Kommunales

Für die Kliniken wird das Finden von Fachkräften immer schwieriger (Symbolbild). (Foto: dpa/Ralf Gerard)

23.11.2025

"Zu wenig Behandlungen, zu wenig Personal"

Der bayerischen Krankenhausbranche geht es zunehmend schlechter – um eine Rehaklinik am Chiemsee gibt es nun Ärger

Mehrfach gab es zuletzt Beschwerden über die Qualität der Kliniken – in der Staatszeitung erheben nun mehrere Patienten Vorwürfe gegen den Klinik Medical Park Bernau am Chiemsee. Die Einrichtung weist die Vorwürfe zurück. Klar ist: Die Situation ist bei vielen Krankenhäusern angespannt. Doch von mutmaßlichen Mängeln betroffene Patienten können sich wehren.

Christa Schmid ist empört. Nach einer Hüftoperation war die 72-Jährige im Sommer dieses Jahres in der Klinik Medical Park Bernau am Chiemsee auf Reha. Dort habe sie Zustände vorgefunden, die sie als „skandalös“ empfand: „wechselnde Therapeuten, wenige, manchmal auch falsche Anwendungen – Schwimmen etwa war vorgesehen, aber vom OP-Arzt nicht erlaubt –, viel zu wenig Personal, ungesundes, nährstoffarmes Essen“, fasst sie ihren knapp vierwöchigen Aufenthalt in der Rehaklinik zusammen. Und sie ist nicht die einzige Patientin, der es so ergangen sei, sagt sie zumindest. Drei Tage vergehen, bis überhaupt die ersten Therapiemaßnahmen bei der Privatpatientin stattfinden. „Als ich dort ankam, konnte ich aber nach der OP noch gar nicht laufen, konnte also nichts tun und lag nur nutzlos rum.“

Und das, obwohl Schmid als Exklusivpatientin – so hatte sie ihre Reha dort gebucht – Mehrleistungen inklusive einer privaten Betreuungsperson erwartet hatte. Auf der Webseite der Klinik heißt es hierzu: „Wenn Sie privat versichert, beihilfeberechtigt oder (teilweise) Selbstzahler sind, können Sie bei uns von besonderen Komfort- und Serviceleistungen profitieren, die über die regulären Standards der gesetzlichen Krankenversicherung deutlich hinausgehen.“ Dazu zählen demnach „Wahlleistungszimmer, individuelle Serviceangebote sowie – auf Wunsch – die persönliche Behandlung durch unsere Chefärztinnen und Chefärzte“.

Zu der Klinikgruppe gehören 13 Fachkliniken sowie fünf ambulante Reha- und Therapiezentren in Deutschland. Sie nennt sich deshalb einen Premium-Anbieter für medizinische Rehabilitation und Prävention.

Christa Schmid sieht das ganz anders. „Der Aufenthalt dort war eine Frechheit. Gute Genesung schaut anders aus.“ Die Exklusivpatientenbetreuung hat, laut Schmid, in der ersten Woche gar nicht und in den folgenden Wochen nur mit Einschränkungen stattgefunden, eine Einweisung in die Regeln des Hauses sei erst in der dritten Woche passiert. „Viel zu spät“, sagt Schmid. Therapeuten seien oft nicht im Haus oder krank gewesen. Änderungswünsche im Therapieplan seien selten oder gar nicht berücksichtigt worden. „Das ist keine funktionierende interne Kommunikation“, schreibt Schmid auch in einem Beschwerdebrief an den Medical Park Bernau.

Auch den Chefarzt habe sie nur selten gesehen – und wenn, sei er „im Eiltempo“ durchgelaufen. Oftmals habe Schmid den Satz „Wir haben Personalmangel“ gehört. „Tausende von Euro haben meine Kassen gezahlt, und dann so etwas!“

Ähnliches hat Herbert Stampfer (64) nach eigener Aussage erlebt. Der Installateur war in diesem Jahr wegen eines Sehnenrisses an der Schulter auf Reha im Medical Park Bernau, ebenso als Privatpatient mit Exklusivpatientenbetreuung.

Doch auch Stampfer beklagt: „Es gab zu wenig Anwendungen.“ Am Donnerstag sei er in der Klinik angekommen, am Freitag gebe es dort einen freien Tag, „Samstag und Sonntag passiert sowieso nichts“. Sprich: „Die ersten vier Tage war ich also zum Schlafen drin. Das kann ich zu Hause aber auch.“ Stampfer sei motiviert gewesen, wollte schnell gesund werden und an vielen, effektiven Anwendungen teilnehmen, erzählt er. Am Montag nach seiner Ankunft habe sich der 64-Jährige dann beschwert. „Dann wurde es besser.“

Unzufrieden wegen Personalmangel

Doch zufrieden mit seiner Reha im Medical Park sei auch er nicht gewesen. Nach 14 Tagen wurde Stampfer empfohlen, seinen Aufenthalt zu verlängern. Doch er lehnte ab. „Das hätte sich nicht gelohnt.“ Zu oft hätten therapeutische Anwendungen gar nicht stattgefunden, oftmals ohne Begründung, sagt er. „Personalmangel ist eben überall ein Thema.“

Inzwischen ist seine Schulter wieder geheilt. „Das liegt aber an den Physiotherapeuten, die ich hier vor Ort habe, nicht am Medical Park“, sagt Stampfer, der nahe München wohnt. Die Internetbewertungen des Medical Parks in Bernau gehen auseinander. Jemand beschreibt eine Reha nach einer Operation dort als „bei Weitem die schlechteste“, während andere den Aufenthalt sowie das Erlebnis mit dem Personal und den Therapeuten dort als positiv schildern.

Simon Leicht, Geschäftsführer des Medical Parks in Bernau, antwortet auf Anfrage: „Es ist uns ein zentrales Anliegen, dass alle Patientinnen und Patienten ihren vollständigen und individuell zugeschnittenen Therapieplan erhalten. Sollte es in seltenen Einzelfällen zu einer Verschiebung oder Absage einer Behandlung gekommen sein, so stellen wir selbstverständlich sicher, dass die Behandlungen umgeplant und somit stattfinden oder nachgeholt werden.“

Die Vorwürfe, es habe zu wenige Behandlungen gegeben, weist Leicht zurück: „Die Anzahl der Behandlungen richtet sich strikt nach dem medizinischen Bedarf und den zugelassenen Standards.Wir stellen sicher, dass alle verordneten Behandlungen in vollem Umfang stattfinden.“

Das empfiehlt der Patientenbeauftragte

Zum Thema Personalmangel teilt der Geschäftsführer mit: „Wie viele Einrichtungen im Gesundheitssektor sind auch wir stets bemüht, unser Team zu stärken.“ Jedoch habe ein „temporär erhöhter Personalbedarf keine Auswirkungen auf die Quantität oder Qualität der Therapieangebote für unsere Patientinnen und Patienten“.

Konkrete Informationen über Beschwerden zur Rehaklinik Medical Park möchten weder die Deutsche Stiftung Patientenschutz noch Thomas Zöller, Patienten- und Pflegebeauftragter der bayerischen Staatsregierung, auf Anfrage geben.

Zöller sagt: „Eingaben zu Krankenhäusern, Arztpraxen, Reha-Einrichtungen oder auch Pflegeeinrichtungen erreichen mich regelmäßig. Allerdings ist es mir aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht gestattet, Auskunft zu geben, gegenüber welchen Einrichtungen Eingaben vorliegen.“ Generell würden in Pflege- und Gesundheitseinrichtungen – und dazu gehörten auch Rehakliniken – dringend Fachkräfte gesucht, so Zöller. Dies „ist leider ein flächendeckendes Problem geworden. Fachkräftemangel ist kein Einzelfallproblem, sondern ein Systemproblem.“

„Bürgerinnen und Bürgern, die sich an mich mit Kritik gegenüber einer Reha-Einrichtung wenden, empfehle ich immer an erster Stelle, nochmals das Gespräch mit dem Personal der Einrichtung zu suchen, um Missverständnisse oder Probleme zu klären“, sagt Zöller.

Er hat zudem weitere Tipps für mögliche Ansprechpartner in Beschwerdefällen: Reha-Einrichtungen haben demnach Beschwerde- oder Qualitätsmanagements, an die man sich wenden kann, und mitunter auch eine Patientenfürsprache, die vermittelnd tätig werden kann. Natürlich könne man sich auch an die Leitungsebene oder den Träger einer Einrichtung wenden. Darüber hinaus sind demnach die Kostenträger einer Reha-Maßnahme (in der Regel Kranken-, Unfall- oder Rentenversicherung) wichtige Kontakte, wenn es um Kritik am Aufenthalt geht.

Unabhängig davon haben, so Zöller, Patienten oder deren Angehörige über das Portal des Verbands der Ersatzkassen (vdek) „Mehr Patientensicherheit“ die Möglichkeit, von ihren kritischen, aber auch positiven Erlebnissen im Gesundheitswesen zu berichten. Die Schilderungen werden von einem Expertenteam analysiert, das Ergebnis wird auf der Webseite des vdek veröffentlicht. „Ziel ist es, vergleichbare Fehler in Zukunft zu vermeiden und Erkenntnisse über Verbesserungsmöglichkeiten im Gesundheitssystem zu gewinnen. Die Meldungen werden vertraulich behandelt und vor der Veröffentlichung anonymisiert“, sagt Zöller.

Falsche Versprechungen

Christa Schmid zumindest ist sich mit Blick auf den Medical Park sicher: Die Aussagen im Prospekt beziehungsweise auf der Webseite decken sich nicht mit den vorgefundenen Tatsachen.

Simon Leicht möchte sich zu ihrem konkreten Fall – genau wie bei anderen Patienten – nicht äußern, „um die ärztliche Schweigepflicht und den Datenschutz konsequent zu wahren“.

Generell gibt es immer wieder Beschwerden über Rehakliniken – und nicht nur über die. Ein hgroßer Teil der Krankenhäuser hierzulande ist  finanziell am Limit. "Die Existenz vieler Krankenhäuser ist akut bedroht, weil die Defizite nicht mehr ausgeglichen werden können“, so der Straubinger Oberbürgermeister Markus Pannermayr.

Seit 2019 mussten allein die kreisfreien Städte in Bayern eine hohe Summe von einer knappen Milliarde Euro aufbringen, um das Eigenkapital ihrer Kliniken zu stärken. „Die Finanzlage der Krankenhäuser hat sich über die Jahre weiter ungebremst verschlechtert“, sagt der CSU-Politiker. Die Unterfinanzierung sei dramatisch. 

Auch viele Reha- und Vorsorgekliniken in Deutschland fühlen sich von der Politik im Stich gelassen und sind in ihrer Existenz gefährdet. Hinzu kommt der Fachkräftemangel. Die schlechte Ausgangslage kann ganz unabhängig von der Bewertung der Vorwürfe gegen die Klinik am Chiemsee Fachleuten zufolge auch unschöne Folgen für die Patienten haben. Aus Sicht vieler Beobachter werden Beschwerden über Kliniken in den nächsten Jahren angesichts der mauen Kassenlage weiter zunehmen. (Leonie Fuchs)

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