Kultur

Beeindruckend: der Tanzabend Sacre. (Foto: Theater Regensburg/Sylvain Guillot)

08.12.2025

Kultur in Regensburg: Kurs in Richtung Staatstheater

Das Theater Regensburg hat zuletzt einige Auszeichnungen erhalten – gerade begeistert das neue Stück der Tanzcompany des Hauses

Nix X-Mas, sondern Mambo und Tambor: Die Tanzcompany Theater Regensburg schwelgt nicht in adventlichem Glitzer-, sondern im Sacre-Rausch. Aber von einem Chefchoreografen, der Wagner Moreira heißt und aus Brasilien stammt, erwartet man sowieso nichts Christkindliches, sondern den Tanzabend nur für Erwachsene – beziehungsweise Jugendliche ab 14 Jahren: Sacre – ein Rausch.

Da wird geschwoft, gekokst, gekifft vom raffiniert ausgeleuchteten und projizierten Beginn an, wo die silbernen Palmen auf der Bühne am Bismarckplatz wie scharfe Langustenscheren aussehen (Bühne: Kristopher Kempf). Die Glastüren im Hintergrund spucken die Company aus, die tanzt sich in verwegenem Breakdance warm, stopft sich einen Handrücken voll Koks in die Nasenlöcher – und man merkt: Man sitzt in einem Stadttheater, das besonders mit seinen Musicals Preise einheimst.

Zwei Klaviere und waghalsige Bläser im Orchestergraben (Dirigent: Tom Woods) stürzen sich lustvoll in die Partitur von Nazareno, einem Tanzstück von Osvaldo Golijov aus Argentinien. Dessen Vielseitigkeit zeigt sich auch in der halben Stunde und den sechs Szenen/Tänzen von Nazareno, genauso wie in seiner früheren Zusammenarbeit mit dem New Yorker Kronos-Quartett mit einer mexikanischen Tanzgruppe und in einer Fassung von Bachs Matthäus-Passion im Auftrag von Helmuth Rilling (2000).

Man hört auch ein bisschen Vorgeschmack auf Igor Strawinskys Sacre-Partitur, man sieht Videoprojektionen, queeren Pfeffer zu Mambo-Rhythmen und mexikanischen Mariachi-Trompeten. Da geht dann schon mal bedeutungsvoll der Strom aus und lässt Raum für eine Reihe intimer Pas de deux zum Doppelklavier.

In welcher Situation und Stellung auch immer: ziemlich sexy, das Ganze, ein Wirbel wie auf der Karibik-Kreuzfahrt. Und schließlich rieselt durch den schweren Lichtring die Asche der Vergänglichkeit auf die Bühne. Über dem nackten Aschenputtel der Company werden aber dann doch Sektkübel voller Pailletten ausgeschüttet – auch für den Unterhaltungswert des Südamerika-Medleys.

Der große Lichtkreis von Nazareno (so was sieht man auch am Staatstheater Nürnberg) beherrscht in der Mitte der Bühne auch Wagner Moreiras Choreografie des berühmten Sacre du printemps. Durch ihn kommen die Menschen zum Fagottsolo auf die Bühne/Erde. Moreiras Bewegungsrepertoire entwickelt sich parallel zu Strawinskys Musik – manchmal in einer etwas simplen Wildheit im Affenimitat. Der Ring wird dabei zum Kochtopf für Kannibalen oder zum Whirlpool, die Auswahl des Frühlingsopfers schwankt zwischen einem der barbusigen Mädchen oder einem der Männer im Maxirock: Aber Wildheit dominiert das ganze Stück, handlungsorientierte Bewegungsrudimente wechseln mit abstrakten Tanzstilen vor den Projektionen und unter dem leuchtenden Ring.

Momente archaischer Wildheit sind das Getrommel der Tänzer auf ihre Brust, das Abklatschen der nackten Körperteile. Am Ende entschließt sich Wagner Moreira doch für das klassische Mädchenopfer zum Frühlingsanfang – das Publikum ist begeistert und applaudiert der keusch in Bademäntel gehüllten Tanzcompany.

Wahrscheinlich applaudiert es auch dem Regen von Auszeichnungen, der zurzeit über dem Theater Regensburg niedergeht. Gerade konnte Intendant Sebastian Ritschel den von einem Fachmagazin ausgelobten Opera!-Award als „bestes Opernhaus 2025“ entgegennehmen. Das Theater Regensburg steht damit in einer Reihe mit den Häusern in Brüssel und Amsterdam oder Dortmund, 20 Kategorien werden von Journalisten jedes Jahr ausgezeichnet.

Ritschel fühlt sich „wunderbar“ in der Nachfolge der früheren Preisträger. Kulturminister Markus Blume sieht den Bismarckplatz und seine Nebenbühnen als „ostbayerischen Theatermagneten“ und das Theater Regensburg in der „ersten Reihe“ auf dem Kurs „in Richtung Staatstheater“.

Eine besonders erfolgreiche Sparte ist unter Ritschel das Musical geworden: vier Musical Awards des Fachmagazins Blickpunkt Musical gab es in Berlin für Regensburger Produktionen und Darsteller, besonders für das Klangbild vom Gewerk Ton (Craig-Simmons-Preis).

Und Vincent Wodrich, den man eben noch in den beiden Moreira-Tanzstücken gesehen hatte, freut sich als Mitglied der Regensburger Tanzcompany über den Bayerischen Kunstförderpreis: „Eine wunderbare Auszeichnung für unseren Kollegen“, lobt sein Chef, und das Regensburger Publikum revanchiert sich mit ausverkauften Vorstellungen. (Uwe Mitsching)
 

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