Kultur

"Kochel - Gerde Straße" (Ausschnitt) von Wassily Kandinsky. (Foto: Lenbachhaus)

20.11.2015

Freundschaftliche Konkurrenz

Mit vielen Leihgaben aus aller Welt ist die Gemeinschaftsausstellung mit Bildern von Klee und Kandinsky im Münchner Kunstbau ein Ereignis

Wassily Kandinsky ist einer der wichtigsten Maler der Kunstgeschichte – aber ein wirklich guter Maler ist er nicht. Wie so oft, war es auch hier, bei der gegenstandslosen Kunst, keineswegs der Erfinder selbst, der seine Erfindung gleich schon zu vollendeter Meisterschaft entwickelte. Dies gelang erst seinen Nachfolgern – was die Leistung des Erfinders nicht mindert. Auch das erste Rad war eine geniale Schöpfung, aber vermutlich eine noch ziemlich holprige Angelegenheit und so in ihrer Tauglichkeit und Perfektion nicht entfernt vergleichbar mit dem, was heute Autos rollen lässt. Viel zu planvoll und theoretisch wirken Kandinskys frühe Abstraktionen, das Malerische ist in ihnen weniger freier, expressiver Gestus, als vielmehr betulich zusammengepuzzelte Farb-Buchhalterei. Und in ihrer krampfhaft-angestrengten, aber doch meist erschreckend spannungslosen Komposition meint man fast einen bildnerischen Nachhall zu spüren jener verschwurbelten Mischung aus Pseudowissenschaftlichkeit und Okkultismus, die Kandinsky bekanntlich bei Rudolf Steiner aufschnappte.

Klein, aber monumental

Wie anders hingegen Paul Klee! Noch seine kleinformatigen Werke wirken meist monumental, weil ihre Komposition stets etwas Zwingendes, Absolutes hat. Und noch wo er sich in wuselnden Details ergeht, zerfransen die Bilder nicht, wie bei Kandinsky so oft, ins Additive, sondern bleiben völlig geschlossen und konzentriert, weil eine formprägende Notwendigkeit sie zu durchwalten scheint. Überdeutlich ist all das jetzt zu erkennen in der großen Ausstellung Klee & Kandinsky. Nachbarn, Freunde, Konkurrenten im Kunstbau des Münchner Lenbachhauses, dem damit einmal mehr eine fulminante Blockbuster-Schau mit Ikonen der Klassischen Moderne gelang. Allein die Fülle hochkarätiger Leihgaben aus Museen in aller Welt wie aus Privatbesitz ist beeindruckend. Zur gleichen Zeit am gleichen Ort waren Klee und Kandinsky schon um 1900 herum, als sie an der Münchner Akademie bei Franz von Stuck studierten, aber nicht miteinander in Kontakt kamen. Das geschah erst 1911 im Vorfeld der Ausstellung des Blauen Reiter, wobei sich dann herausstellte, dass die zwei Maler schon längere Zeit sogar Nachbarn waren in der Schwabinger Ainmillerstraße, wo Klee seit 1906 auf Nummer 32 wohnte und Kandinsky seit 1908 auf Nummer 36. Noch enger war die Nachbarschaft nur in den 20er-Jahren: Als Lehrer am Bauhaus in Dessau bewohnten sie die beiden Doppelhaushälften eines der sogenannten Meisterhäuser und trafen sich jeden Nachmittag zur Teestunde, wovon auch ein Foto existiert, auf dem Klee mit einer Tasse Allotria treibt.

Jux und Dollerei

Überhaupt scheinen die beiden Freunde, die sich zeitlebens siezten, durchaus zu Jux und Dollerei aufgelegt gewesen zu sein: Ein anderes, ziemlich bekanntes Foto zeigt sie beim gemeinsamen Frankreichurlaub am Strand, wo sie sich in der Pose des Weimarer Goethe-und-Schiller-Denkmals knipsen ließen. Insofern war die Konkurrenz, die der Ausstellungstitel beschwört, auch eher eine freundschaftlich-sportliche. Während Kandinsky seine große Zeit in den Jahren kurz vor dem Ersten Weltkrieg hatte, war nach 1920 Klee der Erfolgreichere, der auch in Paris, dem damaligen Nabel der Kunstwelt reüssierte – was Kandinsky erst später gelang. Doch es wäre wohl zu einfach, anzunehmen, dass allein diese „Aufholjagd“ den stilistischen Einfluss Klees bedingt habe, der in Kandinskys Werk jener Jahre deutlich wird. Aber auch die These oder besser Hypothese der Ausstellung, Klee sei nicht erst durch seine Tunis-Reise 1914, sondern schon in den Jahren davor allein durch die Farbenfreude des Freundes vom bloßen Zeichner endlich auch zum Maler geworden, steht auf wackligen Beinen. Schließlich kommen Gabriele Münter oder andere Künstler des „Blauen Reiter“, deren Werk Klee damals kennenlernte, ganz genauso als Anreger in Betracht. Um solche scholastischen Spitzfindigkeiten sollte man sich aber ohnehin nicht kümmern, wenn man eintaucht in den Klee-Kandinsky-Kosmos, den diese großartige Schau eröffnet. (Alexander Altmann) Bis 24. Januar. Kunstbau der Städtischen Galerie im Lenbachhaus, Königsplatz, 80333 München. Di. 10 – 21 Uhr, Mi. bis So. 10 – 18 Uhr. www.lenbachhaus.de Abbildung:
"Im Steinbruch" von Paul Klee. (Foto: Zentrum Paul Klee)

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