Beruf & Karriere

Die Anzahl der Videocalls, Seminare oder Online-Meetings nimmt teilweise überhand. (Foto: dpa/Annette Riedl)

15.11.2024

Mehr Meetings, mehr Migräne

Wie der hohe Krankenstand mit Videokonferenzen zusammenhängt und was sich dagegen tun lässt

In den ersten zwei Dritteln des Jahres hat die Krankheitswelle in Deutschland den Höchstwert aus 2023 bereits erreicht. Auf 100 Versicherte kamen in den Monaten Januar bis August 225 Ausfälle – die erwartbar hohen Zahlen im letzten Jahresdrittel nicht miteinbezogen. „Beim genauen Blick auf die Zahlen fällt auf, dass neben klassischen Atemwegserkrankungen psychische Erkrankungen in den Fokus rücken und deren Anzahl sich im Zeitraum von zehn Jahren um fast die Hälfte erhöht hat. Zu den Gründen hierfür zählen möglicherweise zugenommene Belastungen durch globale Krisen oder die Verdichtung in der Arbeitswelt“, beleuchtet Markus Vollmer, COO und Co-Founder der Casablanca.AI GmbH.

Es gibt noch weitere Ursachen: „Digitale Kommunikation hat sich spätestens in Zeiten der Corona-Pandemie verändert beziehungsweise weiterentwickelt. Homeoffice beziehungsweise generell mobiles Arbeiten und allgemein eine Vielzahl von Videokonferenzen stehen heute auf der Tagesordnung. Dieser Wandel bringt nicht nur viele Vorteile, sondern auch Gefahren für verschiedene Arten körperlicher und mentaler Belastung mit sich“, sagt er. Bekannt ist dieses Phänomen als „Zoom-Fatigue“.

Es finden immer mehr Video-Konferenzen, Seminare oder Onlinemeetings statt. In der Folge entstehen oft Erschöpfung, Konzentrationsprobleme, Ungeduld oder Reizbarkeit. „Auch andere körperliche Symptome wie Kopf- und Rückenschmerzen lassen sich beobachten. Immer wiederkehrende und lang andauernde Meetings wirken sich hier negativ aus. Ein Zusammenhang mit den steigenden Krankheitszahlen ist auf jeden Fall zu erkennen“, berichtet Vollmer. Die Stanford University, die Universität Göteborg und das Institut für Beschäftigung und Employability (IBE) haben zu Zoom-Fatigue bereits tiefgehende Studien angestoßen.

Abhilfe durch künstliche Intelligenz

Das Ergebnis bestätigt: Digitale Kommunikation führt zu einer psychologischen und physiologischen Belastung des menschlichen Körpers. „Zum einen bedingen dies organisatorische Faktoren, zum anderen aber vor allem technische Aspekte – Stichwort Blickkontakt. Der fehlt oder ist in Videokonferenzen unnatürlich, was das Interpretieren nonverbaler Signale erschwert und somit bei vielen zu mehr Erschöpfung führt“, so Vollmer. „Viele verzweifeln bereits an den beiden unterschiedlichen Positionen des Bildes vom Gesprächspartner auf dem Bildschirm und der Kamera – zumeist auf dem oberen Rand des Bildschirms.“

Künstliche Intelligenz bietet in diesem Zusammenhang gezielt Hilfe. Die Software Casablanca beispielsweise stellt Blickkontakt in Videokonferenzen her, indem sie mithilfe von KI den Kamerawinkel korrigiert, solange der Anwender auf den Bildschirm schaut. Vollmer sagt: „Langfristige und nachhaltige Gesundheit der Mitarbeiter rückt so in den Fokus, ebenso wie das Aufrechterhalten menschlicher Bindung aus dem Homeoffice. Denn diese Faktoren spielen beim Unternehmenserfolg eine entscheidende Rolle, krankheitsbedingte Arbeitsausfälle oder fehlende beziehungsweise ineffektive Zusammenarbeit wirken sich dagegen deutlich negativ aus.“

Dabei zudem besonders für Arbeitgeber wichtig: Produktivität der Angestellten geht mit der technischen Ausstattung einher. So zeigt eine Studie der Harvard University in Zusammenarbeit mit der Boston Consulting Group (BCG) aus dem Jahr 2023, dass die Produktivität von Beratern bei Aufgaben um circa 25 Prozent stieg und auch die Qualität verbesserte sich um mehr als 40 Prozent. Gleichzeitig erhöht sich die Bearbeitungsgeschwindigkeit um circa 12 Prozent. „Wenn diese Anpassung noch für mehr Gesundheit sorgt, ist das eine Win-win-win-Situation“, fasst der COO zusammen.

Doch vielen – gerade großen – Unternehmen scheint zuletzt das Thema Homeoffice ein Dorn im Auge. Sie wollen ihre Mitarbeiter zurück ins Büro holen, bezweifeln teilweise, dass die Menschen im Homeoffice wirklich arbeiten. „Dabei ist die Rechnung einfach: Je mehr Menschen sich im Büro treffen, desto leichter stecken sie sich an. Das wiederum erhöht den Krankenstand und senkt dementsprechend die Arbeitsleistung“, merkt Vollmer an. „Statt eines Rückrufs sollten Verantwortliche an den technischen Möglichkeiten ansetzen. Es geht vor allem um den richtigen Einsatz von Homeoffice und die Beseitigung bestehender Nachteile.

Blickkontakt in Videokonferenzen verändert das Arbeiten und sorgt letztlich so auch für mehr Nachhaltigkeit.“ Denn: Mehr Menschen im Büro bedeuten besonders morgens und abends lange Staus und viel Verkehr auf den hiesigen Straßen, was so zu einem höheren CO2-Ausstoß führt. Funktionieren Videokonferenzen dagegen wie sie sollten – nämlich mit Blickkontakt –, sind sie ein sinnvolles und wirkungsvolles Kommunikationsmittel. Nur auf diese Weise lassen sich viele Gespräche auch ortsunabhängig führen. (Niklas Bädjer)

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