„Bei vielen unserer Betriebe wächst die Hoffnung, dass die Handwerkskonjunktur nach vier Jahren realer Umsatzverluste in diesem Sommer die Talsohle erreicht hat“, berichtete Franz Xaver Peteranderl, Präsident des Bayerischen Handwerkstags (BHT), bei der Vorstellung der neuesten Konjunkturzahlen. In den Konjunkturumfragen der bayerischen Handwerkskammern bewerteten 83 Prozent der befragten Betriebe ihre wirtschaftliche Lage im zweiten Quartal als gut oder befriedigend. Dies ist ein Plus von 2 Punkten gegenüber dem Vorjahresquartal. Vor allem das Bauhauptgewerbe mit plus 5 Prozent und das Gesundheitshandwerk mit plus 9 Punkten konnten deutlich zulegen.
Die durchschnittliche Betriebsauslastung blieb trotz Personalabbaus bei unverändert 79 Prozent. Drei Gruppen (Bauhauptgewerbe, Lebensmittel- und Gesundheitshandwerk) verzeichneten eine höhere Auslastung, drei einen Rückgang (Ausbau-, Kfz-Gewerbe und Zulieferer), während die Auslastung im Handwerk für den privaten Bedarf konstant blieb. Der Auftragseingang wurde laut Peteranderl von den bayerischen Betrieben etwas positiver eingeschätzt als noch zur Jahresmitte 2024: 19 Prozent der Befragten meldeten eine Zunahme (+ 3 Punkte), 26 Prozent einen Rückgang (– 4 Punkte). Damit hat sich der seit zwei Jahren andauernde Auftragsrückgang weiter verlangsamt, freute sich der BHT-Präsident. Im Schnitt hatten die befragten Betriebe Ende Juni Aufträge für 8,9 Wochen in ihren Büchern. Das sind 0,3 Wochen weniger als im Vorjahresquartal. Die Investitionsneigung der Handwerksunternehmen bleibt weiterhin erfreulich hoch, so Peteranderl: Im Berichtszeitraum investierten 42 Prozent in Maschinen, IT und Fuhrpark (+ 2 Punkte).
Das Bauhaupt-, das Ausbau- und das Kfz-Gewerbe sowie das Lebensmittel- und das Gesundheitshandwerk waren im Berichtszeitraum mit der Entwicklung ihrer Umsätze zufriedener als noch vor einem Jahr. Eine Trendwende wurde damit aber noch nicht erreicht. Nach BHT-Schätzungen haben die Handwerksbetriebe im Freistaat im ersten Halbjahr 68,4 Milliarden Euro umgesetzt. Das ergibt laut Peteranderl nominal eine schwarze Null. Nach Abzug der Preissteigerung stehe aber für das erste Halbjahr ein reales Minus von 2,9 Prozent.
Eine etwas
bessere Stimmung
„Auch wenn die Konjunktur im zweiten Halbjahr anziehen sollte, ist schon absehbar, dass es für das bayerische Handwerk aufgrund des schwachen Jahresstarts nicht für ein reales Umsatzwachstum im Gesamtjahr reichen dürfte“, erklärte der BHT-Präsident.
Sorgen bereitet Peteranderl die Beschäftigungsentwicklung: Seit 2022 dauert der Personalabbau im bayerischen Handwerk nun schon an. Betroffen sind vor allem das Bauhauptgewerbe, das Lebensmittelhandwerk und die Handwerke für den privaten Bedarf. Der BHT geht davon aus, dass die Zahl der im bayerischen Handwerk tätigen Personen im zweiten Quartal mit 939 400 Personen rund 1,3 Prozent unter dem Vorjahresniveau lag. „Wir rechnen zwar damit, dass sich der Abbau in der zweiten Jahreshälfte weiter verlangsamt. Eine Trendumkehr erwarten wir aber erst im Jahr 2026“, betonte Peteranderl.
Die Zahl der Handwerksbetriebe in Bayern betrug zur Jahresmitte rund 213 000 und lag damit 0,7 Prozent über dem Vorjahreswert. Mit Blick auf die zweite Jahreshälfte zeigen sich die Handwerksbetriebe laut Peteranderl ein wenig optimistischer als noch vor einem Jahr: 14 Prozent erwarten eine Verschlechterung ihrer Lage in den kommenden Monaten und 11 Prozent rechnen mit einer Verbesserung.
Zum „Investitionssofortprogramm“ und „Bau-Turbo“ erklärte der BHT-Präsident: „Die Bundesregierung setzt damit zentrale Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag um – vor allem die Wiedereinführung der degressiven AfA sowie eine stufenweise Senkung der Körperschaftsteuer. Das Maßnahmenpaket ist ein erster wichtiger Schritt, um Investitionen in kleinen und mittleren Unternehmen zu beschleunigen.“ Beim Bau-Turbo sollen vor allem Planung und Vergabe erleichtert werden, damit schneller und unbürokratischer gebaut werden kann.
Enttäuscht zeigte sich der BHT-Präsident, dass die Bundesregierung die für alle versprochene Senkung der Stromsteuer wieder einkassiert habe: „Hier wurde unnötig Vertrauen zerstört. Die Handwerksbetriebe hatten sich darauf verlassen, in der schwierigen wirtschaftlichen Lage mit international wettbewerbsfähigen Energiekosten planen zu können. Verlässlichkeit ist gerade in Zeiten wie diesen besonders wichtig und die Grundlage für Investitionen.“ Energieintensive Handwerke, wie zum Beispiel Textilreinigungen, brauchen ebenso bezahlbare Energie, wie industriell geprägte Großunternehmen. „Nur einzelne Teile der Wirtschaft zu entlasten, ist ungerecht und verzerrt den Wettbewerb. Das bayerische Handwerk fordert die Bundesregierung daher auf, ihre Entscheidung zu korrigieren und alle unsere Gewerke bei der Strompreiskompensation zu berücksichtigen.“
Auch müsse der Wust an Vorschriften weg. Der BHT fordert ein Sofortprogramm zum Abbau von Berichtspflichten und Nachweisen – im Bund und auf EU-Ebene. Darüber hinaus sollen die Sozialabgaben wieder dauerhaft unter 40 Prozent sinken, um Betriebe und Beschäftigte finanziell zu entlasten. Auch die im Koalitionsvertrag angekündigte Umstellung von einer täglichen auf eine wöchentliche Höchstarbeitszeit sowie steuerliche Anreize für Mehrarbeit hält der BHT für sinnvoll.
Die elektronische Arbeitszeiterfassung dürfe kein neues Bürokratiemonster werden, so Peteranderl. Bei der Anerkennung ausländischer Berufsab-schlüsse sollte weiterhin auf die Kompetenz aller Handwerkskammern gesetzt werden – ohne das hohe Ausbildungsniveau in Deutschland zu gefährden. (Friedrich H. Hettler)
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