Kultur

Bertold Brechts "Dreigroschenoper" war das erfolgreichste Stück der vergangenen Saison. (Foto: kleines theater)

21.09.2012

Eine Insel für die Independent-Szene

Vor 20 Jahren wurde das "kleine theater" in Landshut gegründet

Als Sven Grunert, Matthias Kupfer und Odile Simon mit Unterstützung eines überaus rührigen ortsansässigen Trägervereins im Jahr 1992 in einem unscheinbaren Hinterhaus in der Landshuter Neustadt ihr „kleines theater“ gründeten, war das ein Experiment mit offenem Ausgang. Alle drei waren jung und unternehmungslustig, hatten aber auch schon jede Menge Theatererfahrung gesammelt. „Es war ein gemeinsames Wagnis. Wir wollten das Unmögliche möglich machen“, sagt Grunert, heute Intendant eines Hauses, das weit über die Grenzen der Region hinaus bekannt geworden ist. Gerade eben bekam die Inszenierung von Eric-Emanuel Schmitts Oskar und die Dame in Rosa den Publikumspreis bei den Bayerischen Theatertagen.
Vor 20 Jahren hatte das Wagnis begonnen, auf einer „sehr charmanten und wahnsinnig intimen Bühne“, wie sich ein Gast aus frühesten Zeiten erinnert: mit einer Inszenierung von Liebe Jelena Sergejewna von Ludmilla Rasumowskaja. Das Stück sorgte sofort für viel Aufsehen. „Seitdem gibt es es in Landshut – ungewöhnlich für eine Stadt dieser Größe – zwei Theater“, sagt Oberbürgermeister Hans Rampf (CSU). Denn neben dem Landestheater Niederbayern hat sich dort, ein klein wenig isarabwärts, sehr schnell das „kleine theater“ etabliert. Das legte auf seine Kleinheit stets Wert. Es möchte ein Ort der Intimität und direkten Resonanz“ sein, so Grunert. Dort neigt man zeitgenössischen Theaterstücken zu oder ungewöhnlichen Blicken auf die Klassiker.
Bei Künstlern genießt das Haus einen guten Ruf: Es ist ohne eigenes festes Ensemble für viele Freiberufler eine Art Insel der Independent-Szene geworden, für Schauspieler, Regisseure, Experimenteure. Und wenn aktuelle Ereignisse wie das Reaktorunglück in Fukushima die Leute einer Bühne nahe den Atomkraftwerken in Ohu unvermittelt treffen, produzieren sie in Landshut auch schon mal spontan und in kürzester Zeit eine szenische Bearbeitung des Tschernobyl-Interviewbuchs Chronik der Zukunft von Swetlana Alexijewitsch. Das ist Theater, das sich einmischt. „Man kann Theater und Leben ja nicht trennen“, ist Grunert überzeugt. Schon längst lebt das „kleine theater“, das sich inzwischen auch „Kammerspiele Landshut“ nennt, nicht mehr in einem Hinterhaus, sondern seit der Spielzeit 1998/99 in einem grunderneuerten alten gotischen Stadel am Innenstadtrand, für dessen Umbau als Theatergebäude es 1999 sogar den Deutschen Architekturpreis gab.
In der vergangenen Saison war es vor allem Grunerts Inszenierung von Bertolt Brechts Dreigroschenoper, die das Publikum in Scharen ins Haus trieb. So eng, direkt und nah wie im Theaterraum des Rottenkolber Stadels sitzt das Publikum selten an einer Bühne. Das tat Brechts Singspiel gut, es wurde entmusealisiert und entstaubt. In dieser Saison, der Jubiläumssaison, wird es unter anderem um das Thema Wahrheit und Lüge gehen; Matthias Eberth inszeniert gerade Florian Zellers Komödie Die Wahrheit, Grunert selbst befasst sich mit Carlo Goldonis Diener zweier Herren. Das erinnert ihn auch an seine Assistentenzeit bei Giorgio Strehler in Mailand. „Der hat mich spirituell und mental sehr geprägt“, verrät der Intendant. Man kann in diesem Stück viel Anarchisches finden und mithin auch viel vom Geist des Hauses.
(Christian Muggenthaler)

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