Kommunales

Geschäftiges Treiben am Marktplatz der rund 25 000 Einwohner zählenden Stadt, dahinter das Rathaus mit der prächtigen Rokokofassade. (Foto: Töpfer)

03.08.2018

„Wir sind enorm in Vorleistung gegangen“

Der Kulmbacher Oberbürgermeister Henry Schramm (CSU) über das Erwachen seiner Stadt nach jahrzehntelangem Dornröschenschlaf

Das oberfränkische Kulmbach am einstigen Zonenrand war nach 1989 viele Jahre von Bevölkerungsrückgang, hoher Arbeitslosigkeit und einer pessimistischen Grundstimmung geprägt. Doch diese Zeiten sind vorbei. Demnächst wird die Kommune Uni-Standort, neue Jobs entstehen, junge Familien ziehen hin. Das freut vor allem OB Schramm.

BSZ: Herr Oberbürgermeister, Kulmbach steht im Umbruch, wird Uni-Standort. Ein Glücksfall?
Schramm: Ja, so kann man es sagen. Das ist quasi ein Sechser im Lotto und eine Riesenchance, die wir nutzen wollen.

BSZ: Was passiert in den nächsten Jahren konkret?
Schramm: Seit dem einstimmigen Beschluss des bayerischen Kabinetts im Juni 2017 arbeiten wir in der Stadt gemeinsam mit der Universität Bayreuth auf Hochtouren daran, das Vorhaben, Uni-Standort zu werden, so schnell wie möglich umzusetzen.

BSZ: Wie lautet Ihre Zielvorgabe?
Schramm: Ein Start des Forschungs- und Vorlesungsbetriebs bis zum Herbst 2020. Parallel zum Aufbau des Uni-Campus müssen wir als Stadt natürlich einiges tun. Dazu gehören der Ausbau des Kinder- und Betreuungsangebotes, die Errichtung von neuem Wohnraum in Verbindung mit der Ausweisung von neuen Baugebieten, die Optimierung der Verkehrsverbindungen und Weiterentwicklung der Geh- und Radwege, aber selbstverständlich auch die Verbesserung der Freizeitangebote und des Nachtlebens.

BSZ: Was ist schon passiert?
Schramm: Wir sind als Stadt bereits enorm in Vorleistung getreten. Grundstücke wurden gekauft, dem Aufbaustab der Uni Bayreuth haben wir Büroflächen zur Verfügung gestellt, ein städtebaulicher Rahmenplan wird erstellt, und vieles mehr ist bereits geschehen. Jetzt gilt es, die Finanzierung durch den Freistaat Bayern zu klären.

BSZ: Was sind die wichtigsten Meilensteine in Bezug auf den Uni-Campus?
Schramm: Der Nachtragshaushalt des Freistaats für 2018 – da werden wir durch die Staatsregierung berücksichtigt – und der kommende Doppelhaushalt 2019/2020. Die Finanzierung muss stehen.

BSZ: Durch Kulmbach geht endlich ein Ruck, oder?
Schramm: Auf jeden Fall. In unserer Stadt deutet sich durch die Entscheidung des Kabinetts, einen Campus aufzubauen, aber auch wegen der zahlreichen Behördenverlagerungen der vergangenen Jahre eine Trendwende an. Man spürt eine Aufbruchstimmung.

BSZ: Wie merken Sie das genau?
Schramm: Die Nachfrage zum Beispiel nach Wohnungen und Kinderbetreuungsplätzen steigt. Aber was noch wichtiger ist: Die Stimmung der Menschen in unserer Stadt hat sich verändert. Ein neuer Optimismus hat in vielen Lebensbereichen – nicht zuletzt in der Wirtschaft – Einzug gehalten. Die Menschen verfolgen mit großem Interesse, wie es mit dem Projekt Campus vorwärtsgeht.

BSZ: Wie viele Studenten und wie viele Professoren werden kommen?
Schramm: Geplant wird mit zirka 1000 Studenten und mit 400 wissenschaftlichen und sonstigen Mitarbeitern. Selbstverständlich werden nicht von Beginn an gleich 1000 Studenten in Kulmbach studieren. Das wird eine Entwicklung von mehreren Jahren sein.

BSZ: Was wird gelehrt?
Schramm: Am Campus Kulmbach wird sich alles um das Thema Ernährung, Lebensmittel und Gesundheit drehen. Dementsprechend wird auch das Lehrangebot danach ausgerichtet. Beginnen wird man mit dem Bachelorstudiengang „Lebensmittel und Gesundheitswissenschaften“ sowie dem Masterstudiengang „Lebensmittelqualität und -sicherheit“.

BSZ: Schärft Kulmbach damit weiter sein Profil als Kompetenzzentrum für Gesundheit, Ernährung und Lebensmittel?
Schramm: Wir in Kulmbach sind mit dem Max-Rubner-Institut, dem Kompetenzzentrum für Ernährung (KErn), der Kontrollbehörde für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen, dem Institut für Sicherheit und Qualität bei Fleisch, dem Internationalen Kompetenzzentrum für Fleisch, dem aufzubauenden Nationalen Referenzzentrum für die Echtheit und Integrität der Lebensmittelkette, dem Bayerischen Brauerei- und Bäckereimuseum, dem deutschen Gewürzmuseum, den Big Playern in der Lebensmittelbranche – Ireks, Raps und Kulmbacher Brauerei –, aber auch mit all unseren Brauern, Metzgern, Bäckern, Gastwirtschaften breit aufgestellt. Mit dem Campus bekommen wir nun auch den notwendigen wissenschaftlichen Überbau. Ziel ist es, Synergien zu schaffen, die letztlich allen nutzen. Kulmbach ist Lebensmittelstadt.

BSZ: Aber was haben die Bürger der Stadt davon?
Schramm: Ich bin guter Dinge, dass wir so dem demografischen Wandel trotzen können. Junge Menschen sind ein Geschenk für eine Stadt. Kulmbach wird sich bestimmt in vielen Bereichen positiv verändern. Alteingesessene Bewohner unserer Stadt mit frischer Tatkraft und Neubürger - gemeinsam werden sie Kulmbach spürbar beleben.

BSZ: Die Menschen ziehen mit?
Schramm: Mein Ziel ist es, möglichst alle Kulmbacher bei der Entwicklung mitzunehmen. Emotional, aber auch ganz konkret. Bisher mussten junge Menschen unsere Stadt immer verlassen, wenn sie studieren wollten. Das wird in Zukunft anders sein. Auch für ehemalige Kulmbacher wird eine Rückkehr zunehmend interessanter. Die Stadt ergreift jetzt ihre Chance. Davon werden die Wirtschaft, die Vereine, der Einzelhandel profitieren. Das kulturelle Angebot wird sich weiterentwickeln. Kulmbach ist und wird auch in Zukunft familienfreundlich bleiben – mit großer Zukunftsperspektive.

BSZ:
Das bedeutet aber auch: Es wird viele neue Wohnungen geben.
Schramm: Der Wohnungsmarkt in Kulmbach wird sich klar verändern. Der Stadtverwaltung liegen schon jetzt Anfragen von potenziellen Investoren für den Bau von rund 1000 Wohneinheiten vor: Vom Studentenapartment bis zur Großraumwohnung und dem eigenen Häuschen. Davon wird sicher nicht alles realisiert werden können. Aber es zeigt, dass der Standort Kulmbach gerade attraktiv wird.

BSZ: Wird Kulmbach dadurch nicht auch teurer?
Schramm: Da bin ich kein Experte, aber in manchen Bereichen wird man schon damit rechnen müssen. Beim Wohnungsangebot wollen wir das zumindest durch eigene Wohnungsbauprojekte abfedern, damit auch Menschen mit kleinerem Geldbeutel bei uns gute Möglichkeiten zum Wohnen haben. Andererseits werden davon dann zum Beispiel die Eigenheimbesitzer profitieren. Ich denke, dass alles in allem aber die positiven Aspekte bei Weitem überwiegen werden.

BSZ: Gibt es gibt schon kritische Stimmen?
Schramm: Wenn etwas Neues kommt, gibt es natürlich auch oftmals Vorbehalte. Das kann ich verstehen. Gerade deshalb versuchen wir auch, die Menschen so gut es geht mitzunehmen.

BSZ: Sie meinen, der Bevölkerungsrückgang kann gestoppt werden?
Schramm: Wir können hier eine Trendwende feststellen. Zum Ende des vergangenen Jahres sah es hier seit Jahren erstmals wieder besser aus.

BSZ: Wo sehen Sie Kulmbach in fünf, in zehn Jahren?
Schramm: In fünf oder zehn Jahren sehe ich Kulmbach als Universitätsstadt. Ziel ist es, so schnell wie möglich den Campus und die dazugehörige Infrastruktur aufzubauen. Dafür sind die bayerischen Staatsregierung und die Universität Bayreuth maßgeblich. Ein Jahrhundertprojekt für Kulmbach wurde vom Kabinett ein-stimmig beschlossen. Dafür sind die Menschen in dieser Stadt unendlich dankbar. Sie vertrauen nun darauf, dass die Staatsregierung schnell die nächsten Schritte in die Wege leitet. Was wir dazu beitragen können, werden wir tun.

BSZ: Wo kommt das ganze Geld her?
Schramm: Die Finanzierung läuft über den bayerischen Staatshaushalt. Unser Augenmerk liegt hier auf dem kommenden Doppelhaushalt 2019/2020. Hier müssen Gelder für den Campusbetrieb und auch für dessen bauliche Umsetzung eingestellt werden, damit es zügig weitergehen kann. Natürlich bringen wir uns auch als Stadt Kulmbach finanziell ein. Das Ziel rechtfertigt jeden einzelnen Euro.

BSZ: Über weleche Summe reden wir konkret?
Schramm: Das kann noch nicht beziffert werden.

BSZ: Sie sind noch bis 2020 Oberbürgermeister. Treten Sie wieder an?
Schramm: Schau mer mal.
(Interview: Roland Töpfer)

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