Wirtschaft

Während sich die Bergkirchweih-Besucher um die erste Maß Bier aus der Hand von OB Florian Janik rissen, blieben Vertreter aus der Siemens-Führungsriege demonstrativ fern. (Foto: dpa)

25.05.2018

Zoff um Firmenhochhaus verdirbt Feierlaune

Affront bei der Eröffnung der Erlanger Bergkirchweih – Siemens-Führungscrew blieb fern, weil es Streit mit dem OB gibt

Wenn die Erlanger Bergkirchweih, mit 263-jähriger Geschichte eines der ältesten und mit 1,3 Millionen Besuchern eines der größten Volksfeste in Bayern, jeweils am Donnerstag vor Pfingsten mit dem Bieranstich eröffnet wird, dann sitzen die Honoratioren in einem der Bierkeller zusammen, trinken auf Einladung der Stadt ihre Freibier-Maß und essen das von der Stadt gestiftete halbe Hähnchen, im angeregten Gespräch vertieft. So war das all die Jahre seit Menschengedenken – und nie hatte es einen Anlass gegeben, an diesem Austausch von Freundlichkeiten zu rütteln.

Der Siemens-Vorstand bevorzugte einen anderen Keller als der OB


In diesem Jahr war alles anders. Langjährigen Besuchern ist nicht verborgen geblieben, dass der Vorstand und die sonstigen Spitzenmanager des Siemens-Konzerns – mit über 20.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern größter Arbeitgeber in der Hugenottenstadt – bei den Feiern, diesmal auf dem Steinbach-Keller, durch Abwesenheit glänzten. Pikant dabei: Finanzvorstand Ralf P. Thomas, quasi zweiter Mann hinter dem Vorstandsvorsitzenden Joe Kaeser, wurde zur gleichen Zeit mit weiteren Kollegen aus der Führungsetage auf dem 200 Meter entfernten Entlas-Keller gesichtet. Sie vergnügten sich dort bei einer Kitzmann-Maß – fernab vom Oberbürgermeister und den Vertretern des Stadtrats.

Dass sich das Verhältnis zwischen dem Konzern und der Stadtspitze in den letzten Wochen sichtlich abgekühlt hat, sehen Insider begründet in der Entscheidung der Siemens AG, vom Bau eines ursprünglich geplanten Hochhauses auf dem Siemens-Campus abzurücken. Thomas Braun, der Projektleiter des neuen Siemens-Stadtteils, flächenmäßig so groß wie die Erlanger Innenstadt, in einer Sitzung des Umwelt-, Verkehrs- und Planungsausschusses des Stadtrats am 22. Februar dieses Jahres: „Wir brauchen diesen Pflock nicht und haben auch gar nicht das Bedürfnis danach.“ Als Begründung führte Braun damals an, es sei „nicht das richtige Signal, auf andere herunter zu schauen“. Ob das Hochhaus angesichts allgemein explodierender Baukosten ganz einfach die finanziellen Grenzen sprengen würde, sei dahingestellt.

Absage erntete heftige Kritik


Die Absage erntete heftige Kritik bei der größten Fraktion im Erlanger Regierungsbündnis, der SPD. Diese wollte das Hochhaus als „Aushängeschild“ behalten. Vor allem Oberbürgermeister Florian Janik (SPD) machte sich dafür stark: „Es fehlt einfach das neue Heimatgefühl. Der Verzicht auf ein Hochhaus ist nicht gut. Unterschätzen Sie nicht die Wirkung von Architektur. Bürger und Mitarbeiter brauchen einen Identifikationspunkt.“

Der Meinungsstreit fand seinen Höhepunkt nach einer offenbar konzertierten Aktion zwischen der SPD-Fraktion und dem Betriebsrat von Siemens. So gab es praktisch zeitgleich um den 9. April sowohl einen Antrag der Fraktion als auch einen „Offenen Brief“ der Betriebsratsvorsitzenden Sigrid Heitkamp und ihr Stellvertreter Ilja Metscher, die sich jeweils gegen den Verzicht auf den geplanten „städtebaulichen Akzent“ wandten. Die sozialdemokratischen Stadträte beantragten, den CEO der Siemens-Immobiliengesellschaft Real Estate, Zsolt Sluitner – auch dieser war neben Thomas auf dem „falschen“ Keller vertreten – zu einer der nächsten Sitzungen des kommunalen Parlaments einzuladen: „Nach unserer Auffassung wird das Konzept des Siemens-Campus grundlegend verändert. Es fehlt die starke Adresse, die die Bedeutung des Unternehmens Siemens für Erlangen verkörpert. Verstärkt wird dies durch die geplante sehr homogene Fassadengestaltung.“ Eine ähnliche Argumentation liest man aus der Stellungnahme des Betriebsrats heraus: „Wir beobachten schon seit einiger Zeit, dass die Gestaltung des Campus deutlich hinter den Ideen aus dem Architektenwettbewerb zurückbleibt. Statt einer variantenreichen Fassadengestaltung sollen austauschbare graue Gebäude entstehen, denen nichts Typisches anhaftet“ – also alles andere als ein „lebendiger Standort“, wie ihn Thomas Braun in der stadträtlichen Ausschusssitzung angepriesen hatte. Der Betriebsrat dagegen sieht eine „Ansammlung von uniformen, nichtssagenden rechteckigen Gebäuden“ und fürchtet, alles werde so neutral wie möglich gestaltet, damit man die Häuser, wenn Siemens sie mangels darin arbeitender Beschäftigter nicht mehr benötigt, ohne großen Aufwand an jeden anderen weiterreichen könne.

Siemens-Campus sollte ein starkes Zeichen für Erlangen werden


Damit ist das eigentliche Problem deutlich angesprochen: die „Sorge der Beschäftigten um ihre Arbeitsplätze“. Dabei hatte der Konzern das Gegenteil versprochen: Der Campus in Erlangen solle ein starkes Zeichen für den Erhalt der Arbeitsplätze in der Region sein.

Der Streit um das Hochhaus wirkt irreal angesichts der Dimensionen, die den Campus auszeichnen: ein offener Standort auf 54 Hektar (vergleichbar mit 75 Fußballfeldern) ohne Begrenzung, ein echter Stadtteil mit Restaurants, Geschäften und Dienstleistung, einem Hotel und Wohnbebauung – und mittendrin Büros für 10.000 bis 20.000 Siemens-Beschäftigte, mit direkter Anbindung an S-Bahn und der geplanten Stadtumlandbahn. Ob der Campus durch ein fehlendes Hochhaus tatsächlich Schaden nimmt?
(Udo B. Greiner)

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