Ausschreibung und Vergabe

Um die Vergabe von Rohbauarbeiten gab es Streit. (Foto: dpa/Thomas Warnack)

13.12.2019

Eine Vergabe rechtmäßig aufheben

Vergabekammer Nordbayern zur ordnungsgemäßen Kostenschätzung

Eine Vergabestelle schrieb Rohbauarbeiten europaweit im offenen Verfahren nach der VOB/A-EU aus. Nach Angebotsöffnung informierte der öffentliche Auftraggeber den bestbietenden Bauunternehmer, dass das Vergabeverfahren aufgehoben wird, weil kein wirtschaftliches Ergebnis erzielt werden konnte. Der Bauunternehmer rügte die Aufhebung. Sein Angebot entspreche den derzeitigen Marktpreisen. Die Vergabestelle half der Rüge nicht ab. Die eingereichten Angebote lägen erheblich über der Kostenschätzung. Das ausgeschriebene Leistungsverzeichnis (LV) für die Rohbauarbeiten sei bei der Kostenprognose vollständig bepreist worden. Dementsprechend sei ein wirklichkeitsnahes Schätzergebnis ermittelt worden. Das Bauunternehmen beantragte daraufhin die Nachprüfung.

Die Vergabekammer Nordbayern (Beschluss vom 5. Juli 2019 – RMF-SG21-3194-4-23) gab dem Nachprüfungsantrag statt. Nach § 17 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A kann ein Vergabeverfahren aufgehoben werden, wenn andere schwerwiegende Gründe vorliegen. Hierunter kann auch ein unwirtschaftliches Ergebnis der Ausschreibung fallen. Ein solches liegt vor, wenn das wirtschaftlichste Angebot erheblich über dem Preis liegt, der nach ordnungsgemäßer Schätzung des Auftragswertes ermittelt worden war.

Ordnungsmäßigkeit der Kostenschätzung nicht ausreichend dargelegt
Vorliegend konnte die Vergabestelle die Ordnungsmäßigkeit ihrer Kostenschätzung nicht ausreichend darlegen. Kann der öffentliche Auftraggeber nicht belegen, dass die zur Grundlage der Aufhebungsentscheidung getroffene Kostenschätzung ordnungsgemäß und innerhalb des ihm zustehenden Beurteilungsspielraums erstellt wurde, ist die Aufhebung nicht gerechtfertigt. Der Bundesgerichtshof setzt für eine ordnungsgemäße Kostenschätzung voraus, dass die Vergabestelle oder der von ihr gegebenenfalls beauftragte Sachverständige für die Auftragswertschätzung Methoden anwendet, die ein wirklichkeitsnahes Schätzungsergebnis ernsthaft erwarten lassen. Wie genau die Berechnung auszusehen hat, ist aber eine Frage des Einzelfalls. Denn auch mit angemessener Sorgfalt durchgeführte Schätzungen sind nur Prognoseentscheidungen. Bei der Ordnungsgemäßheit der Kostenschätzung geht es nicht vorrangig darum, dass die Preise tatsächlich den Marktpreisen entsprechen. Es kommt darauf an, dass die Methodik der Kostenermittlung grundsätzlich geeignet ist, Marktpreise im Voraus zu schätzen. Das Ergebnis der Schätzung muss mit dem LV der konkret durchgeführten Ausschreibung übereinstimmen und die Schätzung der zugrunde gelegten Preise muss im Zeitpunkt der Auftragsbekanntmachung aktuell sein.

Im vorliegenden Fall hat die Vergabekammer festgestellt, dass das bepreiste LV nicht in allen Positionen dem ausgeschriebenen LV entsprach. Es fanden sich zum Teil unterschiedliche Positionen, teilweise verschiedene Mengenangaben. Die Kostenschätzung gründete somit zum Teil auf anderer Grundlage als die ausgeschriebenen Rohbauarbeiten. Als problematisch erachtete die Ansbacher Nachprüfungsbehörde auch die Methodik der Kostenermittlung, weil in der Vergabedokumentation lediglich allgemein auf Datenbanken und Vergleichsprojekte verwiesen wurde. Aus den allgemeinen Verweisen war nicht ersichtlich, wie der beauftragte Sachverständige bei der Kostenschätzung im Einzelnen vorgegangen war und worauf er konkret abgestellt hat. So konnte bei den nur pauschal genannten Vergleichsprojekten nicht nachvollzogen werden, ob und inwieweit eine Vergleichbarkeit der Projekte gegeben war und um welche Projekte es sich überhaupt handelte. Ebenso war die konkrete Anwendung der Datenbanken und die konkrete Beachtung von Preissteigerungen nicht dokumentiert. Für die Vergabekammer war es daher aufgrund der pauschalen Begründungen nicht möglich, die Ordnungsgemäßheit der Kostenschätzung hinsichtlich ihrer Methodik zu überprüfen.

(Holger Schröder)

(Der Autor ist Fachanwalt für Vergaberecht bei Rödl & Partner in Nürnberg.)

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