Kultur

77 italienische Werke aus der Sammlung Martin von Wagners kann man in Würzburg gerade studieren. (Foto: Martin von Wagner Museum der Universität Würzburg, A. Mischke)

22.12.2025

Italienische Zeichenkunst: Sinnliche Szenen und lebendige Figuren

Im Würzburger Martin-von-Wagner-Museum kann man gerade höchste italienische Zeichenkunst aus vier Jahrhunderten bestaunen

Einen großen Schatz beherbergt das Würzburger Martin-von-Wagner-Museum in der Residenz: über 2000 italienische Zeichnungen der Renaissance und des Barock. Gesammelt hat sie der Kunstagent des späteren bayerischen Königs Ludwig I. Martin von Wagner (1777 bis 1858). Im Auftrag des Wittelsbachers sichtete er eine Vielzahl von Kunstwerken, konnte selbst viele erwerben. Am Ende seines Lebens übermachte er der Universität seiner Geburtsstadt Würzburg unter anderem über 8000 Zeichnungen. Seine Vorliebe aber galt solchen von der Hand italienischer Künstler.

Eine kleine Auswahl von 2104 Werken aus dem 15. bis 18. Jahrhundert, nämlich 77 Blätter, sind nun in der kleinen Galerie des Martin-von-Wagner-Museums zu bestaunen unter dem Titel Idee und Linie. Die Zeichnung disegno galt als „Mittel zur Erschließung der sinnlichen Welt“, als „Weg zu idealer Schönheit“, wie es im Begleitheft heißt. Die zeichnerische Linie kann plastische Körperlichkeit, malerische Vielfalt und dynamische Bewegung ausdrücken, neben dem flüchtigen Erfassen einer Augenblicksimpression. Die Ausstellung ist in acht Themenbereiche gegliedert und beginnt unter dem Begriff „Gewand und Haltung“ gleich mit einer Figur im Mantel vom Ende des 15. Jahrhunderts mit einer meisterlichen, plastisch fast greifbaren Silberstiftzeichnung, die durchaus in die Nähe zu Botticelli zu rücken ist.

Schwerpunkt liegt auf der menschlichen Figur

Der Schwerpunkt liegt auf der menschlichen Figur, etwa beim stolzen General Orsini, den eindrucksvollen Gestalten des Propheten Jesaja oder des Apostels Andreas, bei der sanften Gruppe von Mutter und Kind oder der entschiedenen Gestik einer Justitia. Häufig sind das Entwürfe für die Ausmalung von Kirchen, etwa imponierend in der Gewandfülle die Taufe des Kämmerers.

Manche Zeichnungen aber charakterisieren typisch menschliche Verhaltensweisen, etwa bei einem stolzen Schauspieler, bei einer betrügerischen Sternendeutung mittels Fernrohr oder dem zufriedenen Dasein von drei Mönchen. Die Aktzeichnung war wichtig für die Darstellung von mythologischen oder christlichen Themen und diente als Beweis zeichnerischen Könnens. Da gibt es vielfigurige Blätter mit Putti, mit weiblichen Akten oder stehenden männlichen Akten, aber auch einen ausdrucksvollen, sitzenden männlichen Akt von Bernini, einen liegenden von Mengs oder eine Aktfigur, die an einen toten Christus erinnert.

Wenige Blätter befassen sich mit Natur und Tieren, umso imponierender sind da in ihrer Dynamik die bewegte Tigerin im Sprung von Giulio Romano, aber auch die schönen Pferde vom Markusdom oder die des Neptun oder die römische Wölfin mit Romulus und Remus in einer Landschaft. Klassische Bauformen Roms und die zugehörige Ornamentik regten an zur Nachahmung in der Architektur von Kirchen.

Meisterliche Verunstaltung eines Gesichts

Die zeichnerische Beherrschung der nackten menschlichen Figur vor allem bei Szenen aus der antiken Mythologie war Voraussetzung für Darstellungen aus den Dichtungen von Ovid oder Homer, wie etwa beim Urteil des Paris. Natürlich war auch das Porträt, der Kopf, ein wichtiger Gegenstand des Zeichnens, etwa für emotionalen Ausdruck, beispielsweise zu verfolgen bei den Studien eines weiblichen Kopfes bei Barocci oder beim wunderbar lebendigen Porträt einer jungen Dame von Bernini. Meisterlich ist auch die groteske Verunstaltung eines Gesichts.

Madonnendarstellungen, die Kreuzigung Jesu und die Verherrlichung Marias waren beliebte zeichnerische Themen. So gibt es neben einer Heiligen Familie von Rosselli, einem leidenden Christus am Kreuz, einer Beweinung des Leichnams Jesu auch eine Maria in den Wolken und eine Aufnahme der Gottesmutter in den Himmel.

Auch die Geschichten des Alten und Neuen Testaments regten zum Zeichnen an. Besonders dramatisch bewegt ist dabei Esther vor Ahasver aus dem Umkreis von Tiepolo. Der kleine Einblick in die umfangreiche Zeichnungssammlung von Martin von Wagner, begleitet von einem informativen Kurzführer, ist quasi Nebenprodukt eines umfassenden internationalen Forschungsprojekts unter Leitung von Eckhard Leuschner (Universität Würzburg) über italienische Zeichenkunst über vier Jahrhunderte hinweg. (Renate Freyeisen)

Bis 22. März 2026. Martin von Wagner Museum, Kleine Galerie, Residenzplatz 2, Tor A,
97070 Würzburg. Dienstag bis Samstag 13.30 bis 17 Uhr, Sonntag 10 bis 13.30 Uhr im Wechsel mit der Antikensammlung.
martinvonwagner-museum.com

 

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