Ausschreibung und Vergabe

Um den Neubau eines Schulzentrums gab es Streit. (Foto: dpa/Franziska Kraufmann

04.07.2019

Sind elektronische Vergabeportale leicht nutzbar?

Vergabekammer Niedersachsen zum Ausschluss von Teilnahmeanträgen

Ein öffentlicher Auftraggeber hat den Neubau eines Schulzentrums europaweit im Verhand-lungsverfahren mit vorherigem Teilnahmewettbewerb gemäß der VOB/A-EU ausgeschrieben. Die Teilnahmeanträge waren nach der Auftragsbekanntmachung über ein elektronisches Vergabeportal einzureichen. In den Vergabeunterlagen war ergänzend ausgeführt, dass die Teilnahmeanträge in dem Projektraum „Neubau Schulzentrum“ des elektronischen Vergabeportals einzustellen waren. Dieser elektronische Projektraum enthielt mehrere Eingabemasken, die von den Bewerbern jeweils ausgewählt werden konnten. Die Eingabemaske sah für die Kommunikation, also den E-Mail-Austausch, ein anderes Eingabefeld vor, als für die Abgabe von Teilnahmeanträgen. Ein Bauunternehmer reichte seinen Teilnahmeantrag nicht über die für Teilnahmeanträge vorgesehene elektronische Eingabemaske ein.

Unzulässiger Zugriff


Nach Prüfung der Bewerbungen teilte die Vergabestelle dem Bauunternehmer mit, dass sein Teilnahmeantrag ausgeschlossen werden muss, weil er diesen nicht formgerecht eingereicht habe. Der Teilnahmeantrag sei auf dem elektronischen Vergabeportal nicht über den vorgesehenen Bereich „Teilnahmeanträge“, sondern über den Kommunikationsbereich abgegeben worden. Dies habe dem öffentlichen Auftraggeber einen nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 VgV unzulässigen vorfristigen Zugriff auf die empfangenen Daten ermöglicht. Der Bauunternehmer rügte erfolglos seinen Ausschluss und beantragte die Nachprüfung. Ohne Erfolg. Die Vergabekammer Niedersachsen (Beschluss vom 11. Dezember 2018 – VgK-50/2018) wies den Nachprüfungsantrag zurück.

Zwar beschreibt § 11 EU Abs. 4 VOB/A, dass die Übersendung von Teilnahmeanträgen mithilfe elektronischer Mittel erfolgt. Allerdings fehlen Regelungen zur Wertung von Teilnahmeanträgen. Denn § 16 EU VOB/A bezieht sich nach seinem Wortlaut ausschließlich auf Angebote. Die Lüneburger Vergabekammer ist der Ansicht, dass die gesonderte und umfassende Prüfung von Teilnahmeanträgen dem Urheber der VOB/A-EU im Rahmen ihrer fortschreitenden Ausarbeitung aus dem Blick geraten sei. Damit besteht eine planwidrige Regelungslücke, die durch analoge Anwendung des § 16 EU Nr. 2 VOB/A auf Teilnahmeanträge zu schließen ist. Folglich sind auch Teilnahmeanträge zwingend auszuschließen, die nicht formgerecht eingereicht werden.

So lag der Fall hier. Denn der öffentliche Auftraggeber legte fest, dass die Teilnahmeanträge im elektronischem Projektraum abzulegen waren. Da sich das vom öffentlichen Auftraggeber genutzte elektronische Vergabeportal nicht an Endverbraucher wendet, sondern an professionelle Anwender, hält die niedersächsische Nachprüfungsbehörde auch einen ergänzenden Hinweis für nicht erforderlich, dass Teilnahmeanträge ausschließlich unter dem Eingabefeld „Teilnahmeanträge“ eingereicht werden dürfen. Die Nutzung dieser elektronischen Eingabemaske war aber notwendig, weil nur auf diesem Übermittlungsweg die Datenintegrität und Vertraulichkeit der Teilnahmeanträge entsprechend § 13 EU Abs. 1 Nr. 2 VOB/A zu gewährleisten war. Dies war bei der vom ausgeschlossenen Bauunternehmer für seine Bewerbung genutzte Eingabemaske „Kommunikation“ gerade nicht sichergestellt. Gleichwohl weist die Lüneburger Vergabekammer abschließend darauf hin, dass die Anbieter von elektronischen Vergabeportalen nicht davon entbunden seien, die technischen Abläufe und die grafischen Darstellungen in ihren elektronischen Vergabemanagementsystemen fortlaufend zu verbessern, etwa durch farbige Hervorhebungen der elektronischen Eingabefelder.
(Holger Schröder)

(Der Autor ist Fachanwalt für Vergaberecht bei Rödl & Partner in Nürnberg.)

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