Wirtschaft

Wenn Bahnstrecken reaktiviert werden, werden sie meist auch gleich elektrifiziert. (Foto: Deutsche Bahn)

27.10.2023

Wann und wie es sich rechnet

Bahnstreckenreaktivierungen sind wieder en vogue – auch in Bayern

Derzeit wird wieder viel in der Öffentlichkeit über die Reaktivierungen stillgelegter Bahnstrecken gesprochen. Die Staatszeitung hat bei der Bayerischen Eisenbahngesellschaft (BEG) nachgefragt, wie die Pläne für den Freistaat aussehen.

Laut BEG sind die Reaktivierungen von Bahnstrecken sinnvoll, wenn sie sich in ein Gesamtverkehrskonzept, also mit angepassten Busverkehren, P+R-Parkplätzen, tariflichen Maßnahmen und vielem mehr integrieren lassen, wenn es eine entsprechend große Nachfrage durch Fahrgäste gibt und wenn sich Nutzen und Kosten in einem volkswirtschaftlich auskömmlichen Verhältnis bewegen. „Leere Züge tragen nicht zur CO2-Einsparung bei, und Züge, die parallel zu vorhandenen Buslinien fahren, schonen nicht das Klima. Deshalb ist in jedem Fall eine differenzierte Betrachtung nötig“, sagt BEG-Sprecher Wolfgang Oeser. Er verweist darauf, dass es in Bayern in der Vergangenheit weniger Stilllegungen von Strecken gab als in anderen Bundesländern.

1000er-Kriterium ist wichtig

Aktuell befinden sich die folgenden Projekte im Reaktivierungsprozess, nachdem dort bei einer von der BEG methodisch anerkannten Fahrgast-Potenzialanalyse das sogenannte 1000er-Kriterium (1000 Reisenden pro Werktag und pro Kilometer betriebener Bahnstrecke) erreicht worden ist:
– Schwaben: Nördliche Staudenbahn Langenneufnach – Gessertshausen (in Umsetzung, angestrebte Inbetriebnahme voraussichtlich im Juni 2027).
– Oberbayern: Münchner Nordring München-Karlsfeld – München-Johanneskirchen (aktuell erfolgen Kapazitätsuntersuchungen durch die DB Netz AG bezüglich der Integration von Zügen des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV) inklusive neuer Haltepunkte auf dem stark vom Schienengüterverkehr befahrenen Nordring).
– Unterfranken: Mainschleifenbahn Seligenstadt – Volkach / Astheim (derzeit erfolgt eine Nutzen-Kosten-Untersuchung (NKU) seitens der beteiligten Landkreise Würzburg und Kitzingen, um die Förderfähigkeit von erforderlichen Infrastruktur-Ausbaumaßnahmen ermitteln zu lassen. Darauf aufbauend erfolgt die weitere Detail-Planung. Die BEG berücksichtigt in ihren SPNV-Planungen für die Region Mainfranken ab 2028 rund um den Bahnknoten Würzburg bereits eine optionale stündliche Regionalbahn-Trasse Würzburg – Seligenstadt – Volkach-Astheim.
– Unterfranken: Strecke Lohr Bahnhof – Lohr Stadt.
– Oberpfalz: (Regensburg –) Maxhütte-Haidhof – Burglengenfeld (Infrastrukturgutachten und Fahrplan-Zielkonzepte für den SPNV rund um den Bahnknoten Regensburg berücksichtigen bereits eine optionale stündliche Regionalbahn-Linie Regensburg – Maxhütte-Haidhof – Burglengenfeld. Aktuell wird auch bei dieser Reaktivierungsstrecke eine NKU seitens des Landkreises Schwandorf geplant.
– Mittelfranken: Nördliche Romantische Schiene Dombühl – Dinkelsbühl – Wilburgstetten (Abstimmung der Fahrplankonzepte mit dem Verkehrsverbund Großraum Nürnberg (VGN) und dem Landkreis Ansbach im Rahmen neuer SPNV-Planungen der BEG auf der Anschlussstrecke Nürnberg – Ansbach – Crailsheim (– Stuttgart) ab Dezember 2024. Finanzierung der Infrastruktur-Ertüchtigung durch lokalen Eisenbahninfrastrukturbetreiber Mittelfränkische Eisenbahnbetriebs GmbH ist offen).
– Mittelfranken: Nordring Nürnberg
– Mittelfranken/Schwaben: Südliche Hesselbergbahn Nördlingen – Wassertrüdingen. Eine Nachfrageprognose des Verkehrsverbunds Großraum Nürnberg (VGN) ermittelte im Jahr 2021 für den südlichen Teil der Hesselbergbahn ein Nachfragepotenzial von knapp über 1000 Pkm/km unter der Voraussetzung einer Beschleunigung der heute im SPNV im Einstundentakt befahrenen sogenannten Riesbahn Donauwörth – Nördlingen – Aalen. In diesem Szenario könnten im Bahnhof Nördlingen attraktive Anschlüsse mit kurzen Umsteigezeiten von der Hesselbergbahn (Annahme: Verlängerung der ab Dezember 2024 geplanten Linie RB 62 Pleinfeld – Gunzenhausen – Wassertrüdingen weiter über Oettingen nach Nördlingen) zu den RB-Zügen der heutigen Linie RB 89 nach Aalen und nach Donauwörth (– Augsburg – München) hergestellt werden. Die infrastrukturellen Voraussetzungen für die Umsetzung dieses „Ideal-Konzepts“ sind derzeit weder auf der Riesbahn (zuständig: DB Netz AG) noch auf der südlichen Hesselbergbahn (zuständig: BayernBahn Infra GmbH) gegeben. Grundvoraussetzung für die erforderliche Fahrzeitverkürzung auf der Riesbahn zwischen Nördlingen und Donauwörth ist die Schließung des schwach nachgefragten Haltepunkts Wörnitzstein. Die angefragte Zustimmung des Landkreises Donau-Ries und der Stadt Donauwörth hierzu wurde aber bislang nicht erteilt.

Abstimmungen laufen

Für folgende Projekte laufen derzeit in Abstimmung mit der BEG beziehungsweise direkt bei der BEG Potenzialanalysen oder sollen demnächst beauftragt werden:
– Oberbayern: Fuchstalbahn Landsberg am Lech – Schongau
– Schwaben: Südliche Staudenbahn Langenneufnach – Türkheim

„Dass Reaktivierungen oft scheitern oder nur sehr langwierig vorangehen, kann an unterschiedlichen, manchmal auch kombiniert auftretenden Ursachen liegen“, erklärt BEG-Sprecher Oeser. So seien manchmal keine Gremienbeschlüsse möglich, weil die Reaktivierungskriterien durch alle betroffenen Regionen nicht anerkannt werden. Auch gebe es manchmal diametrale Ansichten für „das richtige Verkehrsmittel“ zwischen betroffenen Kommunen, Interessengruppen und weiteren regionalen Akteuren. Das sei zum Beispiel bei der Ilztalbahn (Passau – Waldkirchen – Freyung) so. Ein weiteres Hindernis könne die nicht ausreichende Nachfrage (1000er-Kriterium) sein oder Probleme bei der fahrplantechnischen Integration der Reaktivierungsstrecke ins DB-Bestandsnetz. Manchmal gebe es auch sehr hohe Investitionskosten oder hohe fachplanerische und gesetzgeberische Hürden.

Probleme bei der Finanzierung der Erstinvestitionen des jeweiligen Eisenbahninfrastrukturunternehmens, vor allem durch fehlende Wirtschaftlichkeit und dadurch nicht mögliche Bundesförderung oder Zurückhaltung der Banken für Darlehen wegen nicht ausreichender Sicherheiten. können laut Oeser Reaktivierungsvorhaben ausbremsen. Oder es gibt kein auskömmliches Nutzen-Kosten-Verhältnis.

Bereits realisierte Reaktivierungen

Es gibt in Bayern aber auch bereits realisierte Reaktivierungen von Bahnstrecken. Dies war durch den Übergang der Zuständigkeit für den SPNV auf den Freistaat möglich. So wurden in Oberbayern im November 2006 die Strecke Hörpolding – Traunreut, in der Oberpfalz im Dezember 2007 die Strecke Altenstadt – Neustadt an der Waldnaab, in Schwaben im Dezember 2013 die Strecke Senden – Weißenhorn und im Dezember 2015 die Strecke Selb – A(s) (Asch) wieder in Betrieb genommen.

Im Dezember 2024 startet in Mittelfranken voraussichtlich die Reaktivierung der Nördlichen Hesselbergbahn (Gunzenhausen – Wassertrüdingen). In Niederbayern findet seit September 2016 auf der Bahnstrecke Gotteszell – Viechtach ein vorerst befristeter Bahnbetrieb statt. „Zur Erreichung des 1000er-Kriteriums arbeitet der Landkreis Regen an der Umsetzung eines umfassenden ÖPNV-Gutachtens. Der Prozess wird durch einen regelmäßigen Runden Tisch begleitet“, so Oeser.

In Bayern nimmt man also Streckenreaktivierungen sehr ernst. Die geplanten Maßnahmen zeigen, dass der Freistaat dieses Thema permanent vorantreibt.
(Ralph Schweinfurth)

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