Ausschreibung und Vergabe

Um die Sanierung von Hausschwamm gab es Streit. (Foto: dpa / Jens Wolf)

01.03.2019

Hausschwamm erfordert keine Eilvergabe

Vergabekammer Baden-Württemberg zum Verhandlungsverfahren ohne Bekanntmachung

Im Zuge von baulichen Sanierungsmaßnahmen eines Museums hatte sich herausgestellt, dass historische Balken des Museumsgebäudes vom echten Hausschwamm befallen waren. Der öffentliche Auftraggeber wollte das Museum bis zu seinen Feierlichkeiten zum Stadtgründungsjubiläum sanieren und entschloss sich deshalb, das Gewerk Trockenausbauarbeiten erneut zu vergeben und leitete mit drei Unternehmen ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb nach § 3a EU Abs. 3 Nr. 4 VOB/A ein. Einer der Bauunternehmer monierte unter anderem die Verfahrenswahl als rechtswidrig und beantragte die Nachprüfung. Die zuständige Vergabekammer Baden-Württemberg (Beschluss vom 16. Mai 2018 - 1 VK 13/18) gab dem Bauunternehmer recht.

Gemäß § 3a EU Abs. 3 Nr. 4 VOB/A ist ein nicht europaweit bekanntgemachtes Verhand-lungsverfahren zulässig, wenn wegen äußerster Dringlichkeit der Leistung aus zwingenden Gründen infolge von Ereignissen, die der öffentliche Auftraggeber nicht verursacht hat und voraussehen konnte, die vergaberechtlich vorgeschriebenen Angebots- und Teilnahmefristen nicht eingehalten werden können.

Von einer äußersten Dringlichkeit aus zwingenden Gründen ist dann auszugehen, wenn akute Gefahrensituationen und höhere Gewalt vorliegen, die zur Vermeidung von Schäden für Leib und Leben der Allgemeinheit ein sofortiges, die Einhaltung von Fristen ausschließendes Handeln erfordern. Ebenso hohe Anforderungen sind an die Unvorhersehbarkeit des Ereignisses zu stellen, wie dies etwa bei Terrorgefahr der Fall sein kann.

Außerdem dürfen die dringlichkeitsverursachenden Ereignisse der Vergabestelle nicht zuzurechnen sein, es sei denn, es handelt sich um einen Fall der Daseinsvorsorge. Zwar kann im Bereich der Daseinsvorsorge der Aspekt der Zurechenbarkeit und Vorhersehbarkeit hinter die Notwendigkeit der Kontinuität der Daseinsvorsorgeleistung zurücktreten. Allerdings ist die oben genannte Ausnahmevorschrift eng auszulegen und darf nicht überspannt werden. Es muss sich letztlich um einen besonders schwerwiegenden Aspekt handeln, etwa wenn Leib und Leben bedroht oder zumindest die Gesundheit ernsthaft gefährdet ist.

Die Feststellung des echten Hausschwamms konnte hier keine äußerste Dringlichkeit der Bauleistungen aus zwingenden Gründen rechtfertigen. Ob der öffentliche Auftraggeber im Rahmen seiner Feierlichkeiten zum Stadtgründungsjubiläum über ein modernisiertes Museum verfügen konnte, stellt nach Ansicht der baden-württembergischen Vergabekammer kein Ereignis dar, das über Wohl und Wehe Einzelner oder großer Teile der Stadtbevölkerung entscheidet. Vielmehr standen für die Jubiläumsfeierlichkeiten touristische und Imagegründe im Vordergrund. Damit trat ein eventuell auch zu berücksichtigender Aspekt der Daseinsvorsorge ohnehin so stark in den Hintergrund, dass der Verzicht auf ein ordnungsgemäßes Vergabeverfahren nicht gerechtfertigt war.
(Holger Schröder)

(Der Autor ist Fachanwalt für Vergaberecht bei Rödl & Partner in Nürnberg.)

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