Wirtschaft

So soll die Kleinstsatellitenformation für das bayerisches Geo- und Biomonitoringnetz aussehen. (Visualisierung: Zentrum für Telematik)

08.03.2024

"Wirtschaftliche Schäden abmildern"

Finanzminister Albert Füracker (CSU) über den Aufbau eines bayerischen Satellitennetzwerks und wie man mit dessen Geodaten Naturkatastrophen besser bewältigen kann

In der modernen digitalen Welt müssen tagtäglich Unmengen an Daten schnell erfasst, präzise ausgewertet und entsprechend aufbereitet werden. Dies gilt auch für die Geodaten. Sie sind die Basis für Bauplanungsprozesse, Gestaltungsvorhaben oder Umwelt- und Klimamonitoring. Besonders für die Bereiche Klimawandel, Nachhaltigkeit und Umweltschutz braucht man kontinuierlich aktuelle Geo- und Biomonitoringdaten – und das mit immer kürzeren Aktualisierungszeiten.

BSZ: Wieso braucht man permanent aktuelle Geodaten?
Albert Füracker: Extreme Wetterereignisse der letzten Jahre auch in Bayern haben uns den dringenden Bedarf nach aktuellen und hochwertigen Geo- und Bioinformationen für den Zivilschutz und die Land- und Forstwirtschaft direkt vor Augen geführt. Wenn man sich so schnell einen Überblick über die Lage verschaffen kann, hat man die Chance, frühzeitig Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Damit können wirtschaftliche Schäden und weitere Auswirkungen von Umweltkatastrophen deutlich abgemildert werden. Das Bayerische Staatsministerium der Finanzen und für Heimat wird deshalb eine eigene operative Erdbeobachtungsmission mit bayerischen Satelliten starten.

BSZ: Warum braucht Bayern dafür eigene Satelliten?
Füracker: Mit einer eigenen Satellitenmission kann die Datengewinnung maßgeschneidert für Bayern erfolgen. Darüber hinaus befindet sich die gesamte Prozesskette in bayerischer Hand – von der Datengewinnung im Weltall über die Datenverarbeitung im bayerischen IT-Dienstleistungszentrum bis hin zur Bereitstellung der Informationen durch die Geodateninfrastruktur Bayern. Das ist ein entscheidender Vorteil gegenüber kommerziellen Anbietern und ein wichtiger Beitrag zur digitalen Souveränität des Freistaats! Darüber hinaus ist es ein Beitrag zur Stärkung Bayerns als industrieller Raumfahrtstandort und zur Unterstützung von Start-ups sowie ein konkreter nutzbringender Beitrag aus Bayerns Weltraumprogramm.

BSZ: Und wie kommen die Nutzer an diese Daten?
Füracker: Das Bayerische Landesamt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung bereitet das Rohmaterial an Satellitenbildern auf und stellt sie den betreffenden Nutzern zur Verfügung. Damit die Aufbereitung der großen Datenmengen auch entsprechend schnell erfolgen kann, wird künstliche Intelligenz eingesetzt. Die fertigen Daten werden den Nutzern am Ende über standardisierte Schnittstellen zur Verfügung gestellt.

BSZ: Aber die Satelliten schießen Sie nicht persönlich ins All?
Füracker: Um ein derart herausforderndes Zukunftsprojekt Bayerns umsetzen zu können, arbeitet das Bayerische Staatsministerium der Finanzen und für Heimat eng mit exzellenten Partnern aus der Wissenschaft zusammen: In Würzburg entwickeln und produzieren Professor Klaus Schilling vom unabhängigen Forschungsinstitut Zentrum für Telematik (ZfT) sowie das Start-up S4 – Smart Small Satellite Systems GmbH – die leistungsfähigen Hightech-Satelliten in Größe eines Schuhkartons (30 x 20 x 10 Zentimeter und 6 Kilogramm Masse). Der Lehrstuhl „Astronomische und Physikalische Geodäsie“ von Professor Roland Pail sowie die Professur für „Photogrammetrie und Fernerkundung“ (ehemals Professor Uwe Stilla) der Technischen Universität München unterstützten bei der Machbarkeitsstudie und der Planung der Weltraummission. Sie begleiten die nun anstehende Demonstratormission und leisten wertvolle Arbeit bei der Entwicklung von Auswertealgorithmen.

BSZ: Auf welche Daten zielt das Projekt ab?
Füracker: Ziel des bayerischen Satellitennetzwerks ist die Sammlung von aktuellen und hochaufgelösten Satellitenbildern. Die spezielle Umlaufbahn wurde so ausgewählt, dass die mit einer Multispektralkamera ausgestatteten Kleinstsatelliten alle drei Tage Bilder der bayerischen Landesfläche liefern. Durch die niedrige Flughöhe von nur 460 Kilometer können Bilder mit einer Bodenauflösung von besser als 4 Metern erzeugt werden. Mit diesen präzisen Bildern aus dem Weltraum wird der Freistaat das vorhandene Geodatenangebot entscheidend erweitern. Für die anspruchsvoll niedrigen Umlaufbahnen muss der dort bereits bestehende Luftwiderstand durch einen aktiven Antrieb kontinuierlich ausgeglichen werden. Von Beginn an standen Anwendungen aus der staatlichen Verwaltung im Fokus des Projekts. Das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz bringen ihre geplanten Nutzungen und Anforderungen in das Projekt ein. Aufgrund der sehr guten Ergebnisse der Machbarkeitsstudie wurde das Projekt in die Hightech Agenda PLUS der bayerischen Staatsregierung aufgenommen.

BSZ: Wann geht das Ganze los und von wo aus werden die Satelliten ins All geschossen?
Füracker: Wegen der Dimension und des Forschungscharakters des Projekts ist eine zweistufige Vorgehensweise vorgesehen: In einer ersten Demonstratormission sollen mit fünf Satelliten zunächst die Daten einer Teilfläche Bayerns kontinuierlich aktualisiert werden. Dabei können die technische Infrastruktur, die Prozesskette und die Qualität der Daten detailliert untersucht werden. Planmäßig werden die Satelliten im Zeitfenster zwischen Mitte 2025 bis Anfang 2026 in den Orbit geschossen und sollen danach ihre Arbeit aufnehmen. In einem zweiten Schritt soll dann nach einem etwa halbjährigen Probebetrieb der Demonstratormission über weitere Satelliten zur Erfassung ganz Bayerns entschieden werden. Der aktuell kostengünstigste Transport der Satelliten in diese spezielle Umlaufbahn wird vermutlich mit einer Falcon 9 Rakete von den USA aus durchgeführt.

BSZ: Und was kostet das Projekt?
Füracker: Die Gesamtkosten für die Demonstratormission mit fünf Satelliten sowie dem Betrieb, der Datenaufbereitung und Bereitstellung für zunächst fünf Jahre belaufen sich auf circa 17,6 Millionen Euro.
(Interview: Ralph Schweinfurth)

 

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