An Billigprodukte aus China ist man gewöhnt. Doch jetzt verkaufen laut einer Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts IW Köln Unternehmen aus der Volksrepublik immer stärker anspruchsvolle Industriewaren, die eigentlich eine Domäne der bayerischen und deutschen Wirtschaft sind, nach Europa.
BSZ: Herr Brossardt, an Billigprodukte aus China ist man gewöhnt. Doch jetzt verkaufen laut einer Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts IW Köln chinesische Unternehmen immer stärker anspruchsvolle Industriewaren, die eigentlich eine Domäne der bayerischen und deutschen Wirtschaft sind, nach Europa. Wie bewerten Sie die chinesische Konkurrenz für die bayerische Wirtschaft?
Bertram Brossardt: 2020 betrugen die Importe Bayerns aus China 18,2 Milliarden Euro. Wir erleben dabei in der Tat in China einen Wandel von der „billigen Werkbank der Welt“ zu innovativen Produkten. Hightech wie die künstliche Intelligenz oder E-Mobilität werden im 14. Fünfjahresplan Chinas gezielt gefördert. Das sind Entwicklungen, auf die wir uns im globalen Wettbewerb einstellen müssen. Man darf aber nicht vergessen, dass wir von der Stärke Chinas auch profitieren. China war 2020 insgesamt der größte Handelspartner Bayerns. Das Handelsvolumen betrug 33,9 Milliarden Euro. Bayern exportierte dabei Waren im Wert von rund 15,7 Milliarden Euro nach China. Das entspricht 9,3 Prozent aller bayerischen Exporte. Wichtigste Exportgüter sind Kraftwagen und Kraftwagenteile, Maschinen, Datenverarbeitungsgeräte, elektronische und optische Erzeugnisse.
BSZ: Müssen die Einstiegshürden für chinesische Investitionen bei bayerischen und deutschen Unternehmen erhöht werden?
Brossardt: Einstiegshürden oder andere protektionistische Maßnahmen sind der falsche Weg. Das gilt auch umgekehrt: Wir brauchen „level playing fields“. Offene Märkte auch für ausländische Direktinvestitionen sind wichtig für den deutschen und bayerischen Wohlstand. Etwas anderes gilt dort, wo der Grundsatz der Reziprozität verlassen wird, zum Beispiel wenn staatlich unterstützte Angebote den Markt verzerren. Deshalb hat die Bundesregierung im vergangenen Jahr eine Verschärfung der Bestimmungen des deutschen Außenwirtschaftsrechts beschlossen. Inhalt sind strengere Investitionskontrollen in Deutschland, vor allem in strategisch bedeutenden Bereichen.
BSZ: Was ist im Bereich der Standortnachteile Deutschlands seitens der Politik zu tun, damit chinesische Anbieter nicht so leichtes Spiel in Deutschland und Europa haben? Brossardt: Wir müssen unsere Hausaufgaben machen und die Standortnachteile beseitigen: Überzogene Anforderungen an unsere Unternehmen müssen unterbleiben, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Das gilt für zu hohe Strompreise, überzogene Bürokratie und zu rigiden Arbeitsschutz, schleppende Digitalisierung und zu hohe Arbeitskosten. Gleichzeitig müssen wir auf das Ziel der „level playing fields“ hinarbeiten, das bis heute keine Realität ist. Es gibt zwischen der EU und China keine vergleichbaren Zugangsbedingungen zum Markt des jeweiligen Partners. Hier muss Deutschland, vor allem aber die EU tätig werden.
BSZ: Wie kann man die chinesische Konkurrenz bei öffentlichen Aufträgen abwehren?
Brossardt: Um gleichen Zugang zu öffentlichen Aufträgen zu erreichen, muss China sein Versprechen wahrmachen und dem WTO-Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen beitreten, dem sogenannten Government Procurement Agreement (GPA). Im Hinblick auf öffentliche Ausschreibungen der EU sollten zudem die innerhalb der EU geltenden Prüfmöglichkeiten für Angebote von Nicht-EU-Anbietern ausgeweitet werden, um chinesischen Angeboten zu begegnen, die durch staatliche Subventionen unterstützt werden.
BSZ: Chinaexperten sagen, dass der Erfindungsgeist in China nicht besonders ausgeprägt ist. Sichert das das Überleben des innovationsfreudigen bayerischen und deutschen Mittelstands?
Brossardt: Mittelstand und Familienunternehmen sind das Rückgrat der bayerischen Wirtschaft, und gerade die guten Exportzahlen zeigen, dass unsere innovativen Produkte in Asien sehr gefragt sind. Hier haben wir einen Vorsprung, aber wir dürfen uns nicht auf Erreichtem ausruhen. Die Rahmenbedingungen für unsere Unternehmen müssen stimmen. Dazu gehört vor allem, mehr Investitionen in Forschung und Entwicklung zu ermöglichen. Insbesondere gilt es, die steuerliche Forschungsförderung zu forcieren. Zugleich muss verhindert werden, dass Technologien unserer Unternehmen in China abgeschöpft werden.
(Interview: Ralph Schweinfurth)
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