Wirtschaft

Die Luegbrücke auf der Brennerautobahn muss dringend saniert werden. Staus sind vorprogrammiert. (Foto: Asfinag)

02.01.2025

Wenn’s am Brenner eng wird

Expertenrunde diskutiert in der IHK Nürnberg das Transportproblem über die Alpen

Für die bayerische Wirtschaft ist der Brennerpass die bedeutendste Verbindung über die Alpen. Seit 1. Januar 2025 wird der Autobahnverkehr auf der Luegbrücke in Tirol dauerhaft einspurig in beide Richtungen geführt, um das Bauwerk zu sanieren. An Tagen mit erhöhtem Verkehrsaufkommen wird eine innovative Verkehrsführung eingerichtet, bei der schwere Fahrzeuge über 3,5 Tonnen auf die innere, linke Spur wechseln. Pkw können beide Spuren nutzen. Diese Regelung greift an rund 170 Tagen Richtung Süden und 160 Tagen Richtung Norden. 15 zusätzliche Lkw-Fahrverbotstage sind allerdings notwendig und geben den Unternehmen Planungssicherheit. Ein Kontrollsystem überwacht die Einhaltung dieser Regelung. Fahrzeuge über 3,5 Tonnen, die sich nicht an die Spurvorgaben halten, werden automatisch abgeleitet und korrekt eingewiesen.

Seit Jahreswechsel bietet die Verkehrsauskunft Österreich ein kostenfreies Lkw-Routing-Tool an, das Optionen für die Italienverkehre über den Brenner aufzeigt. Es werden neben den landeseigenen Verkehrsdaten die Daten aus den Nachbarregionen Bayern, Schweiz und Südtirol in Echtzeit eingespielt. Außerdem wird das Fahrplanangebot der „Rollenden Landstraße“ ab Wörgl hinterlegt.

Politik sieht nicht hin

„Von der einspurigen Verkehrsführung der Luegbrücke während der Sanierung werden die Handels- und Lieferketten massiv betroffen sein. Das ist noch nicht in der kompletten Breite der Unternehmen angekommen“, erklärte Markus Lötzsch, Hauptgeschäftsführer der IHK Nürnberg für Mittelfranken, bei der Brennerkonferenz, zu der die IHK Nürnberg für Mittelfranken vor Kurzem eingeladen hatte. Gerade für Italien sei Deutschland der wichtigste Handelspartner mit Platz vier beim Export und Import. Für Deutschland sei Italien mit Platz fünf beim Import und Platz sechs beim Export ebenfalls einer der wichtigsten Handelspartner. Bei der NürnbergMesse stehen laut Lötzsch Aussteller und Besucher auf Platz eins. Beim Tourismus in Italien belege Bayern Platz fünf.

„Das Wichtigste für eine funktionierende Wirtschaft sind funktionierende Verkehrswege“, sagte Georg Dettendorfer vom Verkehrsausschuss des Deutschen Industrie- und Handelskammertags. Die letzten 30 Jahre seien diese sträflich vernachlässigt worden. Daran habe die Politik durch Nichthinschauen einen großen Anteil. In der derzeitigen Rezension seien für die Automobilindustrie Krisengipfel einberufen worden, nicht aber für die Logistik.

Kunden zahlen mehr

In den nächsten zehn bis 20 Jahren werde das Verkehrsaufkommen auf der Straße um 35 Prozent weiter steigen. Die Straße werde auch in 50 Jahren noch der wichtigste Verkehrsträger sein. Deshalb sei es nötig, die Schiene und die Wasserstraßen zu ertüchtigen. Die Politik habe die Brisanz des Themas nun erkannt. „Doch sie ist nicht ehrlich mit uns“, so Dettendorfer. Die Schiene werde immer teurer, die Förderungen würden zurückgenommen und die Bürokratie steige. „Wir brauchen endlich Taten, Lösungen und keine Worte“, mahnte er. Bauvorhaben wie ein neues Terminal für den kombinierten Verkehr (KV-Terminal) in Gersthofen bei Augsburg oder der Brenner-Nordzulauf dauern laut Dettendorfer viel zu lang. Der öffentliche Personennahverkehr würde den Takt auf der Schiene immer weiter verdichten. Da bleibe kein Platz für mehr Güterzüge. Bayern fordere eine Verkürzung des Nachtfahrverbots, aber Österreich lehne dieses kategorisch ab.

„Mit 2,5 Millionen Lkw und 11,6 Millionen Pkw pro Jahr ist der Brenner die Alpen- und Transportachse schlechthin“, sagte Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU). Gemeinsame Lösungen würden angestrebt. Aber der Forderung eines Slotsystems seitens der Tiroler Regierung würde Bayern nur bei Änderungen der Blockabfertigung und des Nachtfahrverbots nachgeben. Bei diesem System müsste zusätzlich zur Maut im Vorfeld eine Durchfahrt gebucht werden.

„Wir sind jetzt schon ständig mit dem Thema konfrontiert. Die moderne Wirtschaft erfordert Zeitfenster von 15 Minuten. Dazu kommen die Lenk- und Ruhezeiten der Fahrer, zusätzliche Kosten für Kühlung, steigende Mautgebühren, sektorale Einschränkungen und Wetterereignisse“, verdeutlichte Tobias Köcher von der Schwarz Logistik GmbH aus Nürnberg. Gerade bei der Lebensmittellogistik führe das zu Problemen. Helfen könnten nur mehr Zeit, mehr Fahrzeuge und eine enge Kundenkommunikation. Viele Kunden seien immer noch überrascht, wenn sie von der anstehenden Sanierung der Luegbrücke hören. Als Spedition mit circa 50 Lastwagen habe man nicht die Möglichkeit, multimodal über die Schiene zu transportieren. Darum drängt Köcher auf eine „enge Zusammenarbeit von Politik, Unternehmen und Gesellschaft“.

„Wir werden die Mehrkosten eins zu eins auf den Kunden umlegen“, sagte Markus Mallmann, Geschäftsführer bei der GVS Lebensmittelhandel GmbH & Co. Handelsges. KG aus Nürnberg. Zu Baubeginn erwartet er Chaos. Deshalb hat er 30 zusätzliche Lastwagen eingeplant. Gerade bei Lebensmitteln wie Burrata (Büffelmozzarella) mit einem Haltbarkeitsdatum von wenigen Tagen könne es Probleme geben. Die Partner auf italienischer Seite hätten sich noch nicht zu diesem Thema geäußert.

„Für Italien ist der Brenner lebenswichtig. Bayern ist der wichtigste Transitkorridor für 42 Prozent der Waren in die EU“, ergänzte Thomas Baumgartner von der Handelskammer Bozen. Der Warenverkehr sei nicht das Problem. Vielmehr würden die Staus nur am Wochenende durch die Pkw entstehen. Warum also müssten die Lkw stehen? Die Tiroler Politik würde die Verkehrsbelastung nur verschieben. Die Statistik zeige, dass eine Blockabfertigung nur wegen des Nachtfahrverbots notwendig sei. Mit der Schiene könne das Problem Straße nicht gelöst werden. Selbst wenn man 213 Prozent mehr Verkehr auf die Schiene bringe, seien durch den ständig wachsenden Verkehr immer noch 2,5 Millionen Lkw auf der Straße. Der Schienenverkehr sei so lange nachts deutlich lauter als Lkw, bis der Brennerbasistunnel fertig sei. Auch mit der Nutzung von alternativen Antrieben habe man die Anzahl der Lkw nicht reduziert.

„Slowenien ist mit seinen zwei Korridoren eine Alternative für die Brennerumfahrung“, erklärte Katja Stadler von der Deutsch-Slowenischen IHK aus Ljubljana. „Wenn die Waren nicht nach Rom oder Verona gehen, ok, aber auch wir müssten die Mehrkosten eins zu eins auf die Kunden umlegen. Dafür haben diese kein Verständnis“, so Köcher. „Auch für uns muss sich das rechnen. Oft wird im Lebensmittelhandel mit einem Zehntel Cent gerechnet. Da stellt sich die Frage, was ist günstiger, Stehen oder mehr Kilometer fahren“, argumentierte GVS-Geschäftsführer Mallmann.

Kapazitäten in der Schweiz

Hans Peter Hefti von der Deutsch-Schweizerischen Handelskammer verweist auf die Transportmöglichkeit durch die Schweiz: „Straße und Schiene haben noch Kapazitäten“. Doch auch dort sei die Auflösung der Auflagen wie Nachtfahrverbot, Schwerverkehrsabgabe und Tunnelgebühr politisch unmöglich.

„Im Jahr 2032 geht der Brennerbasistunnel in Betrieb. Dann beginnt die Renaissance der Eisenbahn im europäischen Raum“, sagte Martin Ausserdorfer, Leiter der Beobachtungsstelle Brennerbasistunnel in Südtirol. Bis heute gebe es in Deutschland, Österreich und Italien neben Sprachbarrieren unterschiedliche Signalsysteme, Sicherheitsprofile und gewerkschaftliche Unterschiede. Mit einer Vereinheitlichung könne man Geld und Zeit sparen. 200 Züge würden die alte Strecke täglich passieren. Mehr gehe nicht. Maximal 400 Züge könnten aber täglich den Brennerbasistunnel passieren. Stärkere Loks würden 2740 Tonnen mit einem Transport ermöglichen. Sprachbarrieren ließen sich durch ein KI-gesteuertes Translator-Tool beheben. Eine interoperable Ausbildung der Fachkräfte müsse angestrebt werden.

Die Fahrtzeit von Innsbruck nach Bozen würde nicht wie bisher 2 Stunden dauern, sondern 45 Minuten, so Ausserndorfer. Und die große Strecke von München nach Verona wäre dann in 2,5 Stunden zu bewältigen. Jetzt seien es mit der schnellsten Zugverbindung 5 Stunden und 22 Minuten.

Bahn priorisieren

„Auch in Slowenien hat die Bahn oberste Priorität“, betonte Ales Mihelic von der staatlichen slowenischen Eisenbahngesellschaft Slovenske zeleznice. In zehn bis 20 Jahren wolle man die Kapazitäten der Bahn verdoppelt haben. Wichtig sei, die Balance zu finden. Denn auch der Ausbau des Hafens sei gerade für die deutsche Automobilindustrie mit 85 Prozent Transittransport von Bedeutung. Im Verhältnis von Straße und Schiene strebe man ähnliche Ziele an wie in Deutschland. Die Harmonisierung von allen Verkehrsmitteln müsste EU-weit geregelt werden, so die Forderung von Mihelic.

„In der Schweiz ist die Unterstützung der Politik für die Bahn vorhanden. Langfristige Investitionspläne von zehn bis 20 Jahren liegen vor. Für die Infrastruktur als Basis der Wirtschaft gibt es ein hohes Bewusstsein“, erklärte Arnold Berndt vom Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation des Bundesamts für Verkehr in der Schweiz.
Diesem Vorbild sollten die anderen europäischen Länder folgen.
(Antje Schweinfurth)

 

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