Wirtschaft

Die Verleger stimmen zu. (Foto: Wraneschitz)

16.09.2016

Wie ein kleiner Verein Hunderttausende dominiert

Ist die Verwertungsgesellschaft Wort (VG Wort) am Ende?

Kuriose Entscheidung auf der Mitgliederversammlung der Verwertungsgesellschaft Wort (VG Wort): Eine kleine Minderheit verhinderte, dass Autoren zeitnah Millionenbeträge bekommen. Dabei ist das vorgeblich das Ziel der „Freischreiber“, dem Berufsverband freier Journalistinnen und Journalisten. Altgediente VG-Wort-Kenner wie Ulf J. Froitzheim skizzierten schon vor der außerordentlichen Mitgliederversammlung der VG ein Horrorszenario: Sollte sich die Minderheit der „Freischreiber“ durchsetzen, könnte das seit Jahrzehnten geltende Einvernehmen von Verlagen und Autoren beim Eintreiben von Urhebertantiemen bald zu Ende sein. Nun fürchtet Froitzheim, Journalist und ehrenamtliches Mitglied im Verwaltungsrat der VG: Nach den Entscheidungen vom letzten Samstag im Hofbräukeller ist das Szenario recht wahrscheinlich.

Was ist die VG Wort? Weil einzelne Gruppen – ob Journalisten, Buch- wie Fachverlage oder Übersetzer von Belletristik oder Fachliteratur – alleine zu schwach waren, schlossen sich die Betroffenen 1958 in der VG Wort zusammen.

Insgesamt haben knapp eine halbe Million Menschen einen Wahrnehmungsvertrag mit der VG Wort geschlossen. Der ist quasi ein Inkassoauftrag, in ihrem Namen das Geld von Internetanbietern wie Druckerherstellern, von Pressespiegelverteilern wie Rundfunk- und Fernsehsendern einzutreiben.
Sechs Berufsgruppen sind in der VG Wort vereint: drei aus dem Verlegerbereich, drei aus der Autorenschaft. Die Zeitungs- und Zeitschriftenverlage sind bis heute nicht dabei. Doch zählen auch deren Verbände zu den fast 150.000 „Wahrnehmungsberechtigten“, an welche die VG Jahr für Jahr vereinnahmte Urheberrechtstantiemen ausschüttet.

Nur einige 100 Mitglieder dürfen abstimmen


Doch von denen sind gerade mal einige 100 Mitglieder der VG Wort und dürfen über relevante Beschlüsse mitreden und abstimmen. Die Besonderheit: In jeder der sechs „Berufsgruppen“ ist eine Zweidrittelmehrheit nötig, um Beschlüssen Rechtskraft zu verleihen. Das hatten die Mitglieder auch fast immer getan. Bis zum letzten Samstag.

Im Hofbräukeller stand eine besonders wichtige Entscheidung auf der Tagesordnung: „Änderung des Verteilungsplans der Satzung für die Vergangenheit im Hinblick auf die Entscheidung des Bundes-gerichtshofs vom 21. April 2016.“ Damals hatte der BGH im so genannten „Vogel-Urteil“ (Az I ZR 198/13) entschieden: Laut gültigem Verteilungsplan stehen den Verlagen keine Tantiemen zu.

Der Vorstand der VG hatte des-halb ein Konzept erarbeitet, wie das zu Unrecht zwischen 2012 und 2015 an die Verlage verteilte Geld wieder eingezogen und an die Autoren nachüberwiesen werden soll. Es geht dabei um Millionenbeträge. „Das Geld liegt bereit als Rücklage“, bestätigte Random House, ein Großer der Buchhersteller, der Versammlung.

Vollbremsung


Fünf Berufsgruppen stimmten dem noch kurz vor dem Treffen nachgebesserten Vorschlag des Vorstands zu – die Verlage sogar einstimmig. Doch ausgerechnet aus der Ecke derer, denen das Geld zugutekommen sollte, kam die Vollbremsung: 104 Stimmen gab es an diesem Tag bei der „Berufsgruppe 2 „Journalisten, Autoren und Übersetzer von Sachliteratur“. 67 Mal hieß es „Ja“ zum Vorschlag des Vorstands, 37 Mal „Nein“ – Zweidrittelmehrheit verfehlt. Und damit waren auch die „Ja“-Voten der anderen fünf Berufsgruppen für die Katz. '

Offenbar wussten die Verantwortlichen des Vereins „Freischreiber e. V.“ selber nicht so recht, was sie damit erreicht hatten: nämlich den kompletten Stillstand der notwendigen Rückholung der Gelder von den Verlagen und die Neuverteilung an die „Wahrnehmungsberechtigten“, also an auch an sie selbst.

„Wir streiten für Eure Tantiemen“, hatte ein Vertreter des Vereins noch kurz vor Sitzungsbeginn getwittert. Unter Mitgliedern der größeren Journalistenverbände dju und DJV wurde gemunkelt, die recht wenigen Freischreiber wollten wohl vor allem den Verlegern von Tageszeitungen oder Magazinen eins auswischen. Diese, deren Hauptauftraggeber, aber sind – wie gesagt – gar nicht Mitglieder bei VG Wort.

Ein vermeintlicher Kämpfer für die Rechte der Autoren


Besonders Ilja Braun, nach eigener Angabe „Übersetzer von Belletristik und Sachbuch aus dem Niederländischen und Englischen“, gerierte sich an diesem Tag als vermeintlicher Kämpfer für die Rechte der Autoren. Doch als ein Drehbuchschreiber von ihm Solidarität für die Vergütung im Internet verlinkter Filme einforderte, winkte er nur ab. Daraufhin wurde dem hauptamtlichen Referenten der Grünen Bundestagsfraktion von Seiten der Drehbuchschreiber vorgeworfen: „Sie singen das Lied der Großindustrie und nicht der Autoren“, denn Kommunikationskonzerne wollten für die Internet-Verlinkungen möglichst nichts bezahlen.

Auch aus dem Fachautorenlager kam heftige Freischreiber-Kritik: „Ein Spiel um Macht und Geld auf den Schultern der einzigen paritätischen Organisation“ würden sie austragen. VG-Wort-Vorstand Robert Staats nannte das Scheitern des von ihm mit ausgearbeiteten Vorschlags zurückhaltender „ein problematisches Ergebnis. Wir können nicht mit den Rückforderungen anfangen“. Was die Freischreiber wiederum nicht verstanden. Bis zur nächsten außerordentlichen Mitgliederversammlung am 26. November haben nun alle Zeit, darüber nachzudenken. Zum Beispiel jene VG-Wort-Mitglieder der Berufsgruppe 2, die ihre Stimmen diesmal nicht einbrachten: Der Weg nach München oder die Stimmübertragung steht auch ihnen offen.
(Heinz Wraneschitz)
INFO:  Berufsgruppen der VG Wort
1. Autoren und Übersetzer belletristischer und dramatischer Werke
2. Journalisten, Autoren und Übersetzer von Sachliteratur
3. Autoren und Übersetzer von wissenschaftlicher und Fachliteratur
4. Verleger belletristischer Werke und von Sachliteratur
5. Bühnenverleger
6. Verleger wissenschaftlicher Werke und von Fachliteratur.

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