Freizeit und Reise

Die Burschen beim Singen. (Foto: Klaus Fleckenstein)

15.07.2021

Von der Pfadfindergruppe zu Weltruhm

Vor 65 Jahren wurde durch Gerhard Schmidt-Gaden der Tölzer Knabenchor gegründet

Vor genau 65 Jahren wurde der Tölzer Knabenchor von Gerhard Schmidt-Gaden ins Leben gerufen und von ihm bis 2009 musikalisch geleitet: Er gehört heute zu den berühmtesten und erfolgreichsten Knabenchören der Welt und bestreitet mehr als 150 Konzert- und Opernauftritte im Jahr. Ab der Saison 2021/22 übernimmt Michael Hofstetter die künstlerische Leitung des Konzertbereichs und Christian Fliegner wird Leiter der Ausbildungschöre. Aktuell werden etwa 160 Knaben beim Tölzer Knabenchor vom künstlerischen Leiter und dessen hochprofessionellen Team in München unterrichtet. In mehreren Ausbildungsstufen entsteht der berühmte „Tölzer Klang“.

Gezielte Förderung und altersgerechtes Lernen ermöglichen eine optimale Ausbildung der Kinder. Das Repertoire des Chores reicht von Vokalmusik des Mittelalters bis zur Moderne – mit Schwerpunkt auf den Werken Johann Sebastian Bachs. Der besondere Fokus auf die solistische Ausbildung der Stimmen ermöglicht den „Tölzern“ zudem alle wichtigen Knabenpartien der Opernliteratur. Legendär sind die „Drei Knaben“ in Mozarts Zauberflöte in mehr als 2000 Auftritten an den bedeutendsten Opernhäusern der Welt.

Konzertreisen und Soloauftritte führten den Tölzer Knabenchor bisher durch ganz Europa, nach Russland, Israel, Asien und in die USA. Regelmäßig werden der Chor und seine Solisten zu den renommiertesten Festivals (unter anderem Salzburger Festspiele, Bachfest Leipzig, Mostly Mozart Festival) eingeladen. Der Chor durfte mit renommierten Dirigenten wie etwa Nikolaus Harnoncourt und Leonard Bernstein, Herbert von Karajan und Mariss Jansons sowie Riccardo Muti und Kent Nagano zusammenarbeiten. Unzählige Auszeichnungen für Toneinspielungen und der ECHO Klassik 2003 stehen für die internationale Bedeutung des Chores. Doch auch die Pflege der Volksmusik wird in München, seit 1971 Standort des Tölzer Knabenchors, mit Herzblut betrieben.

Am Anfang war die Freude am gemeinsamen Singen – und damit verbunden der Gedanke, genau das professionell auszubauen, zu pflegen und in die Welt hinauszutragen. Die Wurzeln des Tölzer Knabenchors reichen zurück bis in die junge Bundesrepublik. Die damals gegründete Tölzer Pfadfindergruppe sang gerne Volks- und Wanderlieder, löste sich jedoch 1956 auf. Einer aber war entschlossen, nicht aufzugeben: Der damals 18-jährige Gymnasiast Gerhard Schmidt, der später als Gerhard Schmidt-Gaden bekannt werden sollte, formierte die Gruppe von Neuem und übernahm die musikalische Leitung. Geprobt wurde im Jugendheim Bad Tölz.

Das Renomme
wuchs kontinuierlich

Der Grundstein einer einzigartigen Erfolgsgeschichte war gelegt – und in den folgenden zehn Jahren wuchs das Renomme kontinuierlich. Durch Tonaufnahmen beim Bayerischen Rundfunk (BR) schon im Gründungsjahr 1956 wurde die in „Tölzer Knabenchor“ umbenannte Formation überregional und international bekannt. 1957 gab es die erste Konzertreise nach Südtirol und Trient, 1960 Reisen nach Luxemburg, Frankreich, England und Belgien. Seit 1963 war mit Carl Orff eine bedeutende Musikerpersönlichkeit regelmäßig zu Gast als Dirigent – und spielte mit dem Chor unter anderem sein „Schulwerk“ ein.

Geschichte geschrieben hat auch die erste solistische Beteiligung des Chores an einer Zauberflöten-Aufführung: 1964 konnte Gerhard Schmidt-Gaden Wolfgang Sawallisch überzeugen, die Knabenrollen an der Bayerischen Staatsoper authentisch zu besetzen. Heute sind die Solisten des Chores in verschiedensten Opernrollen weltweit gefragt – wird doch weiterhin die Ausbildung der solistischen Stimmen gezielt gefördert. Was für manchen den Grundstein einer internationalen Sänger- oder Musikerkarriere legte.

Seit 1971 probte der Chor zunehmend in München, wo er, wie bereits erwähnt, derzeit beheimatet ist. 1973 erhielt Schmidt-Gaden mit seinem Chor den deutschen Schallplattenpreis für seine bahnbrechende Aufnahme von Bachs Weihnachtsoratorium; unzählige weitere Preise sollten folgen.

1984 und 1986 standen Reisen nach Chicago, China und Japan an, die dem Chor weltweites Renomme bescherten. Weitere Höhepunkte: das Israel Bach Festival 1994, das Boston Early Music Festival 2003, die Japan- und China-Tournee 2013 und 2015, aber auch die Matthäus-Passion 2018 in Shanghai. Bis zu 150 internationale und nationale Konzerte und Opernauftritte stehen jährlich für den Konzertchor und die Solisten auf dem Programm.

Viele berühmte Dirigenten haben bereits mit dem Chor und seinen Solisten gearbeitet – an der Mailänder Scala wie bei den Salzburger Festspielen, in der Elbphilharmonie wie in der Carnegie Hall. Sowohl vor Papst Benedikt (2011) als auch vor Papst Franziskus hat der Chor gesungen (2017), ebenso vor Königshäusern und Staatsoberhäuptern wie Königin Máxima der Niederlande (2016) oder Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (2017). Selbst bei Großereignissen werden die Tölzer gerne engagiert – etwa bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Sommerspiele 1972 in München oder bei der offiziellen Eröffnungszeremonie der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland in der Münchner Allianz Arena.

Die Pflege
der „Alten Musik“

Ein besonderes Augenmerk legt der Tölzer Knabenchor schon immer auf die Pflege der „Alten Musik“ in authentischer Besetzung, aus Überzeugung wird aber weiterhin ebenso die alpenländische Volksmusik gepflegt. Heute werden etwa 160 Knaben in fünf Ausbildungsstufen von der Leitung und weiteren Gesangspädagogen*innen unterrichtet.

Auch der organisatorische Apparat im Hintergrund wurde mit den Jahren ausgebaut: Was zunächst ein Familienunternehmen war, wuchs schnell zum künstlerisch und organisatorisch anspruchsvollen Betrieb heran. Chorgründer Schmidt-Gaden wurde für seine maßstäbesetzende Arbeit vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Bundesverdienstkreuz und dem Bayerischen Verdienstorden. Seit 2015 ist seine Tochter Barbara Schmidt-Gaden die Geschäftsführerin des Chores. Auf Wunsch von Gerhard Schmidt-Gaden leiteten bis 2021 Christian Fliegner und Clemens Haudum den Tölzer Knabenchor, 2021/22 übernimmt Michael Hof-stetter die künstlerische Leitung, Christian Fliegner leitet die Ausbildungschöre.

Der Tölzer Knabenchor wird durch den Freistaat und die Stadt Bad Tölz gefördert, trägt sich aber zum Großteil durch Konzerteinnahmen, Mitgliedsbeiträge und Spenden.

Mit Beginn der Saison 2021/2022 wird sich der Tölzer Knabenchor erstmals in einen Konzert- und einen Ausbildungsbereich aufteilen. So sollen Hof-stetter und Fliegner den Chor in eine gesicherte Zukunft führen. Die Solistenabteilung führt weiterhin Ursula Richter. Darüber hinaus wird im Spätherbst 2022 der anstehende Umzug in die neu renovierten, modernen und akustisch wirksamen Räumlichkeiten am ZDF-Standort in Unterföhring hervorragende Möglichkeiten zur Verbesserung der internen Abläufe in Verwaltung, Probe und Unterricht bringen. (Friedrich H. Hettler)

 

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