Kultur

Figaro und Susanne spielen auch in Der tollste Tag eine große Rolle. (Foto: Gärtnerplatztheater/Markus Tordik)

20.10.2025

Die böse Macht der Sadomaso-Domina

Johanna Doderers „Der tollste Tag“ nach Peter Turrini am Gärtnerplatztheater überzeugt nur teilweise

Braucht es eine neue Figaro-Oper? Immerhin haben schon Wolfgang Amadeus Mozart und Gioachino Rossini diese Gestalt von Pierre-Augustin Caron de Beaumarchais mit berühmten Vertonungen gewürdigt. Es wird ein Schuh daraus, wenn in der Gesellschaftskritik kräftig nachgewürzt wird.

Das tat schon Peter Turrini mit seinem Schauspiel Der tollste Tag von 1972. Aus Beaumarchais’ La folle journée ou Le mariage de Figaro machte er nicht grundlos den Tollsten Tag. Denn Turrini frisiert das Original gewaltig. Allein die Sprache ist teils sehr derb. Wenn der rohe Machtmissbrauch der Oberschicht ins Spiel kommt, wird aus der Komödie blanker Horror. Insofern ist die neue Figaro-Oper Der tollste Tag von Johanna Doderer grundsätzlich eine gute Idee.

Wie ein aus der Zeit gefallener Altherrenwitz

Für das Münchner Gärtnerplatztheater von Josef E. Köpplinger hat die Österreicherin bereits zwei Opern komponiert. Schon die letzte Oper Schuberts Reise nach Atzenbrugg von 2021 war eine Zusammenarbeit zwischen Doderer, Turrini und dem inszenierenden Köpplinger. Für das jetzige Opernprojekt hat Turrini aus seinem Stück das Opernlibretto gefiltert.

„Red nicht immer so geschwollen“, sagt etwa Susanne zu ihrem Figaro. „Wohin mit aller Schwellung, wenn nicht in die Sprache?“, erwidert dieser. Solche Schlüpfrigkeiten wirken heute wie ein aus der Zeit gefallener Altherrenwitz. „Die Verhältnisse sind stärker als die Sprache“, erklärte einmal Turrini zu seinem tollsten Tag. „Ich hoffe nur, die Leute merken, worüber sie eigentlich lachen.“ Bei ihm kippt nämlich die Handlung.

Etwas hölzern und künstlich

Schon bei einer Gerichtsverhandlung gegen Figaro (Daniel Gutmann) wird klar, dass selbst die schärfste Sprache nichts gegen Machtmissbrauch ausrichten kann. Bei Turrini wird Graf Almaviva (Daniel Schliewa) am Ende von Figaro ermordet.

Bis dahin kennt man die Handlung auch von Mozarts Figaro, wenn auch sprachlich frisiert. Der spanische Graf Almaviva will die Zofe Susanne (Anna-Katharina Tonauer) verführen, obwohl sie den Kammerdiener Figaro heiraten möchte. Figaro durchkreuzt die Pläne des Grafen und wird dabei auch von der unglücklichen Gräfin (Réka Kristóf) unterstützt. Als gemeiner Intrigant zieht Bazillus (Juan Carlos Falcón) die Strippen. Die alte Marcelline von Anna Agathonos erhofft sich von der von ihr eingefädelten Zwangsheirat mit Figaro den schönsten Tag ihres Lebens.

Dieses Handlungsgerüst bleibt auch in der Opernvertonung von Doderer erhalten, wobei Cherubin (Paul Clementi) eine reine Sprechrolle ist. Die scharfzüngige Wortgewalt Turrinis wirkt gesungen bisweilen etwas hölzern und künstlich, was der Musik Doderers geschuldet ist. Sie passt zwar sehr gut zum Gärtnerplatz-Publikum, ist eingängig und überfordert nicht, mit melodiösen Arien und spätromantischer Instrumentation, aber: Bissige Groteske klingt anders. Dafür verlebendigen das Gärtnerplatz-Orchester und die durchwegs glänzende Besetzung unter Eduardo Browne die Partitur beispielhaft.

Trotzdem schafft es die Oper Doderers nicht, das Revolutionäre und Sozialkritische zu würzen. Alles wirkt wie eine neobarocke Klamotte in spätromantischem Gewand, obwohl die Regie Köpplingers gegensteuert.

Die Bühne von Heiko Pfützner historisiert indes genauso wie die Ausstattung von Birte Wallbaum: mit Ausnahme des Grafen Almaviva. Der poltert als Sadomaso-Domina mit Peitsche und mächtiger Perücke über die Bühne. Am Ende ist er tot, die Gräfin beugt sich lachend über ihn, Bazillus wittert eine Revolution: reichlich aufgesetzt. (Marco Frei)

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