Kommunales

Nicht alle Kinder im Freistaat sind so glücklich wie dieser Bub – macht eine Beschwerdestelle da Sinn? (Foto: picture alliance, Jana Mänz)

19.12.2025

Ein offenes Ohr für die Nöte der Kinder – braucht es einen Landesbeauftragten für Kinderrechte?

Immer mehr Kommunen lassen sich von einem Unicef-Ableger als „kinderfreundlich“ zertifizieren – auch Puchheim bei München. Eine Petition fordert derweil einen Beauftragten für Kinderrechte in Bayern

Ende 1989 wurde die UN-Kinderrechtskonvention verabschiedet. Doch es sind noch viele Schritte zu gehen, um jungen Menschen die Rechte, die ihnen zustehen, auch zu garantieren – davon ist zumindest Dominic Heine überzeugt. Der 41-Jährige aus Feldkirchen östlich von München ist studierter Sozialarbeiter, ausgebildeter Mediator und arbeitet seit vielen Jahren in der Kinder- und Jugendhilfe. „Kinderrechte sind Grundrechte, sie werden in der Praxis aber oft unzureichend berücksichtigt“, kritisiert er. 

„In meiner Arbeit erlebe ich immer wieder, wie Beschwerden von Kindern oder Eltern zwischen Zuständigkeiten hängen bleiben und niemand Verantwortung übernimmt“, sagt Heine. So könne es nicht weitergehen, findet der 41-Jährige. Er hat deshalb eine Petition gestartet, in der er die bayerische Staatsregierung auffordert, die Stelle einer oder eines eigenen Kinderrechtsbeauftragten einzuführen.

Ein solcher Beauftragter, so Heines Hoffnung, könnte als zentrale, politisch unabhängige Anlaufstelle fungieren für Kinder und Familien, die einen Missstand melden wollen oder Hilfe brauchen; ebenso aber auch Ansprechpartner sein für Fachkräfte aus der Kinder- und Jugendarbeit wie auch für Kommunen, die als unterste behördliche Ebene besonders nah dran sind an Kitas und anderen Einrichtungen der Kinder- und Jugendarbeit.

Aktuell, so kritisiert Heine, lägen die Zuständigkeiten, wenn es um das Wohl und die Rechte eines Kindes geht, verstreut zwischen Jugendämtern, Schulen, Einrichtungsträgern, Aufsichtsbehörden und Ministerien. „Kinder und Familien erkennen so keinen klaren Weg, um sich im Problemfall zu wehren oder Unterstützung einzufordern“, sagt er. Wenn sich keine Stelle so richtig zuständig fühle, erhielten Familien zudem oftmals nicht die Unterstützung, die sie eigentlich benötigten.

Petition im Landtag eingereicht

Ende September hat er seine Petition im Bayerischen Landtag eingereicht. Der Ausschuss für Arbeit und Soziales, Jugend und Familie hat eine Stellungnahme der Staatsregierung dazu angefordert. Wenn diese vorliegt, wird die Petition öffentlich im Ausschuss diskutiert werden. Einige andere Bundesländer wie Sachsen-Anhalt, Hessen, Brandenburg und Sachsen haben den Posten eines Landesbeauftragten bereits eingerichtet. Dort können sich Kinder und Jugendliche, aber auch Institutionen direkt an die jeweiligen Kinderrechtsbeauftragten wenden.

In Bayern könnte eine neu geschaffene Landesstelle ebenfalls viel bewirken, hofft Heine. Neben der Bearbeitung von Beschwerden soll ein Kinderrechtsbeauftragter den Landtag und die Staatsregierung beraten und überprüfen, inwieweit neue Gesetze und Verordnungen verträglich mit den Kinderrechten sind. Mit einem jährlichen Bericht an das Parlament zum Stand der Kinderrechte könnten Politik und Verwaltung konkrete Verbesserungsvorschläge an die Hand gegeben und das Thema Kinderrechte in der Öffentlichkeit präsenter gemacht werden. „Nicht die Gesetze dazu fehlen – eine verantwortliche Stelle fehlt“, sagt Heine.

Der 41-Jährige setzt sich parallel zu seinem politischen Vorstoß auch auf anderem Wege für die Stärkung von Kinderrechten ein. Aktuell ist er dabei, mehrere Kommunen östlich von München dafür zu gewinnen, eine „kinderfreundliche Region“ zu bilden.

„Sichtbare Wirkung“

Die Initiative lehnt sich an das Konzept des unter der Trägerschaft des Deutschen Kinderhilfswerks und Unicef stehenden Vereins „Kinderfreundliche Kommune“ an. Dabei geht es darum, Kinderrechte dauerhaft in den kommunalen Strukturen zu verankern – also etwa Kindern und Jugendlichen eine institutionalisierte Möglichkeit zu geben, sich bei politischen Entscheidungen in der eigenen Gemeinde oder Stadt einzubringen, zum Beispiel über einen fest installierten Jugendrat, der vom Gemeinderat gehört wird und seinerseits Ideen von jungen Bürgern in das Gremium einbringt.

Eine Kommune, die sich schon seit mehreren Jahren offiziell „kinderfreundlich“ nennen darf, ist Puchheim. Die 22.000-Einwohner-Stadt im Westen von München wurde 2019 erstmals für ihre Kinderfreundlichkeit zertifiziert. Aktuell setzt die Kommune bereits ihr zweites Aktionsprogramm um. „Als Stadt stehen wir hinter der Überzeugung, dass die Umsetzung der Kinderrechte nicht nur den Kindern selbst zugutekommt, sondern der gesamten Gesellschaft“, sagt Bürgermeister Norbert Seidl.

Für den SPD-Politiker ist klar: „Eine Gemeinschaft, die ihre Kinder schützt und fördert, schafft die besten Voraussetzungen für eine lebendige, nachhaltige und gerechte Zukunft.“ Viele Entscheidungen, die den Alltag von Kindern und Jugendlichen prägten, würden direkt in der Kommune getroffen – in Kitas, Schulen, im Verkehr oder bei öffentlichen Flächen und Bauprojekten. Deshalb sei „es wichtig, Kinderrechte gerade hier verbindlich zu verankern“, so Seidl.

Puchheim hat Schulwegplan erarbeitet

In den vergangenen Jahren hat Puchheim unter anderem einen Schulwegplan für die beiden Grundschulen erarbeitet, damit die Kinder sicher und motiviert zu Fuß zum Unterricht kommen. Bei der Neugestaltung von Spielplätzen konnten sich Jungbürger einbringen und wurden gehört. Puchheimer Kitas können im Rathaus einen selbst entwickelten Kinderrechte-Koffer ausleihen, in dem sie Materialien und Anregungen finden, um mit den Jüngsten über deren Rechte zu diskutieren. Darüber hinaus gibt es in regelmäßigen Abständen eine Kinder- und Jugendsprechstunde beim Bürgermeister. Die Erfahrungen sind positiv: Besonders bei Projekten, die ihren Alltag unmittelbar betreffen, nutzten die jungen Puchheimer rege die angebotenen Möglichkeiten, sich zu beteiligen, heißt es aus dem Rathaus.

Die Erfahrung zeige, „dass Kinder und Jugendliche sich engagieren, wenn ihre Ideen sichtbar Wirkung haben“, so Bürgermeister Seidl. Als besonders wirkungsvoll hätten sich zudem strukturelle Maßnahmen wie der Puchheimer Qualitätsfonds für Kitas und die Präventionskette gegen Kinderarmut erwiesen wie auch der Schülerhaushalt, den die Stadt eingeführt hat.

Für Petitions-Initiator Dominic Heine sind Kinderrechte ein zentrales Thema heutigen Zusammenlebens. „Ich will nicht, dass meine Kinder so aufwachsen wie ich damals“, sagt der zweifache Vater. „Ich habe eigentlich erst während meines Studiums von den Kinderrechten erfahren. Sie sollen von Anfang wissen, dass sie Rechte haben und dass sie ihre Stimme erheben können, wenn man sie zum Beispiel nicht teilhaben lässt.“
(Irmengard Gnau)

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