deutschland wieder eine neue Uni gegründet. Dabei betonte der Macher Söder, dass ihm der Name TUN ganz besonders gefällt, weil dieser schon impliziert, dass dort etwas getan wird. Rund 1,2 Milliarden Euro sind für den Aufbau der TUN vorgesehen, die ab 2025 ihren Studienbetrieb aufnehmen soll. Hierfür sind im Nürnberger Süden, auf frei werdenden Flächen des Rangierbahnhofs, etwa 40 Hektar vorgesehen. Allein der Erwerb des Areals durch den Freistaat kostet laut Söder etwa 90 Millionen Euro.

Technikexperten mit Social Skills statt Techniknerds ausbilden


„Wir wollen keine einseitigen Techniknerds, sondern international ausgewiesene Technikexperten mit Social Skills“, verdeutlichte Bayern Wissenschaftsministerin Marion Kiechle (CSU) die Zielsetzung der TUN. Die neue Uni soll 1800 bis 2000 Mitarbeiter haben und sechs „innovative Fächer“ anbieten. Mechatronic Engineering, Quantum Engineering, Biological Engineering, Computer Science and Engineering, Humanities and Social Sciences, Natural Sciences and Mathematics werden die sechs Departments an der TUN sein. Die Vorlesungen werden vorwiegend in englischer Sprache stattfinden. Technik-, Natur-, Sozial- und Geisteswissenschaften werden inter- und transdisziplinär zusammenwirken.

Rund 20 Prozent des Lehrumfangs sollen laut Professor Wolfgang Herrmann, Präsident der TU München und Leiter der Struk-turkommission, die das Konzept für die TUN ausarbeitet, aus dem Bereich der Sozial- und Geisteswissenschaften kommen. „Es geht hierbei um eine echte Verschränkung der Fächer und nicht um additive Module“, so der TU-Präsident. Er betonte auch, dass die TUN keine klassische Gliederung in Fakultäten, sondern in Forschungsdepartments erhalten wird. Wechselseitiger Austausch statt elfenbeinturmhaftes Vor-sich-hin-Forschen soll den Geist der TUN prägen. Söder sagte, die Eckpunkte der Kommission würden „für ein völlig neues universitäres Denken sorgen“. Außerdem ist eine enge Kooperation mit den in Nordbayern angesiedelten Helmholtz-, Max-Planck- und Fraunhofer-Instituten vorgesehen.

Besondere Betreuung


„Auch die Betreuung wird eine besondere sein“, unterstrich Herrmann. Zwar werde man nicht die 1:8 wie in der US-amerikanischen Eliteuni Stanford erreichen, aber mit 1:25 einen wesentlich besseren Betreuuungsschlüssel erhalten, als die gängigen ein Professor für 60 bis 90 Studierende, wie das in Deutschland gerade einmal an den besten Unis der Fall sei. Der TU-Präsident betonte auch, dass die TUN eine echte Campus-Universität werden soll. Hierzu gebe es die Option noch weitere 50 Hektar an Flächen erwerben zu können. Dann würden die Departments gemeinsam mit den Studentenwohnungen und den Wohnungen der Professoren an einem Ort konzentriert sein. Herrmann rechnet mit zehn Jahren, bis der Endausbau der TUN erreicht sein wird. Dann sei Platz für 5000 bis 6000 Studierende. Sie sollen möglichst über Gründerzentren erste Schritte in die freie Wirtschaft unternehmen.

Gerade diesen Aspekt begrüßt man bei der IHK Nürnberg für Mittelfranken besonders. „Wir sind der bayerischen Staatsregierung und Professor Herrmann sehr dankbar, dass sie den Belangen der Wirtschaft hier eine zentrale Rolle beimessen“, so IHK-Hauptgeschäftsführer Markus Lötzsch.

Doch nicht allein die international ausgerichtete TUN wird künftig den Wissenschaftsstandort Erlangen-Nürnberg prägen. Auch die alt-ehrwürdige Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), die heuer ihr 275-jähriges Bestehen feiern kann, wird mit rund 1,5 Milliarden Euro vom Freistaat massiv gestärkt. Das Kabinett beschloss, für die bisher auf mehrere Standorte verteilte Philosophische Fakultät der FAU den „Himbeerpalast“ in Erlangen zu kaufen – das denkmalgeschützte ehemalige Siemens-Hauptverwaltungsgebäude. Das rötliche Gebäude soll im Innenhof eine Bibliothek bekommen sowie einen Neubau in unmittelbarer Nachbarschaft. Damit werde das Gebäude, einem Symbol der Wirtschaftswunderzeit, zum „Geisteswissenschaftlichen Zentrum Erlangen“ (GWZ-ER).

Mit der Stadt-Umlandbahn zwischen den Fakultäten pendeln


Das Zentrum für Lehrerinnen- und Lehrerbildung in Nürnberg wird gestärkt, betonte FAU-Präsident Joachim Hornegger. Der bisherige Standort an der Regensburger Straße werde mittelfristig aufgegeben. Ziel ist, die Erziehungswissenschaften in einem neuen Gebäude im Nürnberger Norden und in räumlicher Nähe zum geplanten GWZ-ER unterzubringen. Über die künftige Stadt-Umlandbahn könnten die Studierenden sich dann schnell zwischen den einzelnen Fakultäten bewegen, betonte Söder.

Aber auch die Technische Fakultät der FAU soll erweitert und auf dem jetzigen Campus im Erlanger Süden zusammengeführt werden. Weitere angrenzende Flächen, die schon dem Staat gehören, sollen für die Uni nutzbar gemacht und ein Teil des nahegelegenen „Siemenscampus“ erworben werden. Die Fakultät sei von 1500 auf mehr als 11.000 Studenten gewachsen, betonte der FAU-Präsident.

TH Nürnberg wird erweitert


Abgerundet wird die Stärkung der wissenschaftlichen Infrastruktur im Großraum Nürnberg mit der räumlichen Weiterentwicklung der Technischen Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm. Neben dem gerade im Bau befindlichen Informationszentrum mit Bibliothek und Rechenzentrum wird für die zweitgrößte Hochschule für angewandte Wissenschaften in Bayern zunächst ein Technikum errichtet.

Darüber hinaus sollen ein Neubau für ein Zentrum für Metall- und Polymerforschung sowie ein Neubau für ein Zentrum für Medien, Kommunikation und IT errichtet werden. Insgesamt benötigt die TH Nürnberg mit 13.000 Studierenden zusätzliche Flächen für Forschung und Lehre von 30.000 Quadratmetern. Dieser soll durch die neuen innovativen Zentren gedeckt werden.

Das Investment des Freistaats bewertete Ministerpräsident Söder mit den Worten: „Das ist schon eine Riesennummer für die Region. Die alte Arbeiterstadt Nürnberg wird zur Technologiemetropole.“ Das sei vergleichbar mit dem wirtschaftlichen Aufschwung in Deggendorf und Straubing, den die Staatsregierung durch die Gründung der dortigen Hochschulen initiierte.

Auch Söders Parteifreund Michael Fraas, Wirtschaftsreferent der Stadt Nürnberg, bewertet die Kabinettsbeschlüsse ähnlich: „Der High Tech-Standort Nürnberg wird zu einem Innovations-Hub für Zukunftstechnologien. Besonders wichtig seiner Sicht ist der Technologietransfer: „Auch hier soll die Technische Universität Nürnberg neue Wege gehen. Das ist der Treibstoff für die technologiegetriebenen Unternehmen in der Metropolregion Nürnberg und für neue High-Tech-Gründungen.“
(Ralph Schweinfurth)

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