Wenn rundherum das Sonnenlicht erblasst und die Dunkelheit hereinbricht, eröffnen sich drei Dimensionen schier unerschöpflicher Darstellungsfläche: Für Lichtkünstler wie Manfred Beck, Jahrgang 1965, Grafikdesigner und Philipp Stegmüller, Jahrgang 1977, Architectural Lighting Designer, Lichtplaner und Fotograf sind Häuser, Bauwerke und Plätze wie Leinwände, Scheinwerfer die Farbpalette, Laserstrahlen und LEDs Pinsel und Farbe. „Die Überschreitung der Dimensionen“ bereitet ihnen den Ansporn sich nicht von zwei Dimensionen am Boden halten zu lassen, sondern von der Fläche zum Raum und vom Raum zur Bewegung zu fließen. „Denn gerade Licht könne ja all das, was man von Design im öffentlichen Raum fordere: Überraschende Dimensionen und neue Wahrnehmungen, die sich dem Betrachter öffnen. Standpunkte, die sich erweitern und verschieben“, so Beck.
Seit acht Jahren arbeiten die beiden im Bereich Lichtkunst, doch „nur schön gestalten ist uns zu wenig, wir wollen eine Geschichte erzählen“. Und so erzählen sie mit ihren Projekten Geschichten von der Faszination des Lichts, von der Freude, die Licht den Menschen bereiten kann. „Licht ist Leben, jeder weiß wie es sich anfühlt, wenn die Sonne nicht scheint“, sagt Steegmüller. Seine persönliche Motivation Fassaden und öffentliche Plätze mit Licht zu inszenieren, war das trübe Licht an den Büroarbeitsplätzen. Die Leuchtkraft des Lichts an einem normalen Büroschreibtisch ist nämlich so gering, wie an einem Wolken verhangenem Tag. Das geht aufs Gemüt.
„Meine erste persönliche Vision waren Lichtduschen in der Stadt unter die man sich an trüben Tagen stellen und Licht und damit Energie tanken könnte“, erklärt Manfred Beck, Chef von Deseo, einer Agentur die sich auf jede Art von (Licht-)Gestaltung spezialisiert hat. Die Lichtduschen sind zwar bis heute noch Utopie, doch München ließ sich von den Ideen des Teams bereits mehrfach beeindrucken. Beispielsweise, zum Abschluss der 850-Jahr-Feierlichkeiten der Stadt, als die Künstler die Visualisierung von Glockenklang des Alten Peters inszenierten.
Die sieben Glocken der Kirche wurden dabei mit sieben Farben dargestellt. Spezialleuchten stellten die Töne in Farben und grafischen Mustern dar. Manuell von Beck gesteuert, erzählte jede Glocke eine ihrem Ton entsprechende Geschichte. „Wir fragten uns vorher zum Beispiel, wie könnte ein tiefes f aussehen.“ Oder wie anlässlich eines Streetlife-Festivals, an dem sich das Siegestor, eines der Münchner Wahrzeichen, quasi in ein „Lichttor“ verwandelte. Eingetaucht in Großprojektionen und Effektlichtern schien das Bauwerk aus einer anderen Welt zu kommen.
Ein weiteres Aufsehen erregendes Projekt war die Illumination des Münchner Rathauses, bei der die Zuschauer eine Lichtreise durch das Farbenspektrum des Regenbogens unternehmen konnten. Oder 2008 zur Eröffnung des M-Campus der Stadtwerke eine Lasershow mit Musik. 30, mit weißem Stoff überzogene Kuben sollten die neuen Technologiefirmen auf dem 20 000 Quadratmeter großen Geländes darstellen, welche im Rhythmus der Musik ausleuchteten. Ein grüner Laser tastete dabei den Boden ab. Eine Metapher auf die vorangegangene Sanierung des einstmals kontaminierten Geländes.
Zur Fußball-WM 2006 war ein „Lichtzeichen“ geplant, das vor den Toren Münchens erstrahlen und alle Besucher begrüßen sollte. Eine leuchtende Kugel, die auf einer filigranen Drei-Träger-Stahlkonstruktion gleichsam in luftiger Höhe schweben wird. Das in unmittelbarer Nähe stehende Windrad sollte den dafür notwendigen Strom erzeugen. Ist es stürmisch, würde die Kugel gleißend strahlen – bei Windstille dagegen sollte die Kugel lediglich dezent leuchten. „Das wäre im wahrsten Sinne des Wortes ein Highlight für München“, so Beck, „leider war die bürokratische Bremswirkung zu groß.“
Viele Ideen und Visionen verbinden das Künstlerteam, viele scheitern aber leider auch am Unverständnis der Entscheidungsträger. „Für uns ist Lichtkunst eine Hommage an die Sonne, an das gemischte Licht. Denn nur gemischtes, dynamisches Licht ist gutes Licht, das eine Fassade nicht plattleuchtet, sondern gestaltet.“ Die individuelle Leucht-und Farbkraft eines Gebäudes nur durch Licht hervorzuheben, gelang ihnen in Perfektion in der Vorweihnachtszeit 2006 als sie die Fassade des, 1905 vom Münchner Architekten Gabriel von Seidl erbauten Ruffini-Hauses am Rindermarkt, mit Hochleistungsprojektoren ausleuchteten. „Die Leute dachten wir hätten das Haus bunt bemalt, dabei haben wir nur mit Licht gearbeitet und so die prunkvolle Fassade in ihrer natürlichen Schönheit erstrahlen lassen,“ erinnert sich Beck.
Die Partnerin des Lichts ist für die Künstler das Material auf das es auftrifft. Ganz anders zeige sich seine Wirkung auf einer Backsteinfassade, als auf einer Kunststoffwand. Oder eben auf der Betonnadel des Olympiaturms. Eine Vision, die die beiden schon lange haben, ist das Oly-Meter. Der Olympiaturm als weithin sichtbares Zeichen für Münchens Wetter. Wie bei einem Riesen-Barometer soll in unterschiedlichen Farben Luftdruck, Temperatur, Luftfeuchtigkeit entlang des Turms aufleuchten. Auch die Föhnwahrscheinlichkeit anzuzeigen wäre denkbar, so Beck, „denn schließlich sind wir Münchner alle vom Föhn gesteuert“. (Sonja Vodicka)
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