Kommunales

Das altehrwürdige Rathaus von Fürth. Seit 18 Jahren regiert dort Thomas Jung (SPD). Foto: dpa/Daniel Karmann)

14.02.2020

"Mach lieber noch a weng weiter"

Serie: Der Kommunalwahlkampf in den acht bayerischen Großstädten. Teil 6 – Fürth

Zur Kommunalwahl am 15. März 2020 stellt die Staatszeitung die Kandidaten für den Posten des OB und die für den Stadtrat antretenden Listen in den acht Städten des Freistaats mit mehr als 100 000 Einwohnern vor. Im 130 000 Einwohner zählenden Fürth gilt der 58-jährige Amtsinhaber Thomas Jung (SPD) als Favorit.

Nach Fürth werden am Wahlabend wohl die wenigsten Augen blicken. Weil Amtsinhaber Thomas Jung (SPD) nach 18 Jahren noch einmal antritt, haben viele den Wahlausgang bereits abgehakt. Ein Prophet muss man nicht sein, um die Wahl in der Kleeblattstadt vorherzusagen. Weil der beliebte Oberbürgermeister Thomas Jung (SPD) für eine vierte Amtszeit erneut kandidiert, dürften sich selbst seine hartnäckigsten Widersacher mit der Außenseiterrolle abgefunden haben.

Die CSU hat sogar Probleme gehabt, die eigenen Mitglieder von der Sinnhaftigkeit zu überzeugen, überhaupt einen eigenen Kandidaten aufzustellen. Eine ehemalige CSU-Stadträtin hat den Parteifreunden bei der Nominierungsversammlung sogar ernsthaft dazu geraten, nach den zuletzt serienmäßig erlittenen Wahlwatschen diesmal ohne eigenen Spitzenkandidaten ins Rennen zu gehen.

„Den Ausbau der Infrastruktur verschlafen“

So schnell wollen die Fürther CSUler aber nicht das Handtuch werfen. Mit deutlicher Mehrheit ist Dietmar Helm zum OB-Kandidaten gekürt worden. Bereits vor sechs Jahren ist der heute 51-jährige Landwirtschaftsmeister und Geschäftsführer einer Spezialwerkstatt für Traktoren mit 17 Prozent gegen Thomas Jung gescheitert. Diesmal soll es mit dem Slogan „Gemeinsam Fürth“ besser klappen. „Wir spielen auf Sieg“, sagt Helm an einem Samstagvormittag vor seinem CSU-Wahlkampfstand in der quirligen Fürther Fußgängerzone. Die Flinte ins Korn zu werfen, das wäre für den passionierten Jäger selbst in Anbetracht des übermächtig wirkenden Gegners nicht infrage gekommen. „Jung macht viel CSU-Politik“, ist sich Helm sicher und verteilt Papiertaschentücher mit seinem Konterfei als Wahlkampfgeschenk an die Passanten.

Dass der Chef im Rathaus von den Bürgern bei den letzten Wahlen reihenweise die Lorbeeren bekommt, nimmt Helm offensichtlich nicht nur rein äußerlich ganz gelassen. Die Kleeblattstadt dürfe sich nach Meinung des amtierenden CSU-Fraktionsvorsitzenden nicht auf den bisherigen Erfolgen ausruhen. Besonders den Ausbau der Infrastruktur habe Jung in den Jahren des schnellen Bevölkerungswachstums auf Kosten von Prestigeprojekten wie der neuen Stadtbibliothek mit der schicken aber teuren Dachterrasse verschlafen, sagt Helm. Schulen und Straßen seien in einem schlechten Zustand, sagt Helm, der sich zunächst in der evangelischen Gemeinde und später bei den Grünen in der Kommunalpolitik engagiert hat.

Der CSU-Bewerber macht sich für Hanf-Anbau stark

Die frühe Sozialisation bei der Öko-Partei erklärt vielleicht seine Vorliebe für zumal bei Konservativen eher unorthodoxen Wahlkampfthemen. „Ich setze mich für den Hanf-Anbau ein“, sagt Helm, ohne der Legalisierung von Marihuana das Wort reden zu wollen. Über den Wahlfavoriten in Fürth macht sich Helm trotz des Hanf-Akzents im Wahlkampf jedenfalls keine Illusionen. „Wenn ich in die Stichwahl komme, wäre das eine gute Geschichte“, sagt Helm und gibt diesem „Traumresultat“ auf einer zehnstufigen Chancen-Skala eine Wahrscheinlichkeit in Höhe von 66,6 Prozent.

Amtsinhaber Thomas Jung (SPD) macht seinerseits aus der günstigen Ausgangslage kein künstliches Geheimnis. Im Sportteil der Zeitung würde es wohl heißen, der Titelverteidiger nimmt seine Favoritenrolle an. „Ich bin sehr optimistisch“, sagt Jung, ohne sich ein spitzbübisches Lächeln verkneifen zu können. Nicht nur für diese Ehrlichkeit scheinen die Fürther ihren OB zu lieben. In den letzten 18 Jahren hat Jung der Stadt ein neues Gesicht gegeben. An allen Ecken hat der Amtsinhaber seine Spuren hinterlassen. Bei der Fürther Freiheit ziehen neuerdings Marktstände fast wie auf dem Viktualienmarkt die vielen neuen Fürther an.

Weil in den umliegenden Nachbarstädten Erlangen und Nürnberg die Wohnungspreise durch die Decke geschossen sind, hat Fürth zuletzt stark vom Zuzug vieler Familien als lachender Dritte im fränkischen Städte-Dreieck punkten können. „Wir sind enorm gewachsen“, sagt Jung beim Verteilen der roten Kugelschreiber, die bei der SPD der Renner im Straßenwahlkampf sind. 130 000 Menschen würden mittlerweile in Bayerns zweitkleinster Großstadt leben. Bei seinem Amtsantritt seien es nur 113 000 Einwohner gewesen.

13 000 neue Arbeitsplätze

Die Zahl der Arbeitsplätze sei ebenfalls von 35 000 auf 48 000 explodiert. Das sei spitze. Nur Berlin hätte prozentual mehr vollwertige Jobs geschaffen. Herbe Rückschläge wie die Quelle-Pleite scheinen durch Erfolge wie diese fast vergessen. Von der grauen Maus hat sich Fürth zum schönen Schwan entwickelt. Besonders die Fußgängerzone hat Jung mit der „Neuen Mitte“, einer 2015 eröffneten Einkaufspassage, aufpolieren können.

Mithilfe einer Stiftung hat Jung beim Bau der neuen Stadtbibliothek in bester City-Lage mit der bereits erwähnten Dachterrasse durchaus Mut zum Risiko bewiesen. Die schicke neue Innenstadt-Dependance der Volksbücherei vis-à-vis der „Neuen Mitte“ hat Jung ganz uneitel nach dem großzügigen Mäzen in „Carl-Friedrich- Eckart-Innenstadtbibliothek“ taufen lassen.

Mit diesen sichtbaren Zeichen der Aufbruchstimmung hat sich Jung mittlerweile sogar die neidvollen Blicke der Nürnberger aus der größeren Nachbarstadt verdient. Ein größeres Lob als die Bewunderung der Nachbarn gibt es in Franken fast nicht. Mit dieser uneitlen Macher-Mentalität will Jung weitermachen. „Ich will die Einkaufsstadt in meiner vierten Amtszeit vollenden. Und die Anzahl der Betten in der Klinik von 800 auf 1000 erhöhen“, kündigt Jung beim Wahlkampf in der Fußgängerzone an und erntet beim Verschenken der Wahlkampf-Präsente nur freundliche Gesichter. Ans Aufhören habe Jung im Gegensatz zu seinem Amtskollegen in Nürnberg nicht gedacht. „Meine Frau sagt auch: Mach lieber noch aweng weiter.“ Im Rathaus sei er gut aufgehoben, habe ihm Gattin Heike gesagt.

„Der OB will alles allein entscheiden“ ätzt der Grüne

Mit über 70 Prozent der Stimmen wie beim letzten Mal wird Thomas Jung am 15. März wohl nicht rechnen können. Eine weitere Superlative dürften Jung die anderen Parteien versalzen. Neben der CSU werden daran allen voran wohl die Grünen ihren Anteil haben. Die Öko-Partei geht nicht nur mit einem Umfragehoch im Rücken, sondern auch mit einem gut in Fürth vernetzten Kandidaten an der Spitze ins Rennen. Dadurch dürften sich die Grünen diesmal deutlich mehr als die knappen zwölf Prozent von 2014 ausrechnen. „Wir wollen uns verdoppeln“, sagt der grüne OB-Kandidat Kamran Salimi selbstbewusst. Derzeit stellen die Grünen sechs Stadträte in Fürth. Für eine Verdoppelung müssten Salimis Grünen in Fürth rund 24 Prozent erreichen.

Neben mehr Klimaschutz setzt der 50-jährige Krankenpfleger mit den persischen Wurzeln auf mehr Bürgerbeteiligung. Das sei bitter nötig, weil Jung am liebsten „alles alleine entscheiden“ würde. „Jung sollte den Maly machen und aufhören, wenn es am schönsten ist“, rät Salimi dem Amtsinhaber wenig schmeichelhaft.

Von einem erstmaligen Einzug der AfD ins Fürther Stadtparlament gehen ebenfalls alle realistischen Beobachter aus. Bei der Europa-Wahl vor einem Jahr haben die Rechtspopulisten in Fürth knapp zehn Prozent der Stimmen erreicht. In Fürth tritt die AfD mit Andreas Haas als eigenem OB-Kandidaten an.

Mit einem etwas geringeren Stimmenanteil dürften wohl die Liberalen und die Freien Wähler rechnen, die mit dem 43-jährigen Rechtsanwalt Stephan Eichmann (FDP) beziehungsweise der 65-jährigen Realschullehrerin Heidi Lau (FW) antreten. Der derzeitige Bauboom in Fürth dürfe laut Heidi Lau „nicht zu Verkehrsstaus, erhöhtem Parkplatzsuchverkehr, fehlenden Kindergartenplätzen und übervollen Schulklassen“ führen. Außerdem setzt sich die OB-Kandidatin der Freien Wähler für „kostengünstige, am besten kostenlose, Kindergarten- und Krippenplätze“ für alle Kinder ein. Derzeit stellen die Freien Wähler zwei Stadträte.

Die Linke, die in der ehemaligen Arbeiterstadt nicht gänzlich unbedeutend ist, hat den 33-jährigen Niklas Haupt als OB-Kandidat aufgestellt. Haupt fordert für Fürth einen Mietendeckel nach Berliner Vorbild.
(Nikolas Pelke)

Anmerkung der Redaktion: Uns war ein Fehler unterlaufen, der Fürther AfD-OB-Kandidat heißt nicht Michael, sondern Andreas Haas. Wir haben das korrigiert.

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