Kardinal Reinhard Marx hat in München mit dem am Ostfriedhof gelegenen Trauerpastoralen Zentrum ein offenes Angebot der Erzdiözese München und Freising für trauernde Menschen eröffnet. „Wir hoffen, dass damit ein Zeichen der Hoffnung gesetzt wird, dass wir da sind, wo die Menschen sind und leiden und schwach sind“, sagte der Erzbischof von München und Freising bei der Segensfeier des von der Erzdiözese errichteten sogenannten Hauses am Ostfriedhof.
„Leben ist ein einmaliges Geschenk, es ist begrenzt – damit umzugehen ist schwer“, so Marx, der eine „Individualisierung, Ausgrenzung und ,Entsorgung‘ des Lebens“ am Ende kritisierte: Damit sei „die letzte Antwort noch nicht gefunden“. Der Erzbischof unterstrich: „Wir wollen ein Zeichen setzen: für Gemeinsamkeit, für gemeinsames Trauern, Erinnern und neues Beginnen.“
Im Haus am Ostfriedhof sollen trauernde Menschen begleitet und gestärkt werden beim Abschied von einem geliebten Menschen. Das Trauerpastorale Zentrum schafft niederschwellige Treffpunkte und bietet zugleich Rückzugsorte für Einzelne, die in einem geschützten Raum persönliche Gespräche mit Seelsorgerinnen und Seelsorgern führen können.
Das direkt an der Friedhofsmauer, am Eingang St.-Martin-Straße gelegene Haus verfügt über ein Café, in das Friedhofsbesucher einkehren können und das ebenso für Trauerfeiern genutzt werden kann.
Während der Öffnungszeiten der Gastronomie (bis 15. September täglich 8 Uhr bis 15 Uhr, danach 8 Uhr bis 17 Uhr) wird mindestens ein Seelsorger oder eine Seelsorgerin im Café ansprechbar sein, unterstützt von weiteren haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden.
Mit dem Trauerpastoralen Zentrum schafft die Erzdiözese ein Angebot unmittelbar vor Ort, das allen trauernden Menschen offensteht und mit dem die Kirche eine ihrer Kernaufgaben – Menschen in schwierigen Lebenssituationen zu begleiten und zu unterstützen – erfüllt. Gleichzeitig versteht sich das Haus am Ostfriedhof mit einem entsprechenden Fortbildungsprogramm und Infoabenden als Ort der Bildung und des Austauschs für alle Menschen, die mit Trauer und Erinnerungskultur aus beruflichen Gründen oder auch ehrenamtlich engagiert zu tun haben.
Der von den Architekten Lehmann, Tabillion & Castorph entworfene Bau ergänzt in seiner Gestaltung, Formensprache und Materialität die vorhandenen denkmalgeschützten Bebauungen, nimmt die bestehenden Wege auf und bildet den Übergang zwischen städtischem Raum und Friedhof.
Am südöstlichen Eingang des Ostfriedhofs gelegen, verläuft entlang des Neubaus eine zweireihige Baumallee, die auf den Friedhof führt und als räumliche Achse das Haus am Ostfriedhof mit der bestehenden Aussegnungshalle und dem Urnenhaus im Norden verbindet. Der Baukörper nimmt die Richtung der Allee auf und unterstützt diesen Bezug zusätzlich durch das entwurfsprägende, flachgeneigte Satteldach, erklärt Goetz Castorph vom Architekturbüro Lehmann, Tabillion & Castorph in der Einweihungsbroschüre.
Der nördliche Gebäudeteil befindet sich innerhalb der neuen Friedhofsmauer und bildet mit der in das Gebäudevolumen eingeschnittenen Loggia den Abschluss und Blickpunkt des doppelachsigen Fußwegs, der von der Aussegnungshalle am St.-Martins-Platz zum Neubau führt.
Der südliche Gebäudeteil öffnet sich, so Castorph, über eine zweite Loggia zu dem neu gestalteten öffentlichen Vorplatz und den von der Gastronomie genutzten Außenflächen im Süden.
Für Passanten und Friedhofsbesucher präsentiert sich das Haus am Ostfriedhof mit seiner Giebelseite zum öffentlichen Vorplatz als „archetypisches Haus, das für die Allgemeinheit offensteht und durch das große Satteldach ein Gefühl von Geborgenheit und Schutz vermittelt“, betont der Architekt.
Raumbildende Elemente, wie die zweigeschossigen Loggien an der West- und Südseite sowie die Gestaltung der Fassadenöffnungen, nehmen die in der vorhandenen Bebauung erkennbaren Prinzipien, wie das Prinzip der Teilsymmetrien und der klaren Proportionen, auf. Quadratische Fenster unterschiedlicher Skalierung, je nach Funktion und Größe der dahinterliegenden Räume, gliedern und strukturieren laut Castorph die Fassade und schaffen so eine ablesbare Fassadenlogik, die die inneren Raumbezüge erkennbar macht. „Dies sowie die knapp geschnittene Baukörperform ohne Dachüberstände führen zu einer ruhigen, harmonischen Gesamterscheinung. die ausgewogenen Proportionen und die Gesamtgestaltung des Neubaus nehmen Bezug auf die Architektursprache des denkmalgeschützten Umfelds der Bauten von Hans Grässel und entwickeln sie zu einer zeitgemäßen Architektur weiter.“
Ein besonderes gestalterisches Element ist die von der Innenarchitektin und Künstlerin Barbara Fuchs geschaffene, drei Stockwerke durchbrechende Lichtvertikale, die Trauer und Wandel veranschaulichen soll. Diese drei Stockwerke durchbrechende Lichtvertikale ist auch das Herz des Hauses. An den Orten im Haus, an denen sich das Licht in unterschiedlichen Helligkeitsstufen bricht, bieten Sitzgelegenheiten Raum zum Verweilen, Nachdenken und Spüren.
Insgesamt verfügt der Bau über eine Bruttogeschossfläche von rund 1500 Quadratmeter. Die Gastronomie ist an den Münchner Inklusionsbetrieb Conviva/Cooperative Beschützende Werkstätten verpachtet.
Die Kosten für die Errichtung des Hauses am Ostriedhof belaufen sich auf 12,5 Millionen Euro. 7 Millionen Euro davon trägt die Erzdiözese München und Freising, die übrigen 5,5 Millionen Euro werden von der St. Korbinian Stiftung der Erzdiözese gefördert. (BSZ)
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